Taehyung
Sein Onkel ließ ihn auf dem kalten Boden liegen und verließ den Raum, sobald er mit ihm fertig war.
Taehyung starrte mit einem leblosen Blick an die Decke, trieb still auf der Oberfläche seines tiefschwarzen Ozeans voller Scherben von dem, was er hätte sein können.
Er stellte sich vor, wie eine Welt aussehen würde, ohne Menschen wie seinen Onkel Alexej.
Wie bunt die Welt dort draußen doch wäre, würden Menschen einander nicht die Farben nehmen.
Was für wundervolle Melodien erklängen, wenn sie einander nicht die Stimme rauben würden.
Sein Onkel hatte Taehyung damals gedroht, was ihm widerfahren würde, sollte er mit irgendwem über die Liebe reden, die sein Onkel ihm gab und die ihm solche Schmerzen bereitete. Dabei war es doch alles, was Taehyung denken und fühlen konnte, dieser Schmerz, diese Angst, diese Verzweiflung.
Also hatte Taehyung ganz aufgehört, zu reden.
Nachdem er ein Jahr lang nur geschwiegen hatte, schlug der Kinderpsychologe seinen Stiefeltern ein Instrument vor, mit dem er seine Gefühle ausdrücken könnte.
Taehyung schloss die Augen und ließ die warmen Tränen über seine Wangen laufen, als er sich wieder an den ersten Klang seiner ersten Violine erinnerte, der fortan seine ganze Melodie bestimmte.
Er zeigte der ganzen Welt seinen Schmerz, entgegen der Warnung seines Onkels, und die Menschen akzeptierten ihn. Mit seiner Violine kommunizierte er sein Leid auf eine Art, die niemandem Schaden konnte.
Vorsichtig richtete Taehyung sich wieder auf, rückte seine dunkle Jeans zurecht und betrachtete sich im Spiegelbild, wo er neben seinem sechsjährigen und seinem sechzehnjährigen Ich stand, allesamt mit Tränenverklebten Gesichtern und geröteten, dunklen Augen.
Sieh nur, was die Welt aus uns gemacht hat. Wir ertrinken seit Jahren, und keiner zieht uns aus dem Wasser heraus. Sobald wir uns von selbst hochgezogen haben, schmeißt man uns erbarmungslos zurück.
Schnell senkte er den Blick und starrte auf seine Hände, die in schwarzer Farbe getunkt waren- demselben Schwarz, das sich in seinem ganzen Körper ausgebreitet und ihn wieder zu einem schwarzen Schwan gemacht hatte.
"Was-...!", stieß er hervor und drehte hastig am Wasserhahn, um sich die Farbe von den Händen zu waschen- musste jedoch feststellen, dass sie nicht wirklich da war.
Schluckend sah er wieder hoch in den Spiegel und ließ seine schwarzgetunkte Hand über seine linke Gesichtshälfte fahren, färbte seine Augen und Gedanken in derselben Farbe.
'Schwarz ist doch gar keine echte Farbe.', dachte er sich dann entschlossen, 'Sie existiert nicht wirklich, wir geben ihr nur eine dunkle Bedeutung. Wir bringen die Schatten zum Leben, geben ihnen Namen und Gesichter.'
Taehyung tauschte den schwarzen Federmantel von seinem Auftritt gegen seine dunkelbraune Stoffjacke, bevor er sich nochmals durch sein Haar fuhr, das ihm in leichten Locken in sein Gesicht fiel.
Als er sich bückte, um seinen Geigenkoffer vom Boden aufzuheben, durchfuhr ihn solch ein stechender Schmerz, dass er fast wieder zusammenbrach.
Unweigerlich musste er lächeln, als es gegen die leere Taubheit in seinem Inneren half. Es erinnerte ihn zumindest daran, dass er noch immer hier stand.
Er atmete noch einmal tief durch, bevor er den Raum verließ. Das Theater war mittlerweile recht leer, die meisten Gäste waren zwischenzeitlich gegangen, und Taehyung ignorierte die wenigen Menschen einfach, die auf ihn zukamen um ihm zu seinem Auftritt zu gratulieren.
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The Violinist | taekook
Fiksi Penggemar𝙡𝙖𝙪𝙛𝙚𝙣𝙙 Alle kennen ihn, doch keiner weiß wirklich etwas über südkoreas berühmtesten Violinisten, gennant "V". Vielleicht liegt das an seiner dunklen Aura, vielleicht aber auch daran, dass er infolge eines Kindheitstraumas kaum ein Wort spric...