Der kühle Zug den die Luft mit sich brachte ließ die sich anbahnende Panikattacke langsam verklingen. Immer wieder sog ich die Brise tief in meine Lungen ein und stieß sie nach ein paar Sekunden wieder aus. Das aufplustern meiner Lunge, als sie sich mit dem reinigenden Stoff befüllte, lockerte die enganliegenden Ranken, die sich auch dieses Mal wieder enger um meinen Brustkorb wanden. Das Zittern der Hände erlosch und mit ihnen der Schwindel, der versucht hatte mir mein Augenlicht in Schwarz zu tunken.
Es war richtig gewesen hier hinauszugehen, auch wenn ich mal wieder die Orientierung verloren hatte, wo ich mich nun genau befand. Genau jetzt war das Alleinsein mein Freund und half mir die Gedanken klarer zusehen. Unerträglich war zuvor die Situation. Die Schlinge um meinen Hals hatte sich enger gelegt bei jeder weiteren Minute, bei der ich mich selbst betrachten musste. Ich spürte förmlich das raue Seil, welches sich Stück für Stück in meine Kehle einschnitt.
Nun, hier war sie weg, hatte mir erlaubt wieder Atmen zu dürfen.
Meine Augen schweiften über das saftige grün, welches schon unnormal für diese Jahreszeit in die Höhe ragte. Hinter dem Schloss befand sich ein kleinerer Park, ja fast einem Garten ähnlich, dessen Existenz durch Hecken und Sträuchern verborgen wurde. Nur eine kleine schmale Holztür führte mich hier hin. Dort wo niemand war. Dort wo ich, auch wenn nur kurz mal wieder ich sein durfte. Versteckt und intim, schlummerte er hier und rief die Natur zu sich. Erdete einen und brachte manch Verwirrten zur Besinnung. Trotz seiner Kleinheit, strotzte er mit Schönheit. Knospen die begannen das Blütenkleid in die Welt hinauszutragen. Tau der sich wie ein seidenes Tuch auf die Erde legte und sie wie tausende von Diamanten funkeln ließ, sobald der erste Sonnenstrahl sie berührte. Gras, welches an meiner Fußsohle kitzelte und kühlend auf die Schwellung meines Knöchels wirkte und ihn zur Ruhe brachte. Das unbequeme und enge Schuhwerk, behielt ich in der Hand. Fest umschlossen von den filigranen Fingern, deren Knöchel schon weiß hervortraten, da sie fest zu Fäusten wie ein Schraubstock geballt waren. Ich mochte es den Schmerz zu fühlen. Er half mir den schlimmeren, tieferen zu vergessen und ließ mich trotz dessen lebendig fühlen. Ich war am Leben, war es nicht das was zählt?
Sollte ich nicht dankbar für diese zweite Chance sein, die sich mir hier offenbarte?
Ich seufzte. Ich empfand keine Dankbarkeit. Jetzt gerade fühlte ich mich innerlich tot. Ich spürte, wie meine Seele langsam begann zu faulen. Aufgefressen von der Unsichtbarkeit und dem Verlust.
Die großen Hecken, die sich langsam wieder zu Farbe bekannten, dirigierten mich immer weiter Weg vom großen weißen Haus, weiter zu den immer laut werdenden Klängen der Natur. Hinter ihnen verbarg sich wohl das schönste, was diese Welt einen bieten konnte. Die Schönheit dieses Ausblicks lies mich verstummen und staunen. Wildes Wasser, dessen Strom alles mit sich riss und in eine neue Welt trug. Schaffte neues Leben.
In die Höhe erstreckten sich majestätisch die Klippen Irlands dessen Grau, bei einer Berührung mit dem Wasser sich in ein Schwarz tränkten. Salziger Geruch stieg in die Nase und beflügelte meine Sinne. Die Augen geschlossen, nahm ich jeden Reiz wahr. Wollte fühlen und spüren, wie mächtig die Vielfalt der Natur doch sein konnte. Wollte diese vertrauten Eindrücke fest verankern und mich zurück nach früher katapultieren...
Ich rümpfte die Nase und die feinen Augenbrauen nährten sich verdächtig an. Das hier... Das hier kannte ich doch. Viel zu vertraut war mir dieser Anblick. Schon fast seltsam vertraut. Vorsichtig, als würde ich mich auf einem Mienenfeld befinden, durchforstete ich meine Erinnerungen. Öffnete jede Tür zaghaft aus Angst vor dem, was mir die Erkenntnis bescheren würde.
Und da...
Ich riss die Augen auf und starrte auf den hohen Felsen vor mir, dessen Struktur ich schon hunderte Male mir eingeprägt hatte. Die meine Finger immer wieder auf Papier gemalt hatten. Der Puls, der nun kräftig in meinen Adern schlug schärfte die Sinne. Jedes Detail erkundeten meine Augen. Verglichen sie mit den Erinnerungen aus meinem Kopf. Mit jedem Schritt den ich weiter zur Kluft ging, überkam mich die Klarheit. Mein Blick wanderte zum Schloss, welches wie aus einem Gemälde entsprungen hoch in den Himmel ragte.
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Geister der Seele
Roman d'amourErwachsenwerden verlangt einiges ab. Der Aufbruch in das Neue und Unbekannte beginnt. Doch wie ist es, wenn das Schicksal ohne Vorwarnung zuschlägt und dich in eine Zeit zurückversetzt in der Tod, Liebe und Rache, dein engster Begleiter sind!? Wirs...