• 𝒔𝒆𝒗𝒆𝒏 •

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Taehyung

"Mr. Jeon?"

Aus einem unerklärlichen Grund starrte Jungkook ihn an, als hätte er gerade einen Geist gesehen: Seine Augen weiteten sich und sein Mund öffnete sich wortlos, während er nun irgendeinen fernen Punkt an der Wand fixierte.

"Er hatte keinen guten Start in den Tag.", Sumi strich ihm mitleidig durch sein abstehendes, dunkelbraunes Haar- und wäre Taehyung nicht am anderen Ende des Raumes gewesen, hätte er ihre Hand instinktiv weggeschlagen.

Ihm selbst juckte es in den Fingern, wieder Ordnung in Jungkook's Haare zu bringen, die so weich und zerwühlt wirkten. Obwohl er noch nicht allzu lange auf den Beinen sein konnte, sah der frühe Morgen-Look an ihm unbeschreiblich gut aus. Der müde Blick verlieh seinen großen Augen eine attraktive Strenge und die Kiefermuskulatur trat deutlich unter seinen markanten Wangenknochen hervor.

Auch der zerknitterte Pullover wirkte verführerisch auf Taehuyng, er bekam Jungkook so zu sehen, als wäre er an diesem Morgen neben ihm aufgewacht.

"Tut mir Leid, ich bin heute unvorbereitet.", Jungkook schloss die Augen und blickte zu Boden.

Taehyung winkte nur mit der Hand: "Kein Problem, das ist dein erster Tag und ich glaube, ich bin dir noch etwas schuldig.", ein leises Lächeln schlich sich um seine Lippen.

Rose strich sich zögernd durch ihr langes, schwarzes Haar- doch dann schlug sie vor: "Ich dachte ohnehin es wäre eine gute Idee, wenn wir uns zunächste das Filmmaterial anschauen, das bei der Spendengala gezeigt wird. Damit wir wissen welche Musik wir drunter legen sollen."

Nachdenklich kratzte Taehyung sich mit einem Finger an seiner Unterlippe, während er zu ihr aufblickte.

Sie hatte recht, es war am einfachsten sich erst das Material anzusehen, zu dem man ein Musikstück schreiben wollte- nur wusste Taehyung nicht, ob er auch bereit war sich das Videomaterial anzuschauen. Ihn würden keine traumatisierenden Inhalte erwarten, Mr. Jung hatte ihm bereits erklärt dass man verschiedene pädagogische Fachkräfte interviewt hatte und einen recht zufriedenstellenden Alltag zeigte, aber er wusste auch, dass die Auslöser für seine Flashbacks recht irrational werden konnten.

"Das ist kein Problem.", meinte Taehyung schließlich und legte seine Noten erst einmal beiseite, doch ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Inneren aus, dem er bewusst nicht allzu viel Beachtung schenkten wollte.

Der Typ namens Min Yoongi hatte recht schnell sein Notebook hochgefahren, vor ihnen allein aufgestellt und die Videodatei geöffnet, die Mr. Jung ihnen allen zugeschickt hatte.

Der Film begann, und Taehyung biss sich auf die Unterlippe. Gezeigt wurden verschiedene Kinderheime; die Räumlichkeiten, ein paar der einzelnen Kinder, der Alltag.

Soweit so gut, dachte sich Taehyung und schluckte schwer, während er eine Hand in der anderen drückte, du wolltest ein Teil hiervon sein, du hast dich entschieden endlich aufzuarbeiten.

"Die Ursachen für ein Leben im Kinderheim sind verschieden.", ertönte der Satz einer Pädagogin im Bereich Jugend- und Heimerziehung, die gerade vom Kamerateam befragt wurde. Taehyung begann unwillkürlich, sich auf den Hintergrund zu konzentrieren; die weiße Wand in dem Zimmer, in dem sie saß- sie wirkte genau wie die Wand, die Taehyung in seinem Zimmer gehabt hatte, sobald er in sein neues Zuhause kam.

Das Video zeigte eine Familie, die gerade ein Kind aus dem Heim adoptiert hatten- die neuen Eltern hielten ihr Kind jeweils an einer Hand und führten es zur Tür hinaus in sein neues Zuhause, sein neues Leben.

Taehyung wusste genau, was dieses Kind fühlte.

Es schwebte auf Wolke sieben, die Angst vor dem Fall war gar nichts im Vergleich zu der geballten Hoffnung, dass der Traum endlich in Erfüllung ging, mit dem ein Waisenkind sich jede Nacht im kalten Bett des Kinderheims warm hielt, damit es einschlafen konnte.

The Violinist | taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt