• 𝒕𝒉𝒊𝒓𝒕𝒚-𝒕𝒉𝒓𝒆𝒆 •

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Taehyung

Die ersten zehn Sekunden am Morgen hatten einen besonderen Platz in Taehyung's Herzen- diese Stille, wenn er erwachte- kurz bevor das Bewusstsein so unerträglich laut wurde und ihn einholte.

Ein goldener Strahl der Morgensonne reflektierte sich in dem tiefen Braun der glasigen Iris, als würde sie in ein bronzefarbenes Fenster fallen.

Feiner Schlafsand verkrustete seine dichten, schwarzen Wimpern und er blinzelte langsam, während er das unregelmäßige Flattern der leichten Wellen beobachtete.

Seine Brust hob sich mit einem weiteren, tiefen Atemzug- und das Meer wurde allmählich zu den blauen Vorhängen in Jungkook's Schlafzimmer.

Die Schmerzen in deinem Kopf sind etwas grausames.

Schmerzen in deinem Bein, deinem Bauch oder in deinem Arm lassen irgendwann nach, es ist nur eine Frage der Zeit.

Eines Tages, vielleicht schon am nächsten Morgen, wachst du auf und sie sind endlich weg- oder zumindest ein bisschen besser als den Tag zuvor.

Ganz anders ist es mit dem Schmerz in deinem Kopf:

Du nimmst ihn abends mit zu Bett- die Schultern hängen schwer von all den zahlreichen, dunklen Ängsten und deine Ohren dröhnen von den schreienden Stimmen.

Und selbst wenn du es schaffst, sie mühsam mit in deine Träume zu schleppen, um sie im Schlaf endlich loszulassen...

...am nächsten Morgen warten sie bereits auf dich, mit dem ersten Wimpernschlag deiner müden, schlafverkrusteten Augen.

Der Schmerz kehrte zu Taehyung zurück; kroch hinter den blauen Vorhängen hervor, aus der weißen Wand und unter dem Bett, um ihn wieder einzuholen.

Und die wenigen Sekunden der Ruhe verstrichen, ersetzten das friedliche Vogelgezwitscher vor den Fenstern durch das aufgebrachte Echo der Stimmen aus seinen Träumen.

Seine Finger krallten sich so tief in das Bettlacken, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

Ein ersticktes Keuchen entwich seiner Kehle, als sein müder Körper ihn an all die Schmerzen erinnerte; noch immer spürte er den kalten Ozean in sich, und das Salzwasser stieg ihm brennend in die Augen.

"Tae?", murmelte Jungkook verschlafen, doch die Sorge trübte seine morgendliche, raue Stimme.

Sein muskulöser, halbnackter Körper drehte sich in dem Bett um, sodass sein Gesicht nun dem von Taehyung zugewandt war.

"Was hast du?", er legte eine Hand an Taehyung's Wange und strich die kleinen Falten glatt, die der Schmerz in sein Gesicht geschrieben hatte.

Taehyung schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Wärme von Jungkook's weicher Handfläche.

Jede Nacht erzählte ihm sein Kopf eine Geschichte, wenn er schlief... und sie redete ihm ein, dass der Leuchtturm nichts weiter war als eine Halluzination; dass er noch immer durch den dunklen, kalten Ozean trieb. Dass sein kleines Holzboot an den spitzen Felsen zerschreddert war und er hilflos verloren.

Jungkook legte seine starken Arme um Taehyung's Oberkörper, um ihn zu halten und an seinem nackten Brustkorb zu wärmen, der seine Wahrheit war.

"Schon okay, ich bin bei dir.", flüsterte seine raue Stimme.

Schwer atmend ließ Taehyung seinen Blick durch die lichtdurchflutete Wohnung schweifen, bis er sicher war, dass sich nirgendwo ein Hai verbarg- weder hinter den Vorhängen, noch unter dem Bett.

The Violinist | taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt