Kapitel 2

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Auf dem Weg zur Jugendherberge sprachen wir nicht, aber ich spürte seine Blicke auf mir. Ich fühlte wie meine Wangen heiß wurden. Schon lange war ich nicht mehr so intensiv gemustert worden.

Ich überlegte mich abzuschotten indem ich meine Kopfhörer wieder in die Ohren steckte, aber das fand ich dann doch zu unhöflich, wenn man bedenkt, dass Mason mich heute vor einem griesgrämigen Bekloppten und einer hysterischen Durchgeknallten gerettet hatte. Also beschloss ich ihn ebenfalls zu beobachten. Er schmunzelte, als er es bemerkte, stalkte mich aber weiter. Ich sah, dass er ein ausgeprägtes Six-Pack und muskelbepackte Arme hatte und außerdem verdammt groß war. Seine Gesichtszüge wirkten männlich und ich fragte mich automatisch wie alt er wohl war. Vielleicht 25? Er sah verdammt erwachsen aus.

Im Forum der Jugendherberge begegneten wir glücklicherweise niemandem und das Café war auch nur spärlich besetzt. Mason steuerte, nach kurzem Umsehen, auf einen Zweierplatz in der hintersten Ecke. Eine Kellnerin kam sofort herbei geeilt und fragte, ob er etwas bestellen möchte. Mich ignorierte sie. Mason, ganz ein Gentleman, fragte: „Sally? Was hättest du gern? Ich geb' dir was aus."

Ich wurde knallrot, guckte kurz auf die Getränkekarte, die mir die Kellnerin hinhielt, und nannte das erstbeste. „Eine Cola."

„Gut, eine Cola und ich nehm' 'nen Whiskey." Die Kellnerin schenkte ihm ein breites Lächeln und eilte zum Tresen. Ich wünschte mir sie würde sich auf die Fresse legen, ließ mir meine Gedanken aber nicht anmerken, sondern zog die Augenbrauen hoch. „Alkohol schon am frühen Nachmittag?"

Er grinste und lehnte sich lässig zurück. „Ich vertrag's halt. Und wenn du dieselben Gene hast wie Mel, dann du auch."

„Ach? War meine Zwillingsschwester also jeden Abend dicht oder was?", fragte ich misstrauisch. Wenn ja, war es vielleicht besser, dass ich sie nicht kennengelernt hatte. Ich hatte nicht viel übrig für Alkohol.

Mason lachte leise. „Wie gesagt wenn du dieselben Gene hast wie sie, dann verträgst du es so gut, das du eine ganze Flasche davon trinken könntest, ohne auch nur ein bisschen Promille", meinte er und deutete auf das Kristallglas, das die Kellnerin – die leider nicht auf die Fresse geflogen war – vor ihm abgestellt hatte. Sie ging bedrückt wieder davon, als er ihr keine Beachtung schenkte, sondern mich fragte: „Du hast sonst noch Fragen?"

„Ja."

„Und die wären?"

„Sagen wir, dass ich rein hypothetisch eine Zwillingsschwester hatte. Warum wusstest du von mir und die anderen nicht? Sarah hat behauptet, dass Mel mit Dustin zusammen war und sogar ein Kind von ihm hatte? Wie passt du in die Gleichung?"

„Ich erzähle dir jetzt etwas, was weder Sarah noch Dustin wissen. Noch nicht einmal Mel wusste es", antwortete er mir mit rauer, gesenkter Stimme. „Du musst mir versprechen es geheim zu halten."

„Natürlich." Ich nickte und wartete ungeduldig auf die geheime Neuigkeit. Er hatte zwar keinen Grund mir zu vertrauen, aber den hatte ich auch nicht. Wer weiß, ob dass was er sagte überhaupt der Wahrheit entsprach. Ich traute dem Braten immer noch nicht.

„Mel und du ... ihr seid meine Schwestern."

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. „Schwestern? Und warum wusste nicht mal Melly was davon?"

Er seufzte. „Unsere Eltern hatten eine Krise als unsere Mutter schwanger war. Ich war damals fünf und sie hatte nur mir gesagt, dass sie Zwillinge bekommen würde. Unser Vater ... arbeitete viel. Er bekam nicht viel davon mit was Zuhause passierte, also wurde eine Adoption arrangiert. Eigentlich wollte sie euch beide weggeben, aber unser Vater stellte sich quer. Und so gab sie nur eins weg, damit es so aussah als hätte sie ihr Kind behalten. Mittlerweile weiß ich, warum er es nicht wollte. Sie versteh' ich allerdings bis heute nicht." Er blickte gedankenverloren auf sein Glas und sah dann wieder mich ans.

SheWolf || GERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt