• 𝒕𝒘𝒆𝒏𝒕𝒚-𝒏𝒊𝒏𝒆 •

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Taehyung

Das helle Brasilholz der Bögen glitt in schnellem Tempo über die Stahlsaiten der Cellos.

Taehyung liebte den tiefen, eleganten Klang der Streichinstrumente, die den Saal mit ihren dunklen Tönen füllten- es war fast, als würden sie der Konzerthalle des National Theaters eine alte Seele verleihen.

Er hielt seine Augen geschlossen und ließ sich ganz von den dunklen Klängen beherrschen; der Violinist atmete und dachte in den tiefen Tönen der Saiten, auf denen gespielt wurde.

Sein Leben lang hatte Taehyung nach der Bedeutung des Schmerzes gesucht- wie man ihn definieren und verstehen konnte. Oder wichtiger noch, wie man ihn erklären könne für jene, die eine ganz andere Intensität von Schmerz kennengelernt hatten.

Aber vielleicht war er nun bereit, dieses Kapitel in seinem Leben zu schließen, in welchem er durch die endlosen, stummen Weiten des Ozeans getrieben war- nur der dunkle Klang in seinen Ohren.

Vielleicht war dies ein neuer Abschnitt darüber, wie es war, das Land zu erforschen; die spitzen Felsen hinaufzuklettern und zu beschreiben, wie die Welt von hier oben aussah.

Wie es sich anfühlte, unter dem freien Himmel zu leben, und wie es war, die frische Luft zu atmen.

Er öffnete seine Augen, und das tiefe Braun darin begrüßte den Anblick von Jungkook am anderen Ende der Konzerthalle mit einem bedeutungsvollen Glänzen.

Es waren ein paar Wochen vergangen, seit Taehyung beschlossen hatte, dass er Jungkook tatsächlich und aufrichtig vertraute.

Seitdem er sich von ihm hatte berühren lassen und erkannte, dass seine Berührungen ihm keinen Schmerz brachten- im Gegenteil, denn wo Schmerz war, dort bestand eine Chance auf Besserung, auf Wiedergutmachung, auf Heilung.

Er verbrachte jeden Tag bei Jungkook, und sie nutzten die Hälfte ihrer Tage damit, an der Musik für die Spendengala zu schreiben, und die restliche Zeit verlor er sich in seinen Worten oder seinen Lippen.

"Erzähl mir etwas über dich, das ich noch nicht weiß.", hatte Taehyung zu ihm gesagt, als sie eines Abends gemeinsam auf seinem Bett saßen, das breite Keyboard auf Jungkook's Schoß.

"Hmm...", er hatte Lippen gespitzt und die Stirn in Falten gelegt, bevor ihm etwas einfiel:

"Ich höre immerzu Musik. Und damit meine ich nicht im Radio oder mit Kopfhörern... sondern in meinem Kopf, ganz gleich, was ich tue- es ist niemals völlig still."

Der Violinist hatte ihn nur angestarrt, die dunklen Augenbrauen fragend zusammengezogen.

"Jeder Moment hat seine ganz eigene Spannung, sein eigenes Gefühl. Das ist schließlich, was all die berühmten Szenen eines Filmes ausmacht- der richtige Soundtrack. Der Moment bleibt der gleiche, aber die Musik bringt dir die Gefühle direkt in dein Ohr, zu deinem Herzen.", erklärte der junge Musikproduzent.

"Wenn ich traurig bin, klingt die Welt um mich herum leise, wie schwache Saiten einer Gitarre oder das langsame Ziehen eines Geigenbogens. Und...", er schluckte schwer, bevor er seine großen, braunen Augen direkt in die von Taehyung bohrte:

"...wann immer ich dich küsse, ertönt das gesamte Orchester, laut und euphorisch. Wie das glückliche Ende einer Geschichte."

Taehyung's Augen hatten sich unmittelbar mit glänzenden Tränen gefüllt und er hatte sich ein Stück näher zu Jungkook gelehnt:

"Und wie klingt dieser Moment?"

Ein warmes Lächeln zog an Jungkook's Mundwinkeln und grub eine kleine Falte hinein. Seine großen Augen wanderten durch den Raum, als würde er die Noten ihrer gemeinsamen Musik aus der Luft ablesen.

The Violinist | taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt