K A P I T E L 14

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Sie betraten alle nacheinander den schmalen, düsteren Flur des alten Hauses. "Willkommen im Grimmauldplatz 12!" sagte Ron erfreut und stolz, als sie eintraten.
Ophelia sah sich staunend um. Das Haus war zwar etwas heruntergekommen, mit abblätternden Tapeten und knarrenden Dielen, aber es hatte eine eigenartige, gemütliche Atmosphäre.
Man konnte die Geschichte, die in diesen Wänden steckte, förmlich spüren.
"Ah, Kinder!" Aus einer der vielen Türen kam eine rothaarige Frau, die sofort auf Ginny und Ron zueilte und sie herzlich umarmte.
Dann wandte sie sich an Harry und Hermine, die ebenfalls freundlich begrüßt wurden.
Hinter der Frau tauchte ein großer Mann mit gelocktem Haar auf.
Ophelia erkannte ihn sofort, und als ihre Augen auf ihm verweilten, stiegen ihr Tränen in die Augen.
Es war Sirius Black, ihr Onkel.

Sirius lächelte, ohne die emotionale Reaktion in ihren Augen zu bemerken.
"Sirius," stellte er sich vor und streckte ihr freundlich die Hand hin. "Und du bist?"
Ophelia trat einen Schritt zurück, überwaltigt von Gefühlen. Er erkannte seine eigene Nichte nicht.
Mrs. Weasley bemerkte die Spannung und trat vor. "Ophelia, schön dich endlich kennenzulernen! Kommt rein und begrüßt die anderen."
Sie öffnete die Arme und umarmte Ophelia herzlich, was die Situation etwas entspannte.

Ohne einen weiteren Blick zu ihrem Onkel zu werfen, folgte Ophelia der Gruppe in einen großen Raum, ein Esszimmer, das an eine gemütliche, wenn auch etwas chaotische Küche angrenzte.
Am Tisch saßen zwei weitere Rotschöpfe, die sich als Fred und George vorstellten und die Neuankömmlinge mit breiten Grinsen begrüßten.
Kaum hatte sich Ophelia gesetzt, drangen weitere Stimmen aus dem Flur.
"Remus! Tonks! Schön, dass ihr da seid!" rief Mr. Weasley und umarmte die Neuankömmlinge herzlich.
Als Remus das Zimmer betrat, traute Ophelia ihren Augen kaum. "Remus?!"
"Lia!?" rief er erfreut zurück, und die beiden fielen sich sofort in die Arme.
Der Duft seines Aftershaves - eine Mischung aus alten Büchern, frischem Gras und Rosen - brachte eine Flut von Erinnerungen zurück.
"Was verschlägt dich hierher, Ophelia?" fragte er neugierig und setzte sich auf einen Stuhl an der großen Tafel.
"Hogwarts... Ein Freund hatte mir von Hogwarts erzählt, als ich bei ihm Unterschlupf fand. Als ich dann weg musste, bin ich nach Hogwarts geflohen," erklärte die junge Frau, und Remus hörte gespannt zu.
"Ja, mehr gibt es da eigentlich nicht zu sagen. Werde halt meinen Abschluss dort machen, denke ich."

"Verzeihung, dass ich unterbreche, aber woher kennt ihr euch?" fragte Mr. Weasley neugierig.
"Ophelia ist bei mir einige Zeit abgetaucht, bevor sie dann zu dem 'Freund" gegangen ist," erklärte Remus und drehte sich zu dem blonden Mädchen. "Und dafür bin ich Remus sehr dankbar. Ich wusste nicht, wohin ich sonst gehen sollte.."
Plötzlich erhob sich der große Mann mit den Locken, der am Ende des Tisches Platz genommen hatte. "Lia, du-"
Ophelia sprang sofort auf und funkelte Sirius böse an. "Für dich Ophelia!"
Alle im Raum erstarrten, denn die Spannung zwischen den beiden war greifbar.

Sirius ergriff wieder das Wort. "Ophelia, es tut mir leid..."
"Lass es einfach! Er ist tot! So viele Jahre schon, und du hast nicht einmal daran gedacht, mich großzuziehen! Dachtest du ernsthaft, ich hätte dich nie gesehen, als du im Heim warst? Mir wurde immer nur gesagt, 'ein Mann erkundigt sich nach dir, aber er wolle dich nicht besuchen... All die Jahre wusstest du, wo ich bin, doch nie warst du für mich da..." Die junge Frau kochte innerlich vor Wut.
"Du hast mich im Stich gelassen! Du hast die Tochter deines Bruders im Stich
Die Luft im Raum war zum Zerreißen gespannt.
Niemand hatte gewusst, dass Ophelia aus DER Familie Black stammte. Sie hatte immer behauptet, es sei ein weitverbreiteter Name und sie hätte nichts mit der berühmtesten Black-Familie zu tun.

Ophelia sah sich im Raum um. Über jedem Kopf schienen Fragezeichen zu kreisen. "Ja, jetzt ist es raus! Ich habe euch alle angelogen, nur damit ihr mich nicht verurteilt!"
"Wir würden dich nie verurteilen, Sirius ist doch selbst ein Teil dieser Familie..." beruhigte sie Harry sanft.
"Das konnte ich ja nicht wissen! Für mich war er immer nur der Mörder, der Bluts-verräter, der Mann, der seine Familie im Stich ließ... Die einzige Familie, die er noch hatte.
Doch jetzt hat er ja dich, Harry, nichts für ungut, aber-" Sie stockte, die Worte schienen ihr zu viel zu werden. "Ich hätte dich einfach gebraucht, als mir alles genommen wurde..."
Sirius begann zu sprechen. "Als Regulus-" doch Ophelia unterbrach ihn scharf.
"Es geht NICHT um den Tod meines Vaters! Es geht um die Leute, die mich fast umgebracht haben, die Leute, die für meine Albträume und schlaflosen Nächte verantwortlich sind, die Leute, die mich missbraucht haben..." Der letzte Teil des Satzes war kaum mehr als ein Flüstern, ihre Stimme zitterte vor Schmerz und
"Was meinst du mit missbraucht, Lia?" fragte Hermine vorsichtig, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

Das blonde Mädchen zitterte am ganzen Korper, die Erinnerungen an diese Nacht hatten sich tief in ihr Gedächtnis eingebrannt, und die Narben auf ihrem Rücken waren tägliche Mahnmale dieses Grauens.
Sie schluchzte kurz, ehe sie weitersprach. "Ich hatte im Krankenflügel diesen Anfall, bei dem ich fast Professor Snape getötet habe...
Der Auslöser dafür waren die Erinnerungen an eine bestimmte Nacht, die schlimmste Nacht meines Lebens..."
"Oh Lia, mein Kleines..." Remus legte behutsam eine Hand auf ihre Schulter, doch sie schüttelte sie ab, unfähig, den Schmerz in sich zu behalten.
"Ich möchte, dass ihr es erfahrt... Ich kann und möchte es nicht länger vor euch verheimlichen." Sie holte tief Luft, als ob sie sich für das kommende Grauen wappnete.
"In dieser Nacht verfolgten mich drei Todesser, beide Lestranges und... Greyback.
Nachdem sie mir unzählige Flüche auf den Hals gehetzt hatten, schleppte mich Greyback in ein Haus..." Sie setzte sich, legte ihren Kopf in die Hände und fing noch heftiger an zu weinen.
Doch sie wollte weitererzählen.
"Er nahm mir in dieser Nacht alles, meine Würde, mein Selbstvertrauen... Er vergewaltigte mich mehrere Stunden lang, kratzte mir den Rücken auf. Nachdem er fertig war, ließ er mich einfach liegen und ging. Stundenlang lag ich da, blutüberströmt und weinend. Als ich das Haus dann verließ, standen die drei immer noch dort. Dann jagten sie mich einen Tag lang, bis ich in Hogwarts ankam..."

Ophelia legte ihren Kopf in den Nacken, und ein Teil ihres Zorns und Schmerzes schien sie zu verlassen, als sie aufhörte zu weinen und zu zittern. Keiner im Raum sagte etwas, keiner konnte die Tiefe ihres Leides fassen.
"Schon gut, ihr müsst nichts dazu sagen... Es ist schwer, so etwas zu verarbeiten," sagte sie trocken und verließ den Raum, ging hinaus in die kalte Nachtluft.
Ihr war klar, dass dieser erste Eindruck bei den Weasleys falsch war, doch sie hatte sich einfach alles von der Seele reden müssen. Sie würde sich noch entschuldigen...
Draußen setzte sie sich auf eine der fünf Treppenstufen vor der Tur. Die Kalte kroch ihr bald in die Knochen, denn sie trug nur eine Jeans und ein dünnes Shirt.
Nach einiger Zeit beschloss sie, wieder hineinzugehen. Als die Tür hinter ihr zufiel, blieb sie erstmal im Flur stehen, unsicher, ob sie die Küche betreten sollte.
Mrs. Weasley kam gerade aus der Küchentür und sah Ophelia aufmunternd an.
"Ach, Kindchen, es ist alles gut. Ich entschuldige mich dafür, dass ich mich nicht gleich um dich gekümmert habe," sagte sie und nahm Ophelia mütterlich in den Arm.
Ophelia ließ sich in die Umarmung sinken, und für einen Moment schien all der Schmerz und das Leid der Vergangenheit ein wenig zu verblassen.

What's life without a little risk? // Severus Snape Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt