Kapitel 22

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Ich bemerkte erst, dass Dustin in der Tür stand, als Nele endlich eingeschlafen war und ich sie vorsichtig in ihr Bett gelegt hatte. Er beobachtete mich still und mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck.

„Was?", fauchte ich; immer noch geladen von unserem Streit eben.

Er schüttelte nur den Kopf und machte ein paar Schritte ins Zimmer, um sich auf sein Bett fallen zu lassen. Ich sah ihm zu wie er das Kinn auf seine Fäuste abstützte und mich weiterhin beobachtete. Was sollte das denn nun wieder? Wollte er, dass ich verschwand? Falls ja, tat ich ihm den Gefallen gerne. Falls er mich aber einfach nur ärgern wollte, würde ich das nicht so einfach auf mich sitzen lassen.

„Meine Fresse, was ist dein Problem?", zischte ich und ärgerte mich tatsächlich bereits über die simple Tatsache, dass er mich nur durch stumpfes Ansehen aufregen konnte.

„Dir gefällt es mich zu nerven oder?", fragte er, mit nichts als Emotionslosigkeit in der Stimme.

Ich schnaubte. „Die Frage kann ich nur zurückgeben."

Er verdrehte die Augen und stand auf. Der nun wütend funkelnde Ausdruck seiner Augen durchbohrte mich. „Warum verschwindest du nicht einfach wieder? Dann wäre alles beim Alten und du kannst dein glückliches kleines Musterleben weiterleben."

Ungläubig sah ich ihn an. „Glückliches kleines Musterleben?! Das ich nicht lache! Wo wir wieder beim Thema wären, dass wir praktisch Fremde sind."

Er verdrehte schnaubend die Augen und ließ sich nicht einmal ansatzweise aus dem Konzept bringen. „Okay, vielleicht hattest du kein Musterleben, aber ist das hier wirklich besser?! Ich versteh' dich einfach nicht!", fauchte er und ich wich, überrascht über seinen plötzlich heftigen Ausbruch, einen Schritt zurück. Er war aber noch längst nicht fertig. „Die Wölfin, du .... das ist abnormal! Du bist praktisch ein Monster und nimmst das einfach so mit 'nem Schulterzucken hin? Ohne Beschwerden, während du aber nonstop über Nele klagst?"

Ich sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Gerade ging es noch um etwas anderes, oder meinte ich das nur? „Was willst du von mir Dustin? Ich meine, was willst du wirklich von mir? Mich anschreien hilft dir sicherlich nicht weiter."

Er schnaubte erneut und wandte sich dann einfach ab. Im ernst jetzt? Mitten im Gespräch - oder auch Streit, wie man es eben nimmt - haute er ab? Was waren denn das für Sitten? Wenn ich nicht eh schon sauer gewesen wäre, hätte er mich dadurch endgültig auf die Palme gebracht. Nicht mal vernünftig streiten konnte man sich mit dem Typen.

Kurz vor der Zimmertür drehte er sich noch einmal um und fing meinen wütenden Blick auf. „Du bist so gar nicht wie sie", sagte er, biss die Zähne zusammen und verließ der Raum.

Für einige Sekunden wusste ich nicht wie ich reagieren sollte. Ich gab es nur ungern zu, aber seine Worte hatten mich aus der Bahn geworfen, auch wenn ich nicht wusste was sie bedeuten sollten. Ich blieb alleine mit der tief und fest schlafenden Nele zurück und versuchte zu entziffern, ob das in seiner Stimme Abscheu oder Bewunderung gewesen war. Unten knallte die Tür. Der würde sich wohl nicht die Mühe machen auf Nele aufzupassen.

Nach einer Weile Stille im Zimmer beschloss ich meinem Auftrag der Patrouille nachzukommen. Falls Nele aufwachte, war Anne hier. Ich sagte ihr schnell Bescheid und joggte dann zurück zur Hütte, um meine Klamotten zu verstecken und mich zu verwandeln.

Phillip begrüßte mich mit einem kurzen Bellen. Sorry, dass es so lange gedauert hat, entschuldigte ich mich bei ihm.

Kein Problem, erwiderte er unbekümmert. Hier war ja alles ruhig. Was war denn bei dir? Haben du und Anne euch verquatscht?

Ich schnaubte. Nicht ganz. Dustin hat sich mal wieder wie das größte Arschloch auf Erden aufgespielt. Ich vermied an dessen verworrene Anschuldigungen zu denken. Ich verstand sie eh nicht und wollte auch nicht drüber nachdenken.

Phillip ließ ein wölfisches Seufzen hören. Ich weiß gar nicht was sein Problem ist...

Da sind wir ja schon zwei. Der Typ war ein Mysterium an sich und das wahrscheinlich absichtlich. Bestimmt machte es ihm so richtig Spaß mir die Laune zu verderben.

Versuchst du wenigstens nett zu sein? Phillip klang vorsichtig. Ihm war wohl bewusst, dass ich geladen war, aber das war ja nicht verwunderlich. Immerhin hatte er den Mumm mit einer Zeitbombe über dessen Zünder zu sprechen.

Sollte ich denn?, fragte ich sarkastisch. Weil er ja immer so freundlich zu mir ist und mich auch nie wie eine unbezahlte Angestellte behandelt?

Er seufzte erneut. Ich kann dich verstehen, aber hast du mal drüber nachgedacht wie er sich fühlen muss im Moment?

Ich äußerte ein humorloses Lachen. Ja hab ich. Für einen Moment hatte ich sogar Mitleid, aber dann hat er mich wenig später daran erinnert, dass er Mitleid gar nicht verdient.

Trotz der Entfernung, die derzeit zwischen Phillip und mir herrschte, bemerkte ich, dass er sich unwohl fühlte. Klar er war ja auch mit Dustin befreundet. Bist du nicht ein bisschen zu hart?, hackte er nach.

Nun war es an mir zu seufzen. Ich wünschte ich wäre es, ehrlich, aber er muss irgendwann drüber hinwegkommen und weitermachen, findest du nicht? Ihn zu verhätscheln bringt nichts, denn so wie ich ihn kennengelernt hab, lernt er rein gar nichts wenn man es mit Geduld versucht.

Stimmt auch wieder. Phillip klang resigniert. Vielleicht haben wir ihn tatsächlich mit Samthandschuhen angefasst, obwohl er 'nen Eimer kaltes Wasser ins Gesicht gebraucht hätte.

Noch ist es nicht zu spät. Ich lächelte innerlich, ernsthaft froh über diese Erkenntnis. So sehr mich Dustin auch auf die Palme brachte, ich wünschte niemanden den Verlust einer geliebten Person durch Mord.

SheWolf || GERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt