Kapitel 12

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"There are two types of pains, one that hurts you and the other that changes you."

~Jettie Woodruff

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Durch laute Stimmen im Untergeschoss wurde ich aufgeweckt. Meine Augenlider schossen schockiert auseinander, als mir einfiel, wo ich mich befand. Scheisse, ich lag immer noch in Simons Bett. Er lag auf der Seite und hatte einen Arm um meine Taille geschlungen. Sein Gesicht war in meine Halsbeuge gedrückt. Sanft drehte ich mich zur Seite und schaute auf die Uhr. Es war bereits 20:00 Uhr. Wieder war einen Tag ohne lernen vergangen. Wenn das so weiterging, verboten mir meine Eltern wahrscheinlich schon bald, mein Zimmer überhaupt noch zu verlassen.

Sofort erstarrte ich, als ich hörte, wie Jack meinen Namen schrie. Eine weitere Stimme war zu hören. Eine Weibliche. Wahrscheinlich war es Rose. Ich versuchte, mich nicht zu bewegen, während ich lauschte. Plötzlich verstummten die Stimmen und Ruhe kehrte zurück. Warum hatten sie über mich geredet? Wahrscheinlich hatte ich mich verhört, versuchte ich mich zu beruhigen. Da ich inzwischen wirklich dringend auf die Toilette musste, ging ich schnell auf das angrenzende Badezimmer zu. Er hatte ein Eigenes, genau wie ich. Nachdem ich fertig war, wusch ich mir noch die Hände. Mein Blick blieb an dem leicht offenstehenden Schränkchen hängen, welches oberhalb des Lavabos befestigt war und ein Spiegel trug.

Neugierig öffnete ich es ein wenig mehr. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich ein Männerparfum sah. Das hätte ich ihm nicht gegeben. Es war ein teures. Mein Blick schweifte über Rasierschaum, Zahnpasten, sonstige Cremen, bis hin zu vier Dosen. Während mein Blick wie versteinert an einem davon hängen blieb, trat Simon zu mir ins Bad. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er zuerst etwas sagen wollte, dann aber meinem Blick folgte und verstummte. Sein zuvor noch fröhliches Lächeln verebbte.

"Fuck." Seine Hand fuhr durch seine Haare, während er versuchte, irgendwas zu sagen. Doch er brachte nichts heraus. Ich glaubte, ich war noch nie so traurig, wie damals in meinem Leben. Mit zitternden Händen griff ich nach der Dose und nahm sie heraus. Escitalopram stand in grüner Schrift darauf. Ich wusste, was das war. Wir hatten das mal in der Schule durchgenommen. Es war ein starkes Antidepressivum. Tränen traten mir in die Augen, als mir klar wurde, dass Simon depressiv sein musste. Es machte alles Sinn. Es war, als ob in mir ein Licht aufging.

Seine Kleider waren immer schwarz, genauso wie sein Zimmer düster gestaltet war. Seine verweinten Augen und Wangen... Jack der mit ihm stritt. Er wollte, dass Simon es mir sagte, dass er mit dem Arztbesuch log.... es gab so viele Hinweise darauf. Doch ich wäre ohne diese Dose wahrscheinlich nie darauf gekommen. Mit Tränen verschleierten Augen sah ich ihn verständnislos an. Warum hatte er mir das nicht gesagt? Warum war er depressiv? Simons Blick lag traurig auf mir.

"Du- du bist depressiv." Brach ich mit erstickter Stimme heraus. Es war keine Frage, es war eine Tatsache. Er nickte. Natürlich. "Ich möchte dich nicht verlieren, Juwel. Du bist momentan der einzige Grund, warum ich noch lebe. Ich weiss, dass du das nicht verstehen wirst. Aber bitte versprich mir, dass du mich jetzt nicht verlässt, nicht darum." flehend, verzweifelt sah er mich an.

Ich kann nicht beschreiben, wie ich mich fühlte. Ich fühlte mich in etwa so, wie wenn eine Tonne Gewicht auf mir läge. Ein riesiger Druck. War ihm klar, was seine Worte bedeuteten? "Natürlich tu ich das nicht." Meine Stimme war nur ein Flüstern. Ich war mir nicht mal sicher, ob er es überhaupt verstanden hatte.

Mir war klar, dass ich ab jetzt nicht mehr mit ihm Schluss machen konnte. Nicht, dass ich das momentan wollte, aber vielleicht irgendwann? Mir wurde die Wahl genommen. Es traf mich wie ein harter Schlag im Gesicht. Ich werde noch lange mit ihm zusammen sein müssen, wenn ich nicht wollte, dass er ging. Das hatte er mir gerade gesagt. Aber ich war mir nicht sicher, ob er wusste, was es für mich bedeutete.

Wie bereits gesagt, momentan wollte ich mit ihm zusammen sein. Aber ich hatte bis jetzt auch immer das Gefühl, frei in unserer Beziehung zu sein. Das wurde mir genommen. Ich werde nie mehr die Wahl darüber haben. Immer werde ich Angst haben. Kein Streit verursachen wollen. Laut aufschluchzend, liess ich mich an der Wand zu Boden sinken. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Den Tränen liess ich freien Lauf.

Sanft strich Simon mir über den Kopf. "Hey. Alles gut, Kleine. Du musst keine Angst haben. Ich komme klar. Ich komme schon lange klar und mit dir ist es gar keine Frage mehr. Du bedeutest mir viel zu viel, weisst du? Ich werde dich niemals verlassen." Sein Blick galt nicht mir, er war weit in die Ferne gerichtet. Bei seinen Worten, die er so sanft aussprach, wurde mir übel. Ich sprang auf und konnte mich noch im letzten Moment über die Kloschüssel beugen.

Simon löste die Dose aus meiner verkrampften Hand. Mir war gar nicht bewusste, dass ich sie immer noch hielt. Er stellte sie in den Wandschrank zurück und schloss ihn wieder. Danach trug er mich in sein Bett und legte sich neben mich. Sein Armen umfingen fest meinen Körper. Er hielt mich ganz fest an sich gedrückt, als wollte er mich nie wieder loslassen. Die Schluchzer erschütterten meinen Körper und liessen mich beben.

Ich weiss nicht mehr, wie lange ich weinend da lag. Ich konnte an nichts mehr denken. Ich weinte einfach. Ich weinte um das vorher. Wie sehr wünschte ich mir gerade, dass ich es nie erfahren hätte, dass ich nie mit ihm zusammengekommen war. Klar, mir war bewusst, wie egoistisch das war, aber ich konnte nichts gegen diese Gedanken tun.

"Schlaf heute noch bei mir, Süsse, okay? Dann kann ich dir morgen alles erzählen. Ich schreibe nur kurz deinen Eltern, dass sie sich keine Sorgen machen." Erschöpft nickte ich. Am liebsten wäre ich jetzt einfach eingeschlafen und nie mehr aufgewacht. Ich wollte nicht, dass es morgen wurde. Ich wollte gar nicht wissen, wie schlimm seine Depression war. Was er schon alles durchmachen musste, denn ich wusste, wenn ich das alles hörte, bekam Simon von mir eine Glaskugel um sich herum, welche niemals einen Sprung bekommen durfte.

Wenn einem eine Person leidtut, tut man alles für, nicht wahr? Man tröstet sie, man nimmt jegliche Schuld auf sich... und so weiter eben. Ihr kennt das. Man will auf keinen Fall etwas Falsches machen oder sagen. Das Einzige, was man verhindern will, ist diese Person zu verletzen. Genauso ging es mir. Und ich wusste, dass man so keine gesunde Beziehung führen konnte. Ich drückte meine schmerzenden Augen fest zusammen und wartete darauf, dass ich einschlief.

Niemals DeinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt