Kapitel 1.5

85 26 2
                                    




Und nun stand ich vor dem grauen Gemäuer, mit großen geröllartigen Brocken, die nur vermuten lassen, wie gigantisch es zu seiner Zeit gewesen sein muss. Ich setzte mich auf eines der Gesteine, die sich als Nische für mich anbot. Ich kramte in meiner Tasche herum und holte das Buch mit blauer Schrift heraus, auf dem stand: ‚Vergessen sein oder Vergessen werden?'

Auf den Weg zur Stadtbibliothek, in der ich mich eigentlich nur umschauen wollte. Stieß es mir direkt ins Auge. Vielleicht war es so, weil mein momentaner Gemütszustand, dem sehr nahekam und die Angst aufbrodelte, von meinen liebsten nicht nur distanzmäßig getrennt zu sein, sondern auf das Vergangene beschränkt zu werden.

Ja..., wenn ich tief in mein Inneres schaute, hatte ich Angst vergessen zu werden.
War ich deshalb depressiv angehaucht?

Aus meinen erlernten Psychologiepraktiken, würde ich behaupten nein. War ich einsam?

Ja, das kam dem wie ich mich fühlte, sehr nahe. Wobei ich das auch schon in Dublin war. Diese innere Unzufriedenheit musste ich loswerden!

Das machte mich noch wahnsinnig. Ich hatte überhaupt keinen Grund dazu. Weder war ich ein Kind, welches keine Freunde hatte oder eine unglückliche Kindheit mit sich brachte, noch im Inbegriff sonst welch negativer Erfahrungen, die auf mich eingewirkt hätten. Die wahrscheinlich negativste Erfahrung in meinem Leben war die, das ich mit fünf Jahren, mich zu einem Kaugummidieb entwickelt hatte. Daraufhin baten meine Eltern unseren Nachbarn, der Polizist war, mir eine moralische Abreibung zu verpassen. Seit diesem Tag, machte ich einen großen Bogen um die Kaugummis, weil ich so große Angst hatte, ins Gefängnis gehen zu müssen. Ja, meine Eltern, nahmen Erziehungsmaßnahmen sehr ernst.

Ansonsten, war ich nur mit positiven Eindrücken, bisher durchs Leben gelaufen.

Also was war das Problem?

Ich sah zum Himmel. Die Wolken über mir, fingen an sich ineinander zu verschlingen und aus dem hellen grau, ein dunkles, finsteres zu machen. Erst jetzt bemerkte ich den starken Wind, der unruhig vor sich her tobte. Er pfiff durch die Blätter, die vor Angst hin und her zappelten. Meine Finger, die sich auf dem Gestein abstützten, waren feucht. Es bahnte sich ein Sturm an. Nichts Ungewöhnliches für Irland. Sowas passiert öfter, gerade oben im Norden. Vielleicht nahm man deshalb solche Unwetter nicht so ernst.

Nichts desto trotz, sollte man sich in Acht nehmen. Es passiert nicht gerade selten, dass Bäume herausgerissen werden, oder vereinzelt Häuser, den Unruhen der Natur nicht standhalten konnten.

Ceallagh, ist beispielsweise ein Mensch, die sich bei Gewitter in den hintersten Raum des Hauses verschanzt, umso wenig wie möglich von dem Ganzen mitzubekommen. Sie bekommt panische Angst, deshalb muss immer einer ihrer drei Brüder bei ihr sein und sie beruhigen. Kein Wunder. Ceallagh's Oma ist bei solch einem Unwetter ums Leben gekommen, da das Ziegeldach ihres kleinen Häuschens, mit der lila angestrichenen Bank vor der Tür, einstürzte. Ceallagh und ich besuchten sie damals oft und hatten die Bank mit ihr zusammen angestrichen. Jetzt dekorierte das lila gestrichene Holz, den Garten von Ceallagh's Eltern. Zu ihrem Geburtstag, hat sie sich eine Tradition einfallen lassen, in der wir immer auf dieser Bank sitzen und die Kirschtorte nach Rezept von Oma Lima, essen. Ich weiß gar nicht wieso, ob es daran liegt, dass ich diese Speise, mit so vielen schönen Erinnerungen verbinde, aber es ist definitiv mit Abstand die allerbeste Kirschtorte, die man essen kann.

Was Ceallagh jetzt wohl zu diesem anbahnenden Gewitter sagen würde?

Sie würde mich vermutlich ohrfeigen und anbrüllen, ich solle gefälligst Hund und Beine in die Hand nehmen, damit ich sicher zu Hause ankomme.

Ich beschließe mir nachher einen Kräutertee zu machen, mit den Kräutern, die ich im Wald letztens gesammelt habe und dabei mir das Telefon zu schnappen, um meine beste Freundin anzurufen. Sie ist zwar viel beschäftigt, seitdem sie mit ihrem Jura-Studium angefangen hat, aber für einen Plausch nimmt sie sich immer die Zeit. Sie hat mir auch fest versprochen in den nächsten Semesterferien, mal für ein paar Wochen zu mir zu kommen. Auch wenn ich bezweifle, dass sie das Landleben aushält.

Geister der SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt