Kapitel 7

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Könntest du mir das mal erklären?, blaffte ich Phillip an, als ich die beiden fast eingeholt hatte.

Was denn?, fragte er scheinheilig zurück.

Ich seufzte. Vielleicht, dass ich nicht nur eine Zwillingsschwester hab, die ein Wolf ist, sondern auch noch eine Nichte?

Sie wollten dich überraschen, hallte da eine kindliche Stimme in meinem Kopf wieder.

Du kannst sprechen?!

Sie lachte. Ich kann denken. Das ist etwas anderes.

Auch Phillip lachte, aber er schien mehr über mich zu lachen, als über die Situation, die eigentlich auch nicht zum Lachen war, aber kleine Kinder – Betonung auf Kinder – waren halt etwas sorgloser.

Ist gar nicht so abwegig, dass die Welt bald von kleinen Zwergen regiert wird. Die sind ganz schön hinterhältig!

Ich bin nicht hinterhältig!, erwiderte Nele beleidigt.

Nein, du doch nicht!, gab er grinsend zurück. Langsam ging mir auf, was Sarah gemeint hatte, als sie gesagt hatte, er könnte nicht mit Kindern umgehen. Mir schien es aber, dass Nele als Wolf ein bisschen ... erwachsener war.

Man muss es ihr nur vormachen, dann weiß sie wie es geht. Wenn sie allein ist kann sie es noch nicht. Zum Glück, erklärte Phillip an mich gewandt.

Wieso zum Glück, erwiderte Nele immer noch beleidigt. Die blöde Babysitterin letzte Woche hätte ich auffressen sollen, aber das Verwandeln hat nicht funktioniert!

Ich lachte. Och Schätzchen! Du darfst doch keine Babysitterinnen fressen. Naja, außer wenn sie total doof sind.

Die war total doof! Doofer als doof!

Phillip stöhnte. Mensch, Sal! Was bringst du ihr denn für einen Scheiß bei?

So etwas ist wichtig!, behauptete ich lachend. Und ihr bringt ihr das ja nicht bei.

Dafür bist du jetzt ja da.

Ich weiß nicht so recht ob ich tatsächlich bleibe. Ich meine ...

Nein!!, kreischte Nele. Du darfst nicht gehen Momma!

Sie ist nicht deine Momma, erwiderte Phillip traurig. Er vermisste Melly wohl nicht nur wegen ihres Platzes im Rudel.

Ich weiß! Aber trotzdem darfst du nicht gehen! Nele klang wie ein trotziges Kind ihrem Alter entsprechend.

Ich will eigentlich auch nicht gehen, ruderte ich zurück, aber ich muss morgen wieder nach Hause.

Aber sie kommt ja wieder. Phillip klang überzeugter als ich es war. Bei mir war es eher Wunschdenken.

Was macht dich da so sicher?, fragte ich ihn.

Schon mal versucht sich dem Befehl eines Alpha-Wolfs zu wiedersetzten?, fragte er zurück. Ich antwortete nicht. War schließlich eine rhetorische Frage gewesen und tief in meinem Inneren wusste ich, dass er recht hatte.

Der Wald begann sich zu lichten und die Abendsonne strahlte vor uns auf eine Lichtung, die gerade mal groß genug war für einen Wohnwagen und eine Rostlaube, die wohl irgendwann mal ein Auto gewesen sein sollte.

Phillip verwandelte sich und Nele tat es ihm nach. Während beide kein Problem mit dem Nacktsein zu haben schienen, zog ich es vor mich tiefer im Wald zu verwandeln. Schnell streifte ich mir das Top und die Shorts über und ging dann zu Phillip, der – nur mit einer Shorts bekleidet – Nele in die Klamotten half. Woher er die hatte wusste ich nicht, aber ich tippte auf den Wohnwagen.

Dustin kam mit federnden Dreadlocks aus dem Wohnwagen auf uns zu gejoggt. „Da seid ihr ja endlich!", sagte er und nahm Nele auf den Arm. Sie zog an seinen Haaren und er tat so als ob er Schmerzen leiden würde. Ich wollte am liebsten dafür sorgen das er echte Schmerzen leiden würde. Was fiel dem Sackgesicht eigentlich ein?

Erst motzte er mich an, dass ich normalerweise tot sein sollte und hatte noch nicht einmal den Anstand sich zu entschuldigen, dann beleidigte er mich am laufenden Band und jetzt wollte er mir Vorschriften machen, dass ich pünktlich zu kommen habe damit er seine Tochter sieht?

„Nun mach mal halblang", blaffte ich ihn an. „Ich bin nicht dein privater Babysitter, also halt die Klappe und sorg gefälligst dafür, dass sie was zu essen kriegt!"

Er grinste schelmisch. „Von Babysitter hab ich nichts gesagt, aber du führst dich auf als wärst du ihre Mutter. Nicht, dass du das jemals so gut hinkriegen könntest", erwiderte er. Von Dankbarkeit, dass ich seine Tochter nicht vergammeln lassen hatte, keine Spur. Nele kicherte.

Na super, jetzt fiel mir sogar eine zweijährige Wölfin mit Weltherrschaftsplänen in den Rücken.

„Wieder falsch! Das war das erste und letzte Mal das ich deinen Job als Windelwechsler übernommen habe."

Er kniff die Augen zusammen. „Vielleicht sollte ich mal lieber nachsehen, ob du's auch richtig gemacht hast."

Ich ging ebenfalls in die Offensive. „Wenn Mr.-ich-kann-alles-besser wirklich so toll ist, kann er bestimmt auch mit zwei gebrochenen Armen Windeln wechseln", knurrte ich und machte zwei Schritte auf ihn zu. Sofort baute sich Phillip zwischen uns auf.

„Hey, hey, hey, kommt wieder runter. Ich seid ja schlimmer als Kyle und Danny wenn sie sich über Stil streiten."

„Ja, Sally, komm mal wieder runter. Außerdem ist ein Kind anwesend", erwiderte Dustin und grinste provozierend.

Ich funkelte ihn an. Warum brachte er es immer wieder fertig, dass ich auf ihn losgehen wollte? „Ein Kind, das bald die Weltherrschaft übernimmt und dich dann hoffentlich zum Tode verurteilt", grummelte ich und drehte mich ohne letzten Blick um. Im Wald zog ich mich aus, band die Klamotten an das Lederband um mein Fußgelenk und verwandelte mich. Es hatte sich irgendwie schon eingefleischt. Ich zitterte, aber mein Blut brodelte und die Gelenke verformten sich wie bei einer Kettenreaktion. Ich rannte ohne Ziel weiter in den Wald hinein und machte meinem Ärger Luft.

Keine halbe Minute später spürte ich, dass auch Phillip sich verwandelt hatte, aber es dauerte mir zu lange bis er mich eingeholt hatte, also verlangsamte ich meine Schritte und lauschte.

Wenn du weiter so rennst als wärst du auf der Flucht, musst du gleich wahrscheinlich wirklich flüchten. Allerdings könnte das bei deinem Temperament auch ganz lustig werden.

Ich sandte ihm in Gedanken ein großes Fragezeichen.

Wir passieren gleich feindliches Gebiet. Einer von diesen sechs Wölfen, Paul, hat Melly getötet. Aus Verteidigung sagt er, aber Mel war einer der zahmsten Wölfe, die ich kenne und ich bin schon viel rum gekommen bevor ich hier gelandet bin.

Wo warst du denn schon alles?

Ach, hier und da. Er schien nicht drüber reden zu wollen, also lenkte ich das Thema wieder auf das feindliche Rudel. Ich war seit gestern irgendwie in diesem, konnte mir aber nicht vorstellen, warum ich deshalb die anderen als Feinde ansehen sollte.

Phillip schien meine Gedanken gehört zu haben.

Das hat schon vor Generationen angefangen. Der Ursprungskonflikt soll angeblich eine Frau gewesen sein, aber mittlerweile ist es eher ein Kampf um Gebietsgrenzen geworden. Allerdings würden wir uns niemals deren Rudelführer unterwerfen und genauso andersherum. Der Kampf ist aussichtslos, also hassen wir uns einfach nur. Tote gab's schon lange nicht mehr. Obwohl ... Er zögerte als ob er nicht wusste ob er es mir erzählen durfte ... Masons Vater, damals der Rudelführer, ist verschwunden und mit ihm seine Leute. Er wurde, genauso wie die anderen, niemals als Opfer dieses Streites angesehen, aber wir sind uns ziemlich sicher. Sie verleugnen es natürlich wesha- Er würde von einem tierischen Brüllen vor uns unterbrochen. Wir bremsten stolpernd ab und knurrten.

Zwei riesige Wölfe hatten sich vor uns aufgebaut und drei weitere liefen mit gefletschten Zähnen um uns herum.

SheWolf || GERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt