Kapitel 16

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"Tell the truth, or someone will tell it for you."

                        ~Stephanie Klein

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Da ich Jack heute nicht begegnen wollte, hatte ich Simon zu mir nach Hause eingeladen. Ich musste mich vollkommen auf ihn konzentrieren können.

Er sass mir gegenüber auf dem Schreibtischstuhl, ich auf meinem Bett. Mir fiel auf, dass er müde aussah. Unter seinen Augen waren dunkle Ringe zu sehen. Sein Blick war auch nicht wie sonst, fröhlich und hell. Es lag eher Traurigkeit und Angst? darin.

"Okay, also was willst du wissen? Du darfst mich alles Fragen, was du willst." Ich nickte leicht und überlegte. "Wie lange hast du das schon? Diese Krankheit?", begann ich mit einer einfachen Frage.

"Huch, das ist eine schwierige Frage. Also eigentlich schon mein ganzes Leben lang, aber es war nie wirklich ernst. Ich hatte einfach immer wieder Zeiten, in denen es mir nicht gut ging, aber dann flüchtete ich meistens zu meiner Grossmutter. Ich habe dir ja erzählt, dass sie zu solchen Zeiten besser mit mir klarkam." Simon wippte unruhig mit seinem Bein hin und her. Ich merkte, wie schwer es ihm fiel, darüber zu sprechen.

"Ich nahm einfach immer meine Tabletten und dann ging es. Bis- Bis nun ja. Da kam ein Mädchen. Sie hiess Louisiana. Sie war meine erste feste Freundin und sie war einfach der Hammer. Dachte ich zumindest. Wir waren lange Zeit zusammen." Er strich sich seine Haare mit der Hand nach hinten. Er sah so verletzlich und einsam aus.

"Was hat sie getan?", fragte ich leicht erstickt. Ich wusste bereits von Jack, dass sie ihn anscheinend ausgenutzt hatte. "Sie wusste von meiner Krankheit, seit Beginn an. Sie hatte mich an einem meiner schlechten Tage kennenglernt und ich schüttete ihr mein Herz aus. Ich erzählte ihr, dass es mich nervte, immer diese scheiss Tabletten zu nehmen. Das merkte sie sich und nun ja. Sie hatte mich beraubt. Das heisst, jedes Mal, wenn sie bei mir war, liess sie ein paar Tabletten mitlaufen. Es waren nicht nur Antidepressiva. Ich hatte auch noch andere Tabletten, die ich nehmen musste. Eines Morgens habe ich sie dann erwischt, wie sie einige rausnahm und in einem Säckchen verstaute." Simon lachte bitter auf.

Es tat mir unfassbar weh, ihn so zu sehen. Er wirkt so, als ob er am Ende seiner Kräfte war. Und diese blöde Louisiana nervte auch. Wie konnte man so etwas gemeines tun? Sie hatte Simon ihre Liebe vorgespielt, nur um ein Paar Tabletten zu kommen?! Ernsthaft?

"Wie lange wart ihr zusammen?", traute ich mich zu fragen, obwohl mir vor der Antwort graute. "Etwas über ein Jahr. Weisst du, ich weiss nicht mal, ob sie die Tabletten selbst nahm, oder ob sie sie verkaufte oder sonst wem gab. Aber ich wollte es nicht wissen. Nach unserem Streit ist sie dann verschwunden. Ich habe sie nie wieder gesehen. Wahrscheinlich ist sie nach New York gegangen, sie wollte immer schon mal dahin." Sein Blick war traurig und leer. "Wann war das?"

Sein Blick suchte meinen. "Du meinst, wann ich sie erwischt habe? Das war etwas mehr als vor einem Jahr. Danach ging es mir richtig beschissen. Ich meine, ich dachte sie liebt mich und dann das... Es warf mich komplett aus der Bahn. Und kurz darauf starb dann auch noch meine Grossmutter. Nun ja, ich fiel. Ich fiel tief und ohne Jack und meine Mutter wäre ich jetzt nicht mehr hier." Seine Lippen waren fest aufeinandergepresst.

Ein erschrockener Laut verliess meine Kehle. "Hattest du probiert dich umzubringen?" Simons Kehle entwich ein ungläubiges Schnauben. "Klar, sogar mehrmals. Aber es ging nie. Ich war zu feige und am Ende fanden mich immer Jack oder Rose." Eine gewisse Selbstverachtung schwang in seinen Worten mit.

Oh Gott, das war schrecklich. Die aufkommenden Tränen schluckte ich tapfer wieder herunter und ich zwang mich, stark zu sein. Zumindest für Simon. Er stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab und fuhr fort.

"Es war eine harte Zeit, nicht nur für mich. Wie gesagt, auch für den Rest der Familie. Meine Mutter fand es auch alles andere als gut, dass ich mich ritzte und mich fallen liess. Da beschlossen sie, dass wir umzogen. Neue Stadt, neues Glück, neue Erinnerungen. Ich bekam noch mehr Therapiestunden, noch mehr Tabletten. Irgendwann ging es dann wieder. Und dann konnten wir endlich hier einziehen. Und hier ist es tatsächlich besser. Anders, aber gut. Ich hoffe, dass Mom jetzt besser mit dieser Zeit klarkommt. Und natürlich auch Jack. Für ihn war es auch nicht leicht."

Ich presste eine Hand auf meinen Mund. "Oh Gott Simon, es tut mir so leid.", war alles was ich herausbrachte. Ich war noch zu geschockt. Er tat mir so leid. Alles nur wegen diesem Biest von Louisiana. Wenn ich diese Göre jemals treffen sollte, werde ich sie eigenhändig umbringen. Genau das sagte ich auch Simon. Daraufhin lachte er nur, doch es klang nicht fröhlich.

"Danke, dass du mir alles erzählt hast. Das muss wirklich schrecklich sein. Für alle von euch. Aber glaube mir, ich werde dich niemals ausnutzen. Ich werde niemals nur mit dir zusammen sein, weil es für mich einen Vorteil hat. Ich bin mit dir zusammen, weil ich es will." Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, klopfte ich auf den Platz neben mit. "Danke.", mehr brachte er nicht heraus.

"Komm zu mir, Freund." Ich klopfte nochmals auf den freien Platz. Er stand auf und liess sich neben mich fallen. Sanft strich ich ihm eine einsame Träne von der Wange. "Hey Simon, alles ist gut." Er tat mir so unfassbar leid. Er sah so müde und fertig aus. In meiner Brust zog es, als ich ihn so betrachtete.

"Komm leg dich ein wenig hin." Zusammen liessen wir uns nach hinten fallen und deckten uns zu. Ich kuschelte mich in seine Arme und schloss meine schweren Augenlieder. Ich wollte jetzt nicht an das gesagte denken. Ich wollte einfach nur hier liegen, in Simons Armen und schlafen...

Niemals DeinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt