His truest colours || Minsung

[02]

Jisung PoV

Felix war gerade damit fertig geworden, mir meine Einweisung zu geben, als auch jemand anderes dazu kam und ihn sofort mit einer Umarmung und einem kurzen Kuss begrüßte.

"Jinnie, darf ich dir unseren Neuzugang vorstellen? Das ist Han Jisung. Er hilft in der Küche mit und soll irgendwann auch mit kellnern, wenn er sich ein bisschen eingelebt hat."

"Also ein neuer Schützling?", fragte der langhaarige Junge, woraufhin Felix nickte. Die beiden ließen einander los und 'Jinnie' wandte sich mir zu.

"Ich bin Hwang Hyunjin. Felix's fester Freund und Kellner hier. Bist du... Uhm... Okay mit Berührungen?", fragte er und hielt mir die Hand hin, die ich daraufhin schüttelte.

"Oh. Ja, bin ich. Alles gut. Dein Freund ist mir vorhin auch schon um den Hals gefallen. Also es ist ungewohnt, aber ich störe mich nicht zu sehr dran.", versuchte ich es so zu erklären, dass es Felix nicht verletzte.

"Okay, gut zu wissen. Lix, hast du ihm schon alles gezeigt?"

"Jap, alles. Ich wollte ihn erstmal mit der Umgebung vertraut machen, bevor er die anderen kennenlernt. Aber die sind eh noch nicht da."

"Wer kommt heute eigentlich alles?"

"Seungmin, Jisung, ich und später noch Chaeyoung übernehmen die Küche und du, Minho und Jeongin kellnern."

"Klingt nach 'ner entspannten Runde. Sag mal, Jisung... Also wenn es dir zu privat ist, musst du es nicht sagen, aber stehst du auf Typen?", fragte Hyunjin, womit er mich ein wenig überrumpelte.

"Ich... Also... Du uhm... Du bist doch mit Felix...? Und ja, du bist zwar ganz hübsch, aber eigentlich nicht wirklich mein Typ... Also jetzt nicht böse gemeint! Das heißt ja nicht, dass-", ratterte ich schon fast runter und bereute bereits jedes einzelne Wort.

"Hey. Jisung.", unterbrach mich Hyunjin. "Ich frage nicht für mich. Wir haben einen Kumpel und ich denke, dem würdest du ziemlich gut gefallen."

"Oh, achso... Uhm... Ich... Ich bin schwul... Aber suche im Moment eigentlich keine Beziehung..."

"Einen Versuch war es wert.", meinte er und zuckte nur mit den Schultern, als wäre es das unwichtigste Thema der Welt, während mir mein Herz noch bis zum Hals schlug und ich meine Augen vor Nervosität nicht auf einen festen Punkt richten konnte.

"Merkst du eigentlich nicht, dass du ihn überforderst?", fragte Felix seinen Freund. "Wir hatten das doch schon geklärt. Keine zu privaten Fragen über Sexualität, Familie oder Freunde, solange er uns noch nicht richtig kennt."

"Sorry...", murmelte er und senkte leicht beschämt seinen Kopf.

"Entschuldige dich lieber bei ihm."

"Passt schon. Ehrlich.", stoppte ich die Diskussion, bevor sie noch zum Streit wurde. "Ich hätte es ja nicht sagen müssen..."

"Trotzdem hätte er nicht-..."

Felix unterbrach sich selbst, als die Tür aufging und ein anderer Junge rein kam. Ich hatte ihn kaum richtig, da schossen bereits Bilder in meinen Kopf.  Ich wollte es nicht sehen, aber trotzdem konnte ich an nichts denken, was mir Ablenkung verschaffen würde. 

Seine nackte Haut an meiner, seine Lippen an meinem Hals und ich leise stöhnend auf seinem Schoß.

Ich wollte das nicht sehen. Wollte es mir nicht vorstellen, doch es war schwierig einen anderen Gedanken zu fassen, wenn sich diese Szene immer wieder in meinem Kopf abspielte. Was hatte meine Therapeutin noch gleich gesagt? Ablenkung war am besten. Je mehr man mit solchen Gedanken diskutierte, desto stärker wurden sie.

'Hör auf dich selbst zu belügen und gib zu, dass dich der Gedanke anmacht.', übertönte ein weiterer ungewollter Gedanke die Szene in meinem Kopf. Es stimmte nicht. Ich wollte das nicht sehen und anmachen tat es mich schonmal gar nicht.  Es löste nur Ekel in mir aus. Ekel vor der Szene und der Vorstellung, mit einem fremden Typen zu schlafen, aber vor allem Ekel vor mir selbst. Wer sah denn bitteschön einen hübschen Kerl und reagierte da so drauf wie ich? Kein Mensch, den man nicht zurecht als Creep oder Perversling abstempeln würde. Aber bei mir war es doch etwas anderes , oder etwa nicht? Ich würde mir diese Bilder aus dem Kopf spülen, wenn ich es nur könnte und ich geilte mich garantiert nicht daran auf, also war ich doch kein schlechter Mensch, richtig? Ich war kein Creep. Kein Perversling. Es war immerhin nicht meine Schuld, sondern nur die meines beschissenen, kranken Gehirns.

"Jisung?", sprach mich Felix an. "Alles okay?"

"Hm? Ja, alles gut..."

"Also normalerweise bekomme ich eher Komplimente für mein Aussehen als angewiderte Blicke.", lachte der Junge der gerade rein gekommen war.

"D-das... Naja... Es war n-nicht wegen dir... Also nicht so wie du denkst! Ich-... Du... Sorry...", stammelte ich vor mich hin. Die Sätze schienen sich in meinem Kopf immer wieder neu zusammen zu setzen und zu verändern, weshalb ich kaum einen geraden Satz raus bekam. Sie mussten doch alle denken, ich wäre dumm.

"Schon in Ordnung. Sollte auch eigentlich nur als Spaß gemeint sein. Bist du der Neue?"

"Ich bin... heiße... Ha-... Ji-...", begann ich, stoppte dann jedoch kurz, um mich zu sortieren und zu konzentrieren, da mein Gehirn anscheinend gerade komplett zu Matsch geworden war. Das eben war mir wohl einfach zu viel gewesen und jetzt waren bei mir spontan die Synapsen durchgebrannt. Ich holte einmal kurz Luft, um mich zu sammeln und meine Gedanken zu sortieren, ehe ich es nochmal versuchte. "Han Jisung. Meine Name ist Han Jisung."

"Ich bin Lee Minho."

"Freut mich."

Ich hielt ihm die Hand hin, so wie Hyunjin es zuvor bei mir getan hatte, doch er nahm sie nicht. Stattdessen steckte er seine Hände in die Taschen seiner Jacke.

"Haptophobie.", erklärte er knapp, während ich nur aussah wie ein einziges Frage-Zeichen. "Angst vor Berührungen."

"Oh, sorry. Das wusste ich nicht."

Sofort zog ich meine Hand zurück.

"Schon okay. Es ist schon besser bei denen, die ich kenne, aber du bist neu, deshalb..."

"Ja. Ja, verstehe ich total."

"Whoa, was ist hier denn für eine Stimmung?", fragte ein weiterer Junge, der so eben durch die Tür trat. "Ist Minho's Katze gestorben? Wenn ja dann, sorry, Minho, aber zumindest hast du noch eine andere Katze."

"Erstens sind das alles Kater. Zweitens habe ich drei davon. Und drittens geht es denen sehr gut.", keifte Minho zurück.

"Sensibles Thema.", erklärte Felix knapp, woraufhin ich nur nickte.

"Warum bist du dann so komisch drauf, wenn es Soonie, Doongie und Nemo so gut geht?"

"Er heißt Dori und nicht Nemo!"

"Warum auch immer du deine männliche Katze nach einem weiblichen Fisch benennst. Aber naja, you do you." Minho sah inzwischen aus, als ob er jeden Moment auf den Jungen losgehen, doch dieser ignorierte ihn einfach und wandte sich dann mir zu. "Oh. Ein neues Gesicht."

"Das ist Jisung.", stellte Felix mich vor, was mich eindeutig erleichterte, da ich es nun nicht mehr selbst machen musste. "Er fängt erstmal in der Küche an und dann sehen wir wo die Reise hingeht. Bindet ihn ruhig mit ein, aber stresst und bedrängt ihn nicht zu sehr. Und jetzt ab an die Arbeit. Jisung, du kannst mit mir zusammen Tische abwischen und dann Geschirrspüler ausräumen. Der sollte dann durchgelaufen sein. Der Rest von euch kennt seine Aufgaben ja."

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