Kapitel 11

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"Life is difficult, you know. It's bloody hard telling the truth all the time. Sometimes it's impossible."

~Mark Haddon

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Ohne weiter nachzudenken, klingelte ich. Doch leider machte nicht wie erwartet Simon auf, sondern Jack. Peinlich berührt wischte ich mir schnell die Tränen aus den Augen. Mein bescheuertes Herz begann natürlich wieder wie verrückt zu pochen. Verdammt. Warum reagierte ich immer so stark auf ihn, auch wenn ich ihn nur sah?

Jacks T-Shirt war heute in einem sanften blau, seine Shorts dunkelgrau. Als ich aufsah, waren seine Augen bereits auf meine gerichtet. Scheisse, waren sie schon immer so grün? "Alles okay, Julia? Warum weinst du?" Seine Stimme klang besorgt, jedoch tief, wie eh und je.

"Ach, nicht so wichtig. Ich wollte eigentlich nur zu Simon. Ist er nicht da?" Ich hätte mich umbringen können, dafür, dass ich stotterte. Wahrscheinlich war ihm längst aufgefallen, was er für eine Wirkung auf mich hatte. Wie peinlich. "Er ist noch mit Mom beim Arzt, aber sie sollten jede Minute zurück sein. Komm doch bereits rein." Jack trat einen Schritt zur Seite, um mich durchzulassen. Eine Hand lag auf der Türklinke, die andere im Hosensack. "Warum hast du geweint?" Mit einem merkwürdigen Blick musterte er mich.

"Beim Arzt? Ist er denn krank? Oder ist etwas passiert?", wich ich seiner Frage aus. "Fuck. Du weisst es immer noch nicht, oder? Er hatte es dir immer noch nicht erzählt, nicht wahr?" Frustriert fuhr er sich durch seine dunklen Haare. Als er seine Hand wieder senken liess, fielen ihm sofort mehre Strähnen in die Stirn. Er verstand ab meinem Gesichtsausdruck, dass ich von nichts wusste. Wütend stiess er die Türe mit einem wütenden Ruck zu. Der Knall liess mich zusammenfahren.

"Sorry." Sein Kiefer war aufeinander gepresst, und seine Hände zu Fäusten geballt, als er vor mir in die Küche trat. Unruhig begann er sich wieder durch die Haare zu fahren. Ich denke, es ist unnötig, wenn ich jetzt sage, dass bei dieser Geste alles in mir verrücktspielte. Er sah so gut dabei aus. Warum reagierte ich nur so fest auf ihn? "Was soll Simon mir sagen, Jacky?" Meine Stimme klang selbstsicherer, als ich mich fühlte. Kopfschüttelnd antwortete er mir. "Sorry. Er muss es dir selbst sagen. Ich habe nicht das Recht dazu." Es war ihm anzuhören, dass es ihm schwerfiel, nichts zu sagen. Langsam breitete sich ein mulmiges Gefühl in mir aus. Es musste etwas wirklich Ernstes sein.

"Komm schon, Jack. So schlimm wird es wohl nicht sein. Sag schon." Versuchte ich ihn umzustimmen. Als ich ihm freundschaftlich mit dem Ellenbogen in die Seite stiess, bekam ich einen kurzen Stromschlag. Sofort trat ich einen Schritt zurück. "Sorry." Schnell schaute ich aus dem Fenster. "Kein Ding. Ich muss los. Tschau, Julia." Er warf mir einen letzten, leicht sorgenvollen, Blick zu. Daraufhin war er auch schon durch die Haustür nach draussen verschwunden. Am liebsten wäre ich ihm nachgerannt und hätte versucht, mehr aus ihm herauszubekommen. Aber ich wusste, dass er natürlich recht hatte. Wenn es wirklich wichtig war, würde Simon es mir sagen, und zwar selbst.

Ich lief hinauf in sein Zimmer und legte mich in sein Bett. Das durfte ich doch als seine Freundin, oder? Ich atmete einmal tief durch. Simons Geruch war tief entspannend. Meine Augen fielen schon bald müde zu. Der heutige Tag war wirklich anstrengend. Zuerst das Date und dann Sina. Ich verdrängte den Gedanken an sie und schlief ein.

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Ein Kuss auf meine Stirn weckte mich auf. Langsam öffnete ich meine Augen und sah in Simons wunderschön braunen Augen. "Hey." Seine Stimme war fröhlich und hoch. Ein Lächeln kräuselte sich um seinen Mundwinkel. Sanft küsste er mich auf den Mund. Knabberte leicht an meiner Unterlippe und drang schliesslich mit seiner Zunge in meinen Mund ein. Sie spielte sanft mit meiner. Es war ein schönes Gefühl. Mein Herzschlag wurde ganz langsam und ich entspannte mich. Da fiel mir etwas ein. Vorsichtig stiess ich Simon von mir weg.

"Wo warst du eigentlich?" Ich bemerkte, wie er überlegte, ob er mir die Wahrheit sagen sollte oder nicht. Er entschied sich dagegen. "Mit Mom einkaufen. Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du kommst." Sprachlos schaute ich ihn an. Warum log er? Vertraute er mir nicht? Ich hatte in seiner Gegenwart das Gefühl, ihm alles anvertrauen zu können. Hatte er das etwa nicht? Ich vertraute ihm. Ich wollte das ja auch. Warum konnte er es nicht? Wollte er nicht?

"Warum lügst du mich an? Warum vertraust du mir nicht, Simon?" Mit gerunzelter Stirn schaute ich leicht zu ihm auf. Als er begriff, dass ich wusste, wo er war, drehte er sich neben mich auf den Rücken und schaute zur Decke hoch. In diesem Moment sah er so traurig aus. Langsam fuhr er sich durch die Haare. "Wie viel weisst du?", fragte er mit emotionsloser Stimme. "Nur, dass du aus irgend einem Grund beim Azt warst.", versuchte ich ihn leicht zu beruhigen. Der traurige Ausdruck viel von seinem Gesicht und er liess die angehaltene Luft aus seiner Lunge entweichen. Er drehte sich mir zu und begann meine Gesichtskonturen nachzuziehen. Als er den Knutschfleck sah, lächelte er.

"Der ist wohl von mir, was?" Amüsiert schmunzelte er. Als ich nicht darauf einging, beugte er sich vor und küsste sanft meinen Hals. Diesmal an einer anderen Stelle. "Was tust du da? Verdammt noch mal, Simon, sag endlich was los ist und lenke nicht ab." Ich wich, allmählich wütend, vor ihm zurück. "Tut mir leid. Ich wollte dir nur nochmals einen Knutschfleck machen." Verspielt hob er eine Augenbraue und liess sie tanzen. "Ich finde das irgendwie anziehend, wenn ich weiss, dass diese rote Stelle von mir ist."

Böse schüttelte ich den Kopf und stand auf. "Hey, wo willst du hin?" Verwundert setzte er sich auf. "Ich gehe. Wir sehen uns erst wieder, wenn du bereit bist, mir zu vertrauen. Denn das tun Pärchen normalerweise." Anklagen schaute ich zu ihm. "Hey, das ist nicht fair, Juwel. Es- Das hat nichts mit vertrauen zu tun, okay? Es ist viel mehr, wir sind noch nicht so weit, verstehst du?" Seine Stimme war lauter geworden. "Ach ja? Und wer entscheidet das? Du?" Ich lachte, jedoch nicht fröhlich. "Ja genau ich, Julia. Und weisst du, warum? Weil ich das Recht dazu habe. Du hast keine Ahnung, was du von mir verlangst!" Wütend stand er auf und funkelte mich an.

Ich gab es nicht gerne zu, aber er hatte recht. Ich hatte keine Ahnung, um was es hier geht. Ich seufzte laut, bevor ich mich zwang, mich zu entschuldigen. "Du hast ja recht. Tschuldigung." Seine Gesichtszüge wurden sofort wieder weicher. "Ich sage es dir bald, okay? Gib mir bitte einfach ein wenig Zeit." Ich nickte. Das war ja wohl nicht zu viel verlangt. Es war nur Zeit. Zusammen legten wir uns wieder aufs Bett. Simon nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich. Wie ein Ertrinkender hielt er sich an mir fest. Oder wie jemand, der Angst davor hatte, dass man ihn verlässt, schoss es mir durch den Kopf. Kurze Zeit darauf schliefen wir beide Arm in Arm ein.

Niemals DeinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt