• 𝒇𝒐𝒖𝒓 •

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Jungkook

Jungkook riss fassungslos seine großen Augen auf, als die schwarze Gestalt auf dem leeren Theaterplatz plötzlich eine Geige auspackte.

Es war bereits dunkel und hatte auch noch zu regnen begonnen- was dachte der Typ sich dabei?

Kopfschüttelnd wollte Jungkook gerade zur nächsten U-Bahn-Haltestelle laufen, als die ersten Klänge der Violine durch den leisen Regen ertönten.

Kurzerhand blieb er stehen und lauschte dem Klang des eleganten Streichinstruments. Die Töne wirkten so traurig, so bitter- und doch lebendig, wie etwas, das man nicht nur hören, sondern auch berühren wollte. Noch nie zuvor hatte er dieses dringende Gefühl gehabt, eine Melodie in seinen Armen zu wiegen wie einen Menschen.

Wie hypnotisiert trugen seine Beine ihn durch den Regen zu der Melodie hin, wo er in der Nähe der dunklen Gestalt stehen blieb und ihn eingehend betrachtete.

Dieses Gesicht- es sah nicht aus, als wäre es von dieser Welt. Dafür waren die Züge viel zu fein, die Wimpern zu dich, die Nase zu gerade und die vollen Lippen zu akribisch perfekt. Dazu noch das schwarze Haar, das ihm in dicken Strähnen in sein Gesicht fiel... Jungkook würde ihn überall wiedererkennen: Es war V, der bekannteste und noch dazu beste Violinist Südkoreas.

Der strömende Regen floss in dünnen Rinnen über seine Wangen, tropfte von seinen dunklen Haarspitzen und lief ihm in seinen leicht geöffneten Mund hinein.

Jungkook hätte stundenlang vor ihm stehen und ihn betrachten können: V schien in seiner ganz eigenen Welt zu sein, einer Welt ohne Regen und ohne Nacht. Er erweckte den Eindruck, das Sommergewitter gar nicht zu spüren, das über sie hereinbrach. Er würde sich furchtbar erkälten, wenn er nicht bald aufhörte.

Ohne zu überlgegen zog Jungkook sich die gelbe Jacke aus und hielt sie über ihre beiden Köpfe, um sie vor dem aufkommenden Starkregen zu schützen. Sein Herz schlug unwillkürlich schneller, als sich sein Gesicht plötzlich so viel näher an dem von V befand, und er schluckte schwer unter dem bedrohlichen Donnergrollen.

Langsam öffneten sich V's wunderschöne Augen, und er starrte Jungkook direkt in seine.

Er hatte solch ein dunkles Charisma in seinen Augen, dass Jungkook für einen Moment die Luft wegblieb. Es fühlte sich an, als stände er V komplett nackt gegenüber, so tief schien dieser ihm in seine Seele blicken zu können. Die Röte brannte ihm in den Wangen und er starrte mit aufgerissenen Augen zu Boden. Oh, schöne Schuhe, V.

"Was tust du da?", fragte V ihn mit seiner unglaublichen, tiefen Stimme.

Verwirrt blinzelte Jungkook ihn an und stotterte: "Nicht...nass...werden?"

Die Antwort erschien ihm zwar am logischten, aber zugleich auch am dümmsten. V hob fragend seine dunklen Augenbrauen, doch Jungkook zuckte ebenfalls mit den Schultern- er konnte sich ja auch nicht genau erklären, was er da tat. Zumindest war er es gewohnt, dass fremde Menschen ihn nervös machten und er daher oft unsinnige Sachen sagte. Dennoch schien V ihn bisher nervöser zu machen, als je ein Mensch zuvor.

Dieser packte seine Geige nun wieder in den Koffer und schien es plötzlich eilig zu haben, obwohl er bereits vollkommen druchnässt war. Das schwarze Hemd klebte ihm nass an seinem Oberkörper und die Hosenbeine seiner schwarzen Stoffhose tropften so unaufhörlich, er schien einen bedeutenden Beitrag zur Steigung des Meeresspiegels beizutragen.

"Wo willst du hin?", fragte Jungkook ihn überrascht- doch er bekam keine Antwort.

"So nimmt dich kein Taxi mit, und wo immer du hin willst, du hast dich erkältet, bis du dort bist.", erklärte Jungkook weiter, obwohl V ihm nicht die geringste Beachtung schenkte. Er lief einfach durch den dunklen Regen davon.

The Violinist | taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt