Das Frühstück war viel zu schnell vorbei. Wir hatten nicht wirklich geredet oder uns Blicke zugeworfen. Er hatte keine lustigen Sprüche losgelassen. Es war ein sehr schweigsames Frühstück und ich hatte mich ziemlich unwohl gefühlt, da Ezra in dem Moment zu undurchschaubar und mir beinahe fremd war.
Trotz allem wollte ich ihn nach diesem Kuss nicht aus den Augen lassen. Ich wollte ihn bei mir wissen und dort weitermachen, wo wir vorhin aufgehört hatten. Vermutlich wäre genau das passiert, wenn Baloo sich nicht während des Frühstücks auf meinen Schoß gestellt hätte. Manchmal hasste ich diesen Hund, weil er eine Begabung dafür hatte schöne Momente zu zerstören.
Ich leinte Baloo an und schielte zu Ezra rauf. Er wirkte angespannt und hatte seine Hände in seinen Hosentaschen vergraben. Von seinem Selbstvertrauen war nichts mehr zu erkennen.
„Hey... Ez...", hauchte ich und legte sanft meine Hand auf seinen Arm. „Wir sind einfach nur zwei Kumpel, die mit einem Hund spazieren gehen. Oder Brüder. Daran ist nichts homosex-"
„Halt doch einfach die Schnauze!" Ich zuckte zusammen. Mit einer Erwiderung, vor allem so einer, hätte ich nicht gerechnet. Schon gar nicht mit so einer lauten und wütenden.
Ich schluckte meine nächste Aussage herunter und öffnete schweigend die Haustür. Baloo zog sofort die Treppe herunter und ich beeilte mich, ihm hinterherzukommen, ohne zu stolpern und zu fallen.
Draußen umfing mich eine winterliche Kälte und ich wickelte mich noch mehr in meine Winterjacke ein. Baloo zog direkt ins Gebüsch und versenkte seine Nase in die Grasbüschel.
Ezra war zwar bei mir, ich spürte seine Anwesenheit, aber er sagte nichts und hielt genügend Abstand. Am Liebsten würde ich die Zeit zurückdrehen. Angst haben raus zu gehen, nur weil man Angst haben muss, wegen seiner Sexualität verprügelt zu werden, musste der reinste Horror sein. Er tat mir leid und ich wollte ihm unbedingt helfen. Aber ich wusste nicht, wie ich ihm helfen konnte. Vermutlich würde das keiner können.
Ich warf ihm einen Blick über meine Schulter zu, nur um mich zu versichern, dass er noch da war. Er ging einige Schritte hinter mir und starrte auf den Asphalt. Offenbar hatte er total abgeschaltet. Er wirkte wie ausgewechselt.
„Ez...? Willst du Baloo nehmen?" Dann hatte ich zwar nichts zu tun, aber ich hatte die dunkle Vorahnung, dass es ihm ein wenig helfen könnte, wenn er etwas zu tun hatte.
Ich wartete einige Sekunden oder Minuten, aber als dann nichts von ihm kam, berührte ich ihn am Arm.
„Fass mich nicht an!"
Ich stolperte zurück, als hätte er mich geschubst und starrte ihn erschrocken an. Ich hätte nie damit gerechnet, dass er mich so laut und wütend auf offener Straße anfahren würde.
Abwehrend hob ich meine Hände. „Ich tu dir doch nichts...", murmelte ich überfordert. Seine Brust hob und senkte sich schnell und aus eigener Erfahrung wusste ich, was das hieß.
Langsam ließ ich meine Hände sinken und trat vorsichtig einige Schritte näher. „Ruhig atmen...", raunte ich und schob langsam Baloos Leine in seine Hand. So hatte er eine Beschäftigung und er hatte die Möglichkeit, seine Konzentration auf den Husky zu lenken und wieder runterzukommen. „Keiner tut dir hier was. Ich bin auf deiner Seite und wir sind alleine...", flüsterte ich. Am Liebsten würde ich ihn an mich ziehen, aber ich wusste, dass das nichts helfen würde.
Ezras grüne Augen lagen wachsam auf mir. Etliche Sekunden verstrichen, dann führte er Baloo den Weg zwischen den beiden Häusern entlang.
Außer leises Vogelgezwitscher war nichts zu hören.
„Es geht nicht darum, ob jemand schwul ist!"
„Doch! Du hast gesagt es sei unnormal!"
„Hör auf mir die Worte im Mund umzudrehen."
Ich schaute zu Ezra. Es war bloß eine Diskussion, die von einem der Balkone zu uns drang. Mir machten solche Sachen inzwischen wenig aus, aber Ezra versteifte sich, dann drehte er sich um. „Gib mir den Schlüssel!"
„W-Was?" Ich starrte ihn perplex an, kam seiner Forderung aber letztlich nach. „Ez... willst du jetzt echt zurück?"
Es kam keine Antwort von ihm, nur ein ziemlich überfordertes Nicken. Er drückte mir Baloos Leine in die Hand und nahm mir die Schlüssel ab. Als seine Schritte sich in die entgegengesetzte Richtung entfernten, stand ich hier und schaute ihm nach. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte, oder wie ich ihn beruhigen konnte. Selbst Baloo starrte ihm verdutzt nach, statt einfach weiterzugehen, was er normalerweise tat.
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Everything hopeless [Everything 2]
RomanceNach einem schweren Schicksalsschlag kehrt Cole Monate später zu Ezra zurück. Die beiden verbindet so viel gemeinsam. Während sie gerade wieder zueinander finden und Cole jemanden an sich heranlässt droht der zweite Lockdown um Weihnachten rum. Sie...