Kapitel 3.4

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Verlassen und Verloren irrte ich durch den Irrgarten der unzähligen Gänge. Ein Labyrinth welches die Überforderung nur so willkommen hieß. Das Ziel schon längst aus den Augen verloren, schritt ich mal langsam, mal schnell die steinernen Stufen hinauf und woanders wieder hinunter. Viel zu Alltäglich war die Angst nun in mir geworden, als das ich ihr meine ganze Beachtung noch hätte schenken können. Sie war die Einzige, die mich gänzlich und unverhohlen sah. Hand in Hand, würde sie von nun an meinen weiteren Lebensweg mit mir beschreiten. Jedes Augenpaar welches mir entgegentrat, würde nur eine Fälschung meines Ichs erblicken. Sie sahen eine Puppe, die ihren Platz im Puppenhaus einnahm. Nur sah niemand, dass sie sich im falschen befand. Die eigene Identität drohte mir immer mehr aus den Fingern zu entgleiten. Wie feiner Sand rann sie dahin und schon bald würde ich sie vielleicht gänzlich verloren haben.

Die in schweißgetränkten Hände strich ich mir hastig an dem feinen Stoff meines Kleides ab und versuchte trotz der erdrückenden enge des Korsetts, meine Lungen mit frischer Luft zu befüllen. Doch das Schwanken vor meine Augen nahm immer mehr zu, sodass es mit jedem Schritt schwerer wurde das Gleichgewicht zu halten. Immer mehr stieg die Magensäure nach oben, dessen saurer Geruch die Übelkeit weiter antrieb. Erschöpft stützte ich mich an der kalten Wand ab und lehnte mich an ihr, um kurz inne zu halten. Die Kühle schien beruhigend auf das rasende Herz und den drohenden Magen zu wirken. Ich schloss die Augen, konzentrierte mich darauf, meine Atmung zu kontrollieren. Kontrolle über mich selbst wiederzubekommen und die aufkommende Panikattacke fortzutreiben. Ich erkannte mich nicht wieder.

Was war nur aus dem kämpferischen, zielgerichteten und wissbegierigen Mädchen geworden?

War sie nun gänzlich verschwunden und hatte Platz für etwas Neues oder eher jemand Neues geschaffen?

Denn sie löste sich auf und ich schien sie immer mehr aus den Augen zu verlieren.

„Ist alles in Ordnung bei Ihnen Miss?" eine Frage die wie ein Scharfes Messer, Raum und Zeit, durchschnitt. Ein Zucken des Schocks durchfuhr meine Knochen und ich blickte in zwei Haselnussbraune Augen. Augen dessen Herkunft ich nicht kannte und doch waren sie nun direkt vor mir und blickten fragend in die meine. „Verzeihung, ich wollte euch nicht erschrecken." Nun wich der fragende Ausdruck, einem schelmischen lächeln. „Wie unhöflich von mir, mich nicht vorzustellen. Mein Name ist Cahal." Theatralisch senkte er seinen Oberkörper vor mir, ohne dabei den Blick von mir abzuwenden. Immer noch ohne eine Silbe von mir gebend, beobachtete ich ihn. Versuchte zu differenzieren, wohin ich ihn einzuordnen hatte. Denn irgendwie schien er genauso nicht hierein zu passen wie ich. War es vielleicht das, wieso ich ihn von Anhieb sympathischer fand, als den Rest? „Ihr scheint nicht sehr gesprächig zu sein. Eine Seltenheit auf diesen Hof. Umso froher bin ich, dass ich genau diese Art von Gesellschaft sehr genieße."

Er entlockte mir ein lächeln. Ein kleines schmunzeln, welches das Eis nun zwischen uns gebrochen hatte. Er war ein Schelm, dies stand außer Frage und doch war es diese Selbstsicherheit die er ausstrahlte, um einen in seinen Bann zu ziehen und Lust machte, ihn kennenzulernen.

Direkt und doch wie ein ungelesenes Buch, welches es Wert war sich die Zeit zu nehmen und es aufzuschlagen. Jede Dienstmagd die an uns vorbeilief, knickste vor uns nieder, welches die Neugierde über ihn, wie ein Funke ein kleines Feuer noch mehr anzutreiben schien.

Es war die Identitätslosigkeit, die ich in seiner Gegenwart genoss. Zwei Fremde, die sich unbeschwert und lachend unterhielten, ohne dabei den Gesellschaftlichen Rang herauszufinden. Die Leichtigkeit, die zwischen uns herrschte, zog sich wie ein fließender Fluss ihre Bahnen. Keine unangenehme Stille oder Fragen schienen dieses Angenehme Etwas zwischen uns zerstören zu können. Doch wie alles, endete auch diese. Obwohl mein Inneres gehofft hatte, noch länger in dieser Blase bleiben zu können.

Geister der SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt