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Jisung PoV

"Minho, Menschen sind scheiße.", beschwerte ich mich gleich, als ich zur Arbeit in den Pausenraum kam, und warf mich in seine Arme.

"Ich weiß, Sungie, aber warum sind sie es dieses Mal?", fragte er nur und umarmte mich ebenfalls.

"Warum ist es denen immer so wichtig, was andere in ihrer Vergangenheit getan haben? Warum kann nicht einfach das zählen, was jetzt ist?"

"Ich weiß es nicht, Kleiner... Vielleicht leben Menschen einfach lieber in der Vergangenheit, weil sie die Gegenwart nicht aushalten."

"Dann sollen sie die Gegenwart ändern oder sich damit abfinden."

"Wenn das nur immer so einfach wäre...", seufzte er und streichelte mir über den Hinterkopf, was meinen Bauch und meine Haut angenehm kribbeln ließ.

"Mhm... Wir müssen jetzt an die Arbeit..."

"Ja. Treffen wir uns hier dann wieder in zwei Stunden für Pause?"

Ich nickte und löste mich dann langsam wieder von ihm.

"Wenn was ist, kommst du früher zu mir, ja?"

"Mach ich. Aber ich zerbreche schon nicht, Minho. Keine Sorge."

Er strich mir noch einmal über die Wange, weshalb leicht rot wurde und mir ebenfalls kurz dorthin fasste, bevor wir beide an die Arbeit gingen.

Ich räumte Geschirr von A nach B und wieder zurück, half inzwischen auch mit beim Kochen und sorgte dafür, dass die Küche nicht zu unordentlich wurde. Es lief alles gut, bis Felix mich bat, für ihn die Tomaten zu schneiden.

Was genau es war, das mich so sehr triggerte, wusste ich gar nicht genau. Vielleicht war es das Messer an sich. Vielleicht war es auch die rote Flüssigkeit, die sich langsam auf dem Brett und der Klinge verteilte. Mit jedem Schnitt ein bisschen mehr.

Wieder tauchten diese Bilder in meinem Kopf auf. Davon wie ich jeden im Raum hier erstach. Sie verletzte. Ihnen ihre Kehlen aufschnitt. Und mir als letztes selbst das Messer in den Bauch rammte, um so keinen einzigen Überlebenden zu hinterlassen.

Doch dieses Mal war es schlimmer, denn der sonst so leise Befehl, dass ich es tatsächlich tun sollte, hallte nun auf voller Lautstärke immer wieder durch meinen Kopf.

"Jisung, alles gut bei dir?", fragte Felix besorgt, da ich nur mit weit aufgerissenen Augen auf das Schneidebrett starrte. "Jisung?"

"Bleib weg von mir!", rief ich und hielt ihm das Messer vor den Hals, senkte es jedoch sofort wieder. Ich wollte es nicht. Wollte ihn nicht verletzen, aber wusste nicht, wie lange ich den Drang, ihn tatsächlich zu erstechen noch ignorieren konnte, wenn mich die Stimme in meinem Kopf weiter dazu anheitzte. "Bitte, Felix... Geh... Ich will dir nicht weh tun..."

"Es wird alles gut, Jisung. Leg einfach das Messer weg.", versuchte er mich zu beruhigen. "Holt Mal jemand Minho?! Der kennt Jisung am besten."

"Nein! Nicht Minho! Ich will ihm nicht weh tun! Keinem von euch... Aber am wenigsten ihm... Bitte..."

Ich begann zu zittern und bekam vor Panik allmählich keine Luft mehr. Immer hektischer hob und senkte sich mein Brustkorb und ich hatte Angst, dass mein Herz gleich in hohem Bogen aus meiner Brust sprang.

"Jisung!", rief Minho sofort, als er mich dort stehen sah. Zitternd und mit dem Messer in der Hand. Er wollte erst zu mir stürmen, doch stoppte dann und ging langsam näher zu mir. Doch anstatt mir damit zu helfen, löste er nur die nächsten schrecklichen Bilder in mir aus.

Wieder einmal waren wir in seinem Bett, aber dieses Mal war ich der dominante Teil. Er lag nur unter mir. Blutverschmiert und kaum noch in der Lage, sich selbst so zu bewegen, wie er es eigentlich wollte. Immer mehr Blut lief aus den offenen Wunden, die über seinen ganzen Oberkörper verteilt waren und färbte langsam das weiße Bettlaken unter uns rot. Und ich? Ich stach immer wieder aufs neue zu mit dem kleinen Taschenmesser in meiner Hand.

"Geh... Minho... Geh...", brachte ich nur schwach hervor, während er mir langsam immer näher kam.

"Du wirst mir nichts tun, Jisung. Das weißt du auch. Ich vertraue dir."

"Solltest du aber nicht..."

"Du bist nicht grausam, mein Kleiner. Du bist nicht der schlechte Mensch, für den du dich gerade hältst. Du bist so liebenswert..."

Erste Tränen liefen meine Wangen und ich zitterte heftiger. Ich konnte das Messer in meinen Händen kaum noch halten.

"Es ist okay. Lass es ruhig fallen, Kleiner. Du hast die Kontrolle über deinen Körper."

Ich öffnete langsam meine Hände und ließ das Messer auf den Boden fallen. Das leise metallische Klimpern war so laut in meinen Ohren, dass ich heftig zusammen zuckte und noch stärker zitterte. Meine Beine gaben nach, doch bevor ich auf den harten Fliesen aufschlug, spürte ich noch zwei Arme, die mich auffingen. Dann wurde es um mich herum schwarz.

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His truest colours || MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt