Kapitel 3.0

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Ich schrak hoch und riss die immer noch schwachen Augen auf. Die Müdigkeit lag schwer auf mir.
Doch da war noch etwas. Ein Wunsch. Der Wunsch nach Früher. Das dies alles nur ein Alptraum war, der mich heimgesucht hatte. Doch mit nur wenigen Atemzügen holte mich die Realität wieder zurück und ich blickte auf das ruhig in sich gekehrte Meer, welches sich durch die Strömung zu feinen weißen Schaumkronen auf dem Sand niederließ. Einzeln sprangen die kleinen Bläschen nacheinander auf und waren in aller Einsamkeit verschwunden. Immer und immer wieder geschah dies. Unaufhaltsam, wie ein Sprung in der Platte, rauschte das wilde Wasser an die Bucht, gebremst von abertausenden kleinen Körnern. Einige Zeit beobachtete ich dieses Schauspiel, starr meinen Blick darauf gerichtet. Ich wollte nicht die Sorgen hereinlassen, die vor der Tür nur so lauerten und mit festem Händedruck anklopften. Wollte ihnen keinen Platz schaffen, sich genüsslich auszubreiten und die Angst zu meinem engsten Vertrauten machen. Ich zog die wärmende Decke noch enger um mich herum, der eisigen Kälte, die diesen Morgen in einen grauen Nebel hüllte, zu entfliehen. Ich wendete meinen Blick ab und schaute zu Blondschopf, der sich neben mich gelegt hatte. Noch immer versunken, in einen tiefen Dornröschenschlaf.

Ich war hier zusammengesunken, als mich die Erkenntnis einholte. Cian hatte mich zugedeckt, nach dem die letzte Träne vergossen und ich in einen unruhigen Schlaf verfallen war.

Nun hingen seine wilden Locken im Gesicht. Rhythmisch hob sich seine Brust. Fast schon friedlich schaute ich ihn an, wie er neben mir lag. Froh und zugleich dankbar, dass ich gerade alles war, aber nicht allein. Der Hauch eines Lächelns zeichnete sich auf meinen Lippen ab. Doch ich wollte nicht, die wichtigen Dinge aus den Augen verlieren, auch wenn sie gerade zu meinem Verwundern, zweitrangig waren. Jetzt, genau in diesem Moment, war ich einfach nur ein Mädchen, welches mit einem Jungen, am Strand saß. Den Klang der Wellen zuhörte und dabei Brot und Schinken aß. Dick eingekuschelt, in der wohl gemütlichsten Decke, die es geben konnte.

Und doch legte sich binnen weniger Minuten, die schwere der Last wieder nieder. Ich passte nicht hier her. Keine Ahnung wie es weitergehen sollte, ließ ich die Schultern die schon langsam vom krampfen schmerzten sinken. Schon immer war ich ein Liebhaber der Planung gewesen. Danach richtete sich mein Arbeitseifer und das Streben nach Zielen. Aber das hier...

Das hier fühlte sich wie ein Diebstahl, meines Lebenselixiers an. Ohne jeglichen Plan, irrte ich hier nun herum. Wusste nicht, welchen Weg ich als nächstes nehmen sollte. Vor allem, weil ich hier keinen Platz besaß. Ich schluckte verzweifelt den dicken Kloß in meinem Hals hinunter, der es gewagt hatte, hinaustreten zu wollen. Mittlerweile stand die Sonne senkrecht am Himmel. Der graue Schleier hatte sie fast gänzlich eingenommen und verbarg ihre Wärme. An einigen Stellen durchbrach das helle blau aber doch den dicken Mantel. Die Farbe der Hoffnung. Ich versuchte mir einzureden, dass dies auch für mich galt und ich den Kopf nicht in den Sand stecken sollte. Doch diese Worte waren leichter gesagt.

Cian war nach seinem Erwachen, mittlerweile fleißig dabei, all das Gepäck wieder Sattelfest und sich bereit für die Heimreise zu machen. Unfähig meinen Körper zu bewegen, starrte ich gleichgültig weiter auf die Wellen des Meeres, die sanft auf den Steinen aufschlugen und zurückschellten.

All das hier musste ich lernen zu akzeptieren. Lernen die Vergangenheit beziehungsweise meine geliebte Zukunft hinter mir zu lassen. Lernen hier und jetzt, irgendwie zurecht zu kommen und wieder Glück zu finden. Ich wollte meine Seele von diesem niederschmetternden Druck befreien. Denn ich wusste, dass ich sonst kaputt gehen würde.

Viel zu schmerzlich hatte ich erfahren müssen, was ‚Angst' wirklich bedeutete und wie viel Macht sie besaß. Von all den Ängsten, die ich bisher erlebte, gestand ich mir ein, dass ich keine Ahnung hatte, was es wirklich bedeutete Angst zu haben. Denn etwas Vergleichbares, wie mit dieser hier hatte ich nicht. Angst kann einen Menschen brechen. Sie hatte die Fähigkeit mich brechen. Wie viel Macht würde ich ihr geben?

Geister der SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt