Kapitel 21

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Während Phillip mir hinter trottete - aus Sicherheitsgründen, damit Dustins Mutter „nicht einen Herzinfarkt bekommt, weil sie denkt sie würde einen Geist sehen" - sprach ich weiterhin mit Nele mit dem Hintergedanken eine Antwort aus ihr raus zu locken. Sie schien es lustig zu finden uns auf den Arm zu nehmen und schenkte mir nur hin und wieder ein Nicken oder Kopfschütteln und spielte ansonsten mit meinem Haar.

Auch wenn ich die Idee ganz interessant fand Dustins Mutter zu überraschen, um Dustin eins auszuwischen, begann ich langsam mir Sorgen zu machen. Ich kannte seine Eltern nicht, also was wäre, wenn plötzlich eine auf Hochglanz polierte Silbergabel in meine Schulter steckten würde? Ich verpasste mir gedanklich einen Klaps auf den Hinterkopf. So schlimm würde es nicht werden. Vielleicht sollte ich mir lieber die Frage stellen, wo Dustin sich schon wieder rumtrieb, sodass er keine Zeit für seine eigene Tochter hatte.

Ich richtete Neles Sitzplatz auf meiner Hüfte indem ich sie ein Stück hochhievte und drückte dann auf die Klingel der Villa. Phillip legte mir eine Hand auf den Rücken. Es war schon mal ein Vorteil, dass er hier war, dann konnte er im Notfall die Gabel abwehren.

Die Tür öffnete sich und eine schlanke dunkelhaarige Frau sah überrascht zwischen uns her. Sie sagte nichts sondern öffnete nur geistesabwesend die Tür während sie mich weiter anstarrte, als wäre ich tatsächlich ein Geist. Das fing ja schon mal gut an.

„Wir sind hier, um Nele abzuliefern", erklärte Phillip und sie nickte.

„Kommt doch rein", meinte sie obwohl wir schon längst im Flur standen und schloss die Tür. Oh, oh, hoffentlich war das nicht doch ein Herzinfarkt. „Ist das ...", murmelte sie und versuchte ihre Fassung wieder zu erlangen. In ihrem adretten dunkelblauen Kostüm sah sie aus wie eine Geschäftsfrau und ich war mir sicher, dass sie definitiv auch Rückgrat besaß. Wir hatten sie nur etwas aus der Bahn geworfen.

Ich lächelte entschuldigend. „Ich bin Sally, Mel's Schwester."

„Schwester?", hakte sie nach und dann schien ihr ein Licht aufzugehen.

„Ja, ist eine komplizierte Geschichte."

„Kompliziert und lang", meinte Phillip und sah auf eine nicht existierende Armbanduhr. „Du hast bis sechs Zeit, also lasst euch von mir nicht stören." Er schenkte mir ein Augenzwinkern. „Bis später!"

Bumm. Die Haustür schloss sich wieder. Und ich war alleine mit Dustins Mutter. Ernsthaft jetzt? Phillip, der Idiot. Konnte mir nicht mal bis zum Ende zur Seite stehen. Weichei. Womöglich flogen tatsächlich bald ein paar Gabeln.

„Ich bin Anne", stellte sich mein Gegenüber freundlich, wenn auch etwas unsicher, vor. „Komm doch mit in die Küche, dann mach ich uns einen Tee ... und Nele etwas Milch", fügte sie hinzu, als Nele anfing fordernd zu schmatzen. Ich folgte Anne in die Küche und sah das kleine Mädchen in meinen Armen vorwurfsvoll an. Sie grinste nur glücklich.

„Bei einer Tasse Tee lässt es sich einfacher reden, findest du nicht?", fing Anne an und schien nicht mal Luft zu holen bevor sie weitersprach. „Mit Melly habe ich das auch manchmal gemacht, auch wenn sie Kaffee bevorzugte ... willst du vielleicht auch lieber Kaffee?"

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Tee geht in Ordnung, danke."

„Tatsächlich? Ich habe immer gedacht, Zwillinge seinen in solchen Dingen gleich. Aber man lernt ja nie aus, nicht wahr? Ihr seht euch wirklich ähnlich. Also ... ich will ja nicht neugierig klingen, aber ... wusste Mel, dass es dich gibt? Sie hat nie etwas dergleichen erwähnt."

„Nein, sie wusste es nicht."

„Und Dustin? Weiß er überhaupt, dass du hier bist?"

„Mhm er weiß Bescheid ... also er weiß, dass ich hier bin, aber nicht, dass ich jetzt gerade hier im Haus bin", erklärte ich und verhaspelte mich beinahe beim Sprechen. Anne stellte zwei Teetassen vor uns ab und reichte mir die Flasche für Nele. Ich drückte sie ihr in die Hand und ignorierte ihren schmollenden Blick.

SheWolf || GERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt