Kapitel 19

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"Denying the truth doesn't change the facts."

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Heute war ein schöner Tag. Die Sonne schien mit voller Kraft auf die Erde hinunter und wärmte die Luft auf. Also entschied ich mich an den See zu fahren. Normalerweise tat ich das immer mit Sina, aber sie war ja nicht mehr da. Da fiel mir auf, dass wir uns lange nicht mehr unterhalten hatten. Ich hatte so viel um die Ohren in der letzten Zeit, dass ich sie komplett vergessen hatte.

Schnell schrieb ich Simon, ob er später mit mir baden gehen wollte. Danach öffnete ich den Chat von Sina und mir und drückte auf das Face Time Zeichen. Ein wenig aufgeregt liess ich mich auf dem Schreibtischstuhl nieder. War sie wütend auf mich, weil ich mich so lange nicht gemeldet hatte? Das schlechte Gewissen nagte an mir.

Ein freudiges Quietschen war zu hören, als Sina den Anruf angenommen hatte. Sie strahlte mich mit einem riesigen Lachen im Gesicht an. Es war schön, sie so glücklich zu sehen. Sie sah ganz anders aus als sonst, aber nicht nur wegen dem schönen Lachen im Gesicht. Ihre Augen, ihre Haut, alles an ihr schien zu leuchten.

"Hey Julia. Wie geht's? Habe lange nichts von dir gehört!" Auch ihre Stimme klang anders. Glücklicher. Lebendiger.

"Hallo Sina. Schön, dich zu sehen. Ja, tut mir leid. Ich hatte hier in letzter Zeit viel um die Ohren. Aber erzähl, wie läuft's bei dir so? Gut eingelebt?"

"Hier ist es wundervoll. Die Familie, die hier lebt, ist einfach der Wahnsinn. Sie sind supernett zu mir und erklären mir auch wirklich alles. Gestern habe ich meine erste Reitlektion genommen." Die Wörter sprudelten nur so aus ihr heraus.

"Was? Du und reiten? Du bist doch ein richtiger Schisser!", verwundert aber auch lachend schaute ich in ihre funkelnden Augen.

"Ja, schon, aber seit ich hier bin, bin ich wie ausgewechselt. Ich traue mich viel mehr. Und das Reiten hat wirklich Spass gemacht. Es ist so toll." Aufgeregt klatschte sie in ihre Hände wie ein kleines Kind, welches sich über ein Eis freute.

"Wow, Sina. Das freut mich. Es ist schön, dich so glücklich zu sehen." Ich muss schon zugeben, ich war ein wenig neidisch. Das klang alles so grossartig. Aber natürlich gönnte ich es ihr auch. Sie hatte das alles wirklich verdient.

"Und wie läuft's bei dir? Besser gesagt mit den Jungs. Hast du dich schon für einen entschieden?" Gespannt begutachtete sie mich durch die Kamera.

"Hier läuft alles gut. Ja, ich bin mit Simon zusammen. Er ist ein guter erster Freund. Es war zwar letztens ein wenig schwierig, aber nun ist alles gut." Unbewusst nickte ich, um meine eigenen Worte zu bestätigen.

"Was, du bist mit Simon zusammen? Ich hätte gedacht, der auserwählte sei Jack. Ihr würdet doch so gut zusammenpassen. Warum denn Simon?" Sie klang verwundert.

Woher nahm sie sich das Recht, so zu urteilen? Sie kannte Jack nicht und sie kannte Simon nicht. Sie hatte beide nur kurz gesehen. Sie konnte doch nicht sagen, Simon passe weniger gut zu mir als Jack.

Ein wenig verärgert widersprach ich ihr. "Simon und ich passen perfekt zusammen! Du hast doch keine Ahnung."

Sina wirkte plötzlich ernst. "Weisst du, was mir fehlt, wenn ich dich über Simon reden höre? Die Leidenschaft. Schon damals, als ich noch bei dir war. Wenn seinen Namen fiel, haben deine Augen nie gefunkelt. Weisst du, ich bin nicht klüger oder so als du. Aber etwas habe ich im Leben gelernt. Es bringt nichts, mit jemandem zusammen zu sein, den man nicht liebt. Für den man nicht kämpfen würde. Es bringt nur Leid."

Fassungslos stiess ich die Luft aus. "Woher weisst du, dass ich nicht für ihn kämpfen würde?" Nun wurde ich allmählich wütend, jedoch merkte ich auch, dass ich unsicher wurde. Sina antwortete nicht auf meine Frage. Sie schaute mich einfach nur an und gab mir Zeit zu überlegen.

Langsam begann ich zu verstehen, was sie mir sagen wollte. Meine Gedanken schweiften zu einem Abend, der ich bis jetzt immer verdrängt hatte. Die Party bei Tyler.

Flashback:

"Es ist schade, dass wir das nie haben können.", meine Stimme war nur ein Flüstern.

"Vielleicht in einem anderen Leben." Etwas Trauriges lag in seiner Stimme.

"Ja, vielleicht."

"Belüge dich einfach nicht selbst, bitte." Sinas Stimme holte mich in die Realität zurück.

Eine Träne kullerte mir über die Wange. Schluchzend stand ich auf und liess mich samt Handy auf mein Bett fallen.

"Hey Juju. Alles gut. Was ist los?" Schniefend richtete ich mich wieder auf.

Mir war soeben, wie Schuppen von den Augen gefallen, dass ich Simon nicht liebte. Nicht mal in ihn verliebt war. Wenn ich an ihn dachte, begann mein Herz nicht wilder zu schlagen, wie es bei den Gedanken an Jack tat.

Bei Simon war es schön und angenehm, wenn er mich küsste, aber der Schmetterlingsschwarm in meinem Bauch blieb aus. Er kam nur bei Jack zum Vorschein. Als ich ihn küsste, fühlt es sich ganz anders an. Es fühlte sich alles leise an. Ich sah dann nur noch ihn. Ich spürte nur noch ihn. Hörte nur noch ihn. Als ich ihn auf der Party geküsst hatte, blieb die Welt stehen. Ein Feuerwerk explodierte. Es war laut und leise gleichzeitig. Es war so vieles da, was bei Simon und mir niemals kommen würde.

Das was zwischen Jack und mir war, war etwas ganz Spezielles, etwas Einmaliges. Mann konnte sich nicht aussuchen wer die eine Person sein wird, man konnte nur glücklich sein, wenn man sie gefunden hatte. Und das hatte ich.

"Ich liebe Simon nicht. Ich bin nicht mal in Simon verknallt. Mein Herz schlägt schon lange für Jack. Für ihn würde ich alles tun, für ihn würde ich kämpfen." Die Worte kamen nur leise über meine Lippen. Ich schämte mich so sehr. Ich hasste mich für diese Wörter.

Sina nickte nur und schaute mich traurig durch die Kamera an.

"Mir ist zwar erst jetzt richtig bewusst geworden, dass ich Simon nie lieben kann oder werde, doch es macht keinen Unterschied. Mit Jack kann ich sowieso nicht zusammen sein. Da gibt es genügend Gründe, mal davon abgesehen, dass er eine Freundin hat. Und Simon kann ich nicht verlassen, denn er ist depressiv. Er und auch Jack haben mir beide deutlich gemacht, dass wenn ich ihn verlasse, er es nicht überleben würde."

Sinas Augen weiteten sich geschockt. "Er ist depressiv?"

Stumm nickte ich. Sie wusste nicht, was sie auf meine Kurzusammenfassung antworten sollte. Doch ich nahm es ihr nicht übel. Es war für uns beide klar, dass ich in diesem Bereich nicht meinem Herzen folgen konnte. Es schmerzte zwar unglaublich in diesem Moment, doch ich wusste, es würde vorübergehen.

Nicht jeder kann mit der Person zusammen sein, der für einen bestimmt ist. Nicht mal jeder findet ihn. Ich konnte mich glücklich schätzen, dass ich ihn in meinem Alter schon gefunden hatte. Dass ich mit ihm reden konnte und dass ich ihn küssen durfte. Und natürlich auch, dass wir so nahe beieinander wohnten, wobei es wahrscheinlich einfacher für uns beide wäre, wenn es nicht so wäre.

Meine Mundwinkel bogen sich leicht nach oben und verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. Ja, ich konnte mich glücklich schätzen.

Niemals DeinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt