Kapitel 20

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"We must accept finite disappointment, but we must never lose infinite hope."

                        ~Martin Luther King, Jr.

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Nach dem Gespräch mit Sina war ich erstmals ziemlich erschöpft. Nach dem wir über mein Liebesleben gesprochen hatten, tauschten wir uns mindestens noch eine weitere Stunde über sonstigen Kram aus. Doch ich konnte mich nicht wirklich konzentrieren. Meine Gedanken schweiften dauernd zu Simon und Jack.

Inzwischen fühlte ich mich einfach nur beschissen. Ich konnte mich kaum im Spiegel ansehen, als ich meine Haare zu einem Zopf flocht. Wie konnte ich Simon das nur antun? Ich schämte mich unglaublich. Nicht dafür, dass ich Jack liebte, sondern dass ich Simon belog. Das ich ihm etwas vormachte.

In diesem Moment verabscheute ich mich zutiefst. Wie konnte ich es so weit kommen lassen, wenn ich in seiner Nähe nicht mal etwas fühlte? Das wusste ich schon die ganze Zeit, doch ich hatte es verdrängt. Ich wollte nicht wahrhaben, dass in meinem Inneren nichts geschah, wenn Simon mich küsste und bei Jack ein Feuerwerk explodierte.

Auch wenn ich am liebsten verschwinden würde, ich konnte nichts tun. Ich konnte nichts mehr geradebiegen. Simon dachte, ich liebe ihn. Dabei hatte ich nicht einmal einen Plan, was Liebe überhaupt war.

Eigentlich sollte ich jetzt bereits mit Simon beim See sein, doch ich konnte das nicht. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, wenn ich wusste, was ich ihm vorspielte. Ich verarschte ihn, obwohl ich es nicht wollte. Ich sah keinen Ausweg, keine Lösung. Mir blieb nur eine Wahl. Und das war, mit Simon zusammen zu sein und ein Traum-Päärchen abzugeben. Ich werde mit ihm schlafen müssen. Nicht dass ich denke er würde keine Rücksicht auf mich nehmen, nein er würde perfekt sein. Trotzdem wäre es schöner gewesen, wenn ich dabei auch etwas für denjenigen empfinden würde.

Simon dachte nun, ich war krank. Meine erste ausgesprochene Lüge ihm gegenüber. Ich machte es immer schlimmer. Es wird immer schlimmer.

Tief atmete ich ein und aus. Es gab zwei Dinge in meinem Leben, die Momentan vorprogrammiert für mich waren. Erstens war das die Schule. Ich musste wieder mehr lernen. In den letzten Tagen hatte ich die Bücher ziemlich vernachlässigt, was sich an meinen Noten zeigen würde, wenn ich nicht sofort wieder begann öfters hineinzuschauen. Zweitens die Beziehung zu Simon. Ich musste da durch, bis er genügend stark war. Bis der Moment kam, an dem er bereit war, nicht unterzugehen, wenn ich Schluss machte.

Für beide Punkte konnte ich keine Gefühle brauchen. Sie halfen mir in beiden Fällen nicht weiter. Wenn ich müde war, konnte ich nicht aufhören zu lernen, erst wenn ich fertig war. Und obwohl ich nichts für Simon empfand, musste ich ihm meine Liebe vorspielen. Ich durfte also nicht meine Gefühle ihm gegenüber zeigen, sonst merkte er es. Er war ja nicht doof.

In diesem Moment musste ich an einen Roboter denken, welcher alle Befehle ausführte, die ihm aufgetragen wurden. So sollte ich sein.

In zwei Tagen war ich zum Essen bei Simons Familie eingeladen worden. Er wollte, dass ich sie besser kennenlernte. Mir graute jetzt schon davor. Wie sollte ich mit Jack an einem Tisch sitzen und mich mit ihm ganz normal unterhalten? Erschöpft von meinen Gedanken stiess ich die Luft aus. War das alles anstrengend. Wann wurde nur alles so kompliziert? Ich wünschte mir für einen kurzen Moment mein altes Leben zurück, als es nur Sina und mich gab. Und meine Lernbücher natürlich. Wir waren zu dritt und es war gut. Jetz war plötlich alles kompliziert und voller Gefühle. Bald würde ich auch Simon meinen Eltern vorstellen müssen. Aber darüber konnte ich mir momentan noch keine Gedanken machen. Das war wieder ein anderes Kapitel. Erstmals musste ich mir überlegen, was ich für einen Dessert vorbereitete. Ich hatte nämlich gehört, dass Rose eine richtig gute Köchin war, und ich wollte sie beeindrucken.

Schlussendlich entschied ich mich für ein Tiramisu. Dass hatten sicher alle gerne und war trotzdem nicht zu einfach zum Machen. Die Küche war nämlich leider keinen meiner Lieblingsplätze.

Als der Tag dann kam, fing ich bereits am Morgen damit an. Ich ging in die Küche und fing mit der Mis en place an. Kurze Zeit später schaute bereits meine Mutter zur Küchentür hinein.

"Morgen. Was, du backst? Bist du krank?" Lachend und gleichzeitig verwundert beugte sie sich über die Schüssel, in der ich gerade die Mascarpone Creme abmass. "Nope mom, ich bin gesund. Heute Abend bin ich von Simons Familie zum Essen eingeladen worden." Mein Blick haftete starr auf der schwarzen Zahl, welche langsam zu der Gewünschten heranrückte.

"Gut, das ist doch toll. Warum siehst du dann aus, als ob die Welt gleich untergeht?" Meine Mom betrachtete mich kritisch. Genervt verliessen meine Augen die nun korrekte Zahl und schauten sie an. "Tsss, lass mich einfach. Ich muss jetzt weitermachen. Also tschüss." Kopfschüttelnd verliess sie mein neues Territorium.

Ich brauchte ganze anderthalb Stunden, obwohl das Rezept für 30min gedacht war. Doch wenigstens steht die Glasform nun gefüllt und lecker aussehend im Kühler. Erschöpft räumte ich die Küche auf, bevor ich in meinem Zimmer verschwand. Ich musste mich Seelisch auf den bevorstehenden Abend vorbereiten. Ich fühlte mich wirklich schlecht. Simon tat mir so leid. Was tat ich ihm nur an? Ich musste ihm sagen, dass ich nichts für ihn empfand, doch wenn er sich dann umbrachte... Ich hätte ein Menschenleben auf dem Gewissen. Niemals könnte ich mir das verzeihen. Er wäre einfach weg. Oh Gott, ich schluchzte auf. Es erschütterte mich zutiefst, zu wissen was ich nur durch Worte anrichten konnte. Über was ich Macht verfügte. Hoffentlich merkte er nichts. Er durfte einfach nichts merken. Das wäre das schlimmste, was uns beiden passieren könnte.

Was konnte ich also tun? Mich verliebt benehmen. Ihm verliebte Blicke zuwerfen und ihn küssen. Auch seine Mutter durfte nichts merken. Bei Jack war es egal, der wusste ja bereits, dass ich nichts für Simon empfand, oder?

Oh Gott, warum war das scheiss Leben so verdammt kompliziert?

Niemals DeinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt