Day 3.3

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Ich konnte nicht fassen, was er gerade gesagt hatte. Panik vor Menschen passte gar nicht zu Ezra. Eigentlich war er lebensfroh und immer zu Scherzen aufgesetzt. Er steckte andere immer mit seiner guten Laune an, er hatte mich damit immer angesteckt.

So wie er sich jetzt zeigte, kannte ich ihn nicht. Seufzend legte ich mein Buch beiseite und schaute zu ihm. Bevor ich etwas sagen konnte, stand Ezra auf.

Ich richtete mich alarmiert auf und verfolgte jede Bewegung von ihm.

„Du gehst jetzt aber nicht weg...?"

„Ich wollt kuscheln..."

Noch immer hatte er eine eingeschüchterte Körperhaltung und es dauerte, bis er vor dem Sitzsack stand.

„Cole?"

„Halt die Klappe und komm her!" Ich griff nach seinem Pulli und zog ihn bestimmend zu mir herunter. Er landete auf meinem Schoß, seine Hände stützten sich auf meiner Brust ab. Es tat unheimlich gut, ihn wieder nah bei mir zu spüren. Ich schlang einen Arm um ihn und zog ihn näher. Seine Arme gaben nach, bis er ganz auf mir lag.

„Ez... damals die ganze Sache mit Jake...", begann ich. Ich wollte die Hürden, die zwischen uns standen beseitigen. Ich hatte keine Lust mit ihm zu streiten oder es wieder zu verbocken.

„Vergiss es. Ich hätt einfach mit dir reden und geduldiger sein sollen"

„Es tut mir Leid, dass ich es uns so schwer gemacht und abgehauen bin." Meine Hand strich durch seine blonden Haare.

„Hast dus wenigstens bereut?", fragte er und seine Mundwinkel zuckten verräterisch.

„Jeden Tag, aber ich war zu stolz, zurückzukehren... wäre es andersrum gewesen, wäre ich vermutlich auch an dein Handy gegangen..."

„Wir sind wohl echte Dickschädel...", murmelte Ezra vor sich hin. Ich strich weiter durch seine Haare, fühlte mich aber ein wenig fremd dabei. Im ersten Lockdown war es immer Ezra, der mich aufbauen musste und jetzt war es zum ersten Mal andersrum.

„Ez... ich will dir helfen, aber ich weiß nicht wie...", hauchte ich, legte meine Hände an seine Taille und schob ihn sanft von mir, um ihn ansehen zu können. Er wirkte so zerbrochen und hilflos. Seine Worte, seine Handlungen, alles. Es war, als säße ein völlig fremder Mensch vor mir.

„Genau so hab ich mich auch gefühlt..." Ezras Stimme klang so leise, wie ein Windhauch, der sanft über meine Haut strich. „Du machst alles richtig."

„Ich will aber nicht die ganze Zeit liegen und nichts tun."

Er riss sich von mir los und ich blinzelte irritiert. Was war denn jetzt los? Als ich meine Augen wieder öffnete, stand er vor mir und starrte vernichtend zu mir herunter. Seine Augenbrauen hatten sich ärgerlich zusammen gezogen und seine sonst smaragdgrünen Augen, wirkten auf einmal wie ein düsteres Tannengrün. Seine Lippen waren zu einer Linie gepresst und alles in einem wirkte er wütend.

„Wie oft, musste ich wegen dir zurückstecken?! Bei dir drehte sich alles immer nur um Jack. Im ersten Lockdown war er der Wichtigste. Egal bei was, immer war es Jack. Ich war jedes beschissene Mal an deiner Seite und jetzt schaffst du es nicht einmal für mich da zu sein? Komm bloß nicht wieder angekrochen!"

„Aber..."

„Fresse. Cole das ist mein ernst. Ich kann nicht glauben, dass ich alles für dich gemacht und nie gemerkt hab, wie egoistisch du in Wirklichkeit bist. Unglaublich, dass ich mit dir zusammen war!"

„Ez...", hauchte ich heiser. Ich bis mir auf die Unterlippe und starrte ihn an. Mehr als seinen Namen bekam ich nicht über meine Lippen. Ich hatte ihn noch nie so wütend und sauer erlebt. Dabei hatte ich es überhaupt so gemeint.

„Morgen bin ich weg. Dann kannst du zusehen, wie du klarkommst, ist mir dann auch egal."

„Aber die Ausgangssperre..."

„Mir doch egal. Hauptsache ich bin hier weg!"

Ich schluckte, brachte kein Wort über meine Lippen. Heute Morgen war noch alles in Ordnung. Wir hatten uns geküsst und jetzt wollte er mich alleine lassen?

Ich konnte es nicht glauben. Ich hatte nur eine falsche Sache gesagt. Eine und er ging direkt hoch und wollte verschwinden?

Mit zitternden Händen nahm ich mir mein Buch vom Boden und tat so als würde ich lesen. Ich wollte nicht noch mehr Gemeinheiten hören. Obwohl mir zum Heulen zumute war, schaffte ich es, die Tränen zu unterdrücken, bis Ezra schnaubend den Raum verlassen hatte. Erst als ich ihn nicht mehr sah, ließ ich das Buch sinken und rutschte tiefer in den Sitzsack.

Meine Hände krampften sich um das Buch und ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. Letztlich hatte ich gerade alles zerstört, was wir uns aufgebaut hatten.

„Fuck...", flüsterte ich vor mich hin. Was sollte ich denn jetzt tun? Ich war es, der damals mitten in der Nacht vor seiner Tür stand. Aus welchem Grund auch immer. Und Ezra war einfach nur da. Ich hatte alles zerstört. Mal wieder. Alle wandten sich nach und nach von mir ab und ich wusste nicht, was mit mir falsch war, dass alle so drauf waren. Warum?

Ich unterdrückte ein Schluchzen und griff in demselben Moment an meine Wangen. Erschrocken musste ich feststellen, dass sie feucht waren.

Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Wie konnte ich Ezra überreden zu bleiben? Wie konnte ich ihn beruhigen?

So wie er sprach, war es eine tiefsitzende Wut in ihm. Und ich hatte mal wieder alles zerstört. Alles... aber das konnte ich ja am besten. Ich stieß immer alle vor dem Kopf. 

Everything hopeless [Everything 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt