Kapitel 2.3

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Meine Füße protestierten. Wehrten sich noch ein weiteres Mal, vom Boden abzuheben. Sie wollten nicht mehr laufen. Konnten einfach nicht mehr. Mit letzter Kraft stolperte ich in eine Kleine Holztür hinein, die mit einem Eisenschloss verriegelt war. Die Tür fiel schwer ins Schloss und mein Körper brach in sich zusammen. Kühlend, spendete das sperrige Holz meinem Rücken Trost, während die Verwirrung meinen inneren Sturm, weiter antrieb. Die Tränen durchbrachen den Damm, den ich mit aller Macht versucht hatte, aufrecht zu erhalten. Ich verstand nichts mehr. Nichts ergab mehr einen Sinn. Ich konnte mich an keinen Halm klammern, in der Hoffnung, so nicht unter zu gehen. Und so liefen mir kleine Tropfen über die Wangen und benetzte mein Gesicht.

Weiße, schwere Samtvorhänge, waren über die großen Bogenfenster gezogen. Gaben dem Licht keine Chance hindurch zu dringen und so tränkte die Dunkelheit den Raum. Es roch modrig. Aus den Ecken drang der Staub hervor, der sich über die Zeit abgesetzt hatte.

Das Einzige was wie ein scharfes Messer, durch die Stille schnitt, war mein Schniefen und die Trauer, die darin lag. Die Trauer, an das Vergangene. Über den Verlust und der inneren Leere, die sich durch meine Adern zog.

Was war nur mit geschehen?

Diese Frage, wölbte sich in meinem Kopf auf. Verdrängte die anderen Gedanken und verlangte meine ganze Konzentration. Doch eine Antwort hatte ich nicht darauf. Wer weiß schon, ob irgendjemand mir das beantworten könnte.

Ich konnte mir selbst kein Glauben mehr schenken. Konnte kein Gefecht austragen, dessen Einzelheiten ich nicht kannte. Es war schier unmöglich, das zu verstehen, was sich in den letzten Stunden, vor meinem inmeren Auge abgespielt hatte.

Umgeben von Fremden, die weder mich kannten, noch die Situation in der ich mich befand, erfassen konnten. Wie sollten sie auch?

Ich begriff, die Bahnen meines Lebens, die über meinem Kopf entschieden wurden, selbst nicht.

Ahnungslos, nicht wissend, welchen Schritt ich als nächstes tun sollte, saß ich hier. Ich schaute auf meine blassen, ja fast schon weißen Hände. Die langen Finger, waren ineinander verschlungen und hielten sich aneinander fest. Wollten sich an etwas klammern, um ein Hauch Sicherheit zu erhaschen. Diese langen, schmalen Phalangen, waren der Gegensatz zu meinen. Meine Finger waren kleiner und auch dicker. Wurstfinger, nannte ich sie liebevoll, da sie für nichts zu gebrauchen waren, außer in die engsten Schlitze und Löcher zu kommen und dort Dinge herauszupullen, die andere schon aufgegeben hatten. Und nun betrachtete ich die langen, dünnen Stöcke, die nun mir gehörten. Ob ich wieder zeichnen könnte?

Die Fragen überschlugen sich und die Antworten ließen auf sich warten. Denn es kamen keine. Nur Fragen, die immer fordernder aufschrieen. Unausgesprochen standen sie im Raum, der mir die Einsamkeit noch näherbrachte. Ich war allein. Das hier war nicht meine Zeit. Meine Zeit wartete noch auf mich und ich musste nur darin wieder zurückkehren.

Ich rief mir noch einmal das Bild, welches ich im Internet zu dem jungen König betrachtet hatte, ins Gedächtnis. Es gab keinen Zweifel daran, das Blondschopf, dieser eine König war. Der einzige Unterschied, war der gewesen, dass ich ihn hier zumindest schon einmal lächeln gesehen hatte. Dies machte ihn um ein Vielfaches schöner. Sympathischer.

Eine Erkenntnis, die ich nicht hören wollte. Die nicht dem entsprach, was mir den Unsinn aus dem Kopf rief. Dagegen dementieren konnte, zu glauben, dass ich im 16. Jahrhundert feststeckte. Ich wusste nicht einmal so wirklich etwas über diese Zeit. Wie sollte ich mit ein bisschen Schulwissen, hier zurechtkommen?

Ich hatte nichts und niemanden hier, der mich unterstützen konnte. Alles was ich besaß, trug ich am Leib. Keinerlei Besitz lag in meinen Händen. Keine Ahnung, wie es möglich war, dass ich die Vergangenheit gereist bin. Konnte nichts Logisches darin sehen, was mich beruhigte und mir die Angst der Ungewissheit nahm.

Geister der SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt