Ohne ihm eine Antwort darauf zu geben, verließ ich die Wohnung und trat mit Baloo auf die Straße. Er musste raus und ich wusste ohnehin nicht, was ich darauf antworten sollte.
Sicherlich wollte ich gemeinsam mit Baloo und ihm rausgehen. Aber seine Gesundheit stand bei mir im Fokus und ich bezweifelte, dass es sicher war. Immerhin hörte man immer mehr, dass die Leute sich weniger an die Coronamaßnahmen hielten.
Andererseits war auf dem Feld nie jemand. Aber konnte ich es Ezra verweigern?
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ich öffnete meine Wohnungstür und leinte Baloo ab. Dieser lief direkt in das Wohnzimmer. Nachdem ich aus meinen Schuhen geschlüpft war, folgte ich ihm.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich Ezra gegenüber treten sollte. Vorhin hatte ich seine Frage ignoriert und war einfach gegangen.
„Na, großer. Wie war das Gassi gehen?" Ich stand im Türrahmen zum Wohnzimmer und beobachtete Ezra dabei, wie er Baloo hinter den Ohren kraulte. Demonstrativ legte er seinen Kopf in Ezras Hand und wedelte mit seinem Schwanz.
„Seine Lieblingsstelle. Da fährt er voll drauf ab."
„Ich merks schon." Ezra schaute zu mir auf und lächelte.
„Ich hatte in der Küche etwas vorbereitet, willst du das schnell holen?"
Statt einer Antwort stand ich auf und ging zur Küche. Als ich die Kleinigkeit sah, schluckte ich. Ezra hatte eine Snackschale, einen großen Obstteller und Getränke vorbereitet. Eigentlich viel zu viel für einen gemütlichen Abend zu zweit. Aber ich wusste diese kleine Geste zu schätzen.
„Man ey... du machst es mir echt schwer", flüsterte ich vor mich hin und räumte alles auf ein Tablett.
Ich brachte es zurück ins Wohnzimmer, stellte es auf meinen Couchtisch und setzte mich auf die Couch.
„Nicht mal ein Danke?", hörte ich seine Stimme nuscheln. Sie klang weit entfernt, obwohl er direkt neben mir saß.
„Ich bin sprachlos, Ez..."
„Bist du ziemlich häufig." Er rutschte näher und beugte sich über mich, um an die Fernbedienung zu kommen. „Eine Lockdown Serie? Ich würde eine mit vielen Staffeln vorschlagen, muss sich ja auch lohnen. American Horror Story?"
„Horror?" Ich hob skeptisch eine Augenbraue. Eigentlich liebte ich Horror. The Walking Dead war immerhin meine Lieblingsserie. Aber momentan hatte ich gar keine Lust auf dieses Genre.
„Mehr Komödie als Horror. Komm schon... Sei kein Spielverderber, C."
„Meinetwegen...", stimmte ich grummelnd zu. Ich hatte eher auf eine spannende Serie gehofft. The Walking Dead, iZombie, Criminal Minds, ...
Bevor ich etwas ergänzen konnte, hatte er seine Arme um mich geschlungen und sich an mich gekuschelt.
„Ich hoffe es stört dich nicht und falls doch... sag einfach nichts." Er war so verlockend nah an meinem Ohr. Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und spürte beinahe automatisch, wie meine Mundwinkel nach oben wanderten.
Es tat so gut, ihn endlich wieder Lächeln zu sehen, ehrlich lächeln zu sehen. Das bedeutete immerhin, dass er nicht mehr wütend auf mich war. Oder er überspielte es nur.
Während die Serie lief, musste ich immer wieder zu Ezra schauen. Er saß direkt neben mir und war hier, aber es war nichts wie früher. Seitdem ersten Lockdown hatte sich so viel verändert und Ezra und ich schienen uns fremd zu sein. Dabei fehlte er mir und ich wollte unsere gemeinsame Zeit zurück. Außerdem nervte es mich, dass er so distanziert war und nur das Nötigste zuließ. Bisher fühlte sich keine einzige Umarmung oder Berührung wie früher an.
Ich war enttäuscht, dass alles anders war und wütend, dass so wenig von ihm kam. Er schien es krampfhaft zu vermeiden.
Seufzend pausierte ich die Folge, dann schaute ich ihn an. „Können wir uns wie zwei normale Menschen verhalten?"
Sein Mund klappte auf, dann schloss er ihn wieder und rutschte genervt von mir. „Das sagt ja der Richtige. Du hast dich wie ein trotziges Kind verhalten. Egal was ich gemacht hab, du hast alles von dir gestoßen und als ich mir Rat eingeholt hab, war auch das Falsch-"
„Dafür hatte ich mich doch jetzt schon öfter entschuldigt. Ich weiß, dass es nicht ausreicht und versuche es wiedergutzumachen. Aber du lässt mir kaum eine Chance", erwiderte ich laut. Baloo hob seinen Kopf verwirrt an.
„Darum gehts nicht. Aber du bist Schuld daran, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Du hättest einfach mit mir reden können."
Auf meiner Zunge lag bereits die nächste Beleidigung, die ich hinunterschluckte. Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet.
„Jetzt ist es eh zu spät... is eh alles kaputt..."
Für einen Moment sah ich das sehnsüchtige Funkeln in Ezras smaragdgrünen Augen. „Seh ich nicht so, Cole..." Seine Stimme war das komplette Gegenteil zu der Enttäuschung, die vorher mitschwang. Viel ruhiger.
Ich musterte ihn. Er sah aus wie früher, nur mit ein wenig mehr Bart. Mir war bewusst, dass er gerade etwas gesagt hatte, was von seinem Herzen kam und nicht vom Kopf. Vermutlich lag daher auch die leichte Angst in seinen Augen.
„Gucken wir die Folge weiter?"
Nach und nach entglitten ihm die Gesichtszüge und er schaute mich einfach nur enttäuscht an. „Das meint ich: Du machst alles kaputt. Gucks doch ohne mich."
„Nein... mit dir. Ich will mit dir reden, aber ich will mir gedanklich erst alles zurechtlegen."
„Bei solchen Gesprächen sollte man sich nichts zurechtlegen, sonst wirkt es gestellt..."
Gestellt? Ich seufzte und schaltete schließlich den Fernseher aus. Sein Blick sagte mir, das ich kurz davor ihn zu verlieren, und das wollte ich auf keinen Fall.
„Tut mir Leid, das der erste Lockdown so geendet ist und ich so ein Arschloch war... Es ist nur... mit Wut kann ich umgehen, mit Angst und Trauer eher weniger..." Ich senkte meinen Blick und begann mit der Decke zu spielen.
Zwei feste Hände umgriffen meine und hielten sie vom weiteren Spielen ab. „Wenn ich das weiß, kann ich damit umgehen, aber ich muss das wissen. Du hast mir das Gefühl gegeben, dass ich alles falsch gemacht hab..."
„Bis auf das Handy hast du eigentlich alles richtig gemacht.... du warst immer da, egal wie scheiße ich zu dir war." Ich schluckte und spürte einen Moment später, wie Ezra mich an seinen Oberkörper zog und seine Arme fest um mich schlang. „Und ich war unfassbar scheiße zu dir..."
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Everything hopeless [Everything 2]
RomanceNach einem schweren Schicksalsschlag kehrt Cole Monate später zu Ezra zurück. Die beiden verbindet so viel gemeinsam. Während sie gerade wieder zueinander finden und Cole jemanden an sich heranlässt droht der zweite Lockdown um Weihnachten rum. Sie...