K A P I T E L 2

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Die junge Frau öffnete langsam ihre Augen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich an das Licht gewöhnt hatte, doch schließlich gelang es ihr. Vor ihr saß ein Mann ganz in Schwarz, vertieft in ein dickes braunes Buch, so sehr, dass er nicht bemerkte, dass sie wach war.

Ophelia wollte sich aufrichten, doch der schwere Kopf, der mit verschränkten Armen auf ihren Beinen lag, erschwerte es ihr. Sie räusperte sich leise, um ihn nicht zu erschrecken.

„'tschuldigung, könnte ich Wasser haben?" fragte sie zögerlich.

Der Junge an ihren Füßen schreckte hoch und sah sie an. „Ophelia..."

„Hab ich etwas im Gesicht, oder warum schaust du mich so an?"

Der Mann am Ende ihres Bettes regte sich plötzlich. „Verzeiht, doch der junge Potter scheint etwas überfordert zu sein," sagte er mit rauer Stimme und erhob sich geschmeidig wie eine Raubkatze. „Hier, Ihr Wasser." Er reichte ihr ein Glas, das sie dankbar entgegennahm und an dem sie vorsichtig nippte.

Sie bedankte sich bei ihm, bevor ihr Blick zu dem Jungen wanderte. „Du bist Harry Potter, nicht wahr?"

Er sah sie mit seinen markanten grünen Augen an und nickte wild.

„Es ist seltsam, dich in echt zu sehen, Harry..." stellte die Blonde fest.

„Also – wie? Du hast mich auch gesehen?" fragte Harry verdutzt.

„Natürlich, daher kenne ich auch Dumbledore und natürlich aus dem Orden." Sie musste schmunzeln, als sie das verwunderte Gesicht von Harry sah.

„Du – also –" weiter kam Harry nicht, denn ihm wurden die Worte von jemand anderem abgeschnitten.

„LIA!" hallte es durch den riesigen Raum, und ein blonder, gut gebauter Junge stürmte auf sie zu.

„Draco! Sie hatten mich fast... und da dachte ich an dich, wie du mir von –" fing die junge Hexe an zu erzählen.

„Beruhig dich mal wieder, jetzt bist du hier, okay? Sie werden dich nie bekommen." Der Blonde nahm Ophelia zärtlich in den Arm.

Sie legte ihren Kopf auf seiner Schulter ab und blickte durch den Raum. „Es war schrecklich... es waren drei auf einmal, die ihre Flüche auf mich feuerten, Draco... dabei will er mich doch lebend haben," flüsterte sie, laut genug, dass alle drei Personen um sie herum es hören konnten.

„Wen? Wen meinst du?" fragte Harry.

„Halt die Klappe, Potter! Geh wieder in dein Loch, aus dem du gekommen bist."

„Draco!" ermahnten ihn der Schwarzhaarige und Ophelia gleichzeitig, was die junge Frau schmunzeln ließ.

„Ihr beiden Streithähne solltet in eure Klassen gehen und dem Unterricht folgen. Ihr könnt nachher noch einmal wiederkommen," sagte der Professor schnippisch.

Harry verdrehte nur die Augen, und Draco schnaubte laut auf. Dicht gefolgt voneinander verließen sie den großen Krankenflügel, und die riesige Tür fiel mit einem lauten Wumms hinter ihnen zu.

Nach minutenlanger Stille ergriff Ophelia das Wort. „Sind Sie hier also auch Professor?"

„Es sieht wohl so aus," raunte er genervt.

„Sie können auch gerne gehen, Ihre schlechte Laune verschlimmert meine Schmerzen nur," entgegnete die junge Hexe ihm zynisch.

Er sah sie tadelnd an und schnalzte mit der Zunge. „Wenn Sie Schmerzen haben, sollten Sie Madame Pomfrey Bescheid geben und zeigen Sie etwas mehr Respekt!"

Sie zuckte mit den Schultern und wandte den Blick von dem Mann ab.

„Trinken Sie das hier."

Ophelia schreckte zusammen, drehte ihren Kopf und sah in die tief schwarzen Augen des Mannes. Ihre Augen trafen sich, er reichte ihr einen Trank, den sie schnell hinunterschüttete.

„Dürfte ich vielleicht Ihren Namen erfahren?" fragte sie und zog die Beine in einen Schneidersitz.

„Den haben Sie bestimmt schon mitbekommen," raunte er mit einem Augenverdrehen.

„Und Ihr Vorname? Ich bin keine Schülerin, alsoooo?" Das 'also' zog sie absichtlich in die Länge, um ihn zu nerven.

„Das geht Sie nichts an," sagte er mit angespannter Mine.

„Ist ja auch egal, ich kenne ihn sowieso schon. Se-ve-rus." Sie betonte seinen Namen mit jeder einzelnen Silbe.

Severus brummte und fuhr sich angestrengt über den Nasenrücken. Ophelia beobachtete ihn genau bei jeder Bewegung, irgendetwas faszinierte sie an ihm.

„Ophelia Susan Black," sprach die junge Dame schließlich ihren Namen aus.

„Mhh?" raunte der Professor.

„Mein Name... Ophelia Susan Black," wiederholte sie.

Der Mann prustete los, es schien fast, als verschluckte er sich an seiner eigenen Spucke.

„Ist was, Sir?" fragte Ophelia sarkastisch.

„Black also?" Der Professor zog die Augenbrauen zusammen. Er wirkte leicht verwirrt, aber auch etwas verschreckt.

„Ja... stört es Sie, oder was?" fragte sie, worauf sie einen bösen Blick seinerseits kassierte.

„Sie sind – ach, vergessen Sie es! Warum gebe ich mich eigentlich mit Ihnen ab? Ich habe Wichtigeres zu tun, so wie alle! Sie sind nicht mal Schülerin hier!" sagte der Schwarzhaarige vorwurfsvoll und kalt. Diese Worte ließen die junge Frau verwirrt aufschauen, dann folgte ein kleiner Stich ins Herz. Sie wusste nicht warum, aber es tat ihr weh, wie er mit ihr redete.

„Gut, ich denke auch, ich bin hier falsch. Sie scheinen sich ja alle für was Besseres zu halten... nicht mal der Schulleiter kam nach mir gucken..." von Wort zu Wort wurde sie leiser. Hogwarts... was soll bitte eine Verstoßene wie sie in Hogwarts? Sie wurde nur daheim unterrichtet, hatte nie eine Bezugsperson, nie Freunde...

Entschlossen schwang sie die Beine aus dem Bett und richtete sich auf. Snape machte nicht einmal den Anschein, sie aufzuhalten. Vorsichtig, aber schnell stand sie auf und ging ein paar Schritte, doch als sie an der Tür war, gaben ihre Beine nach, und sie sackte zusammen. Schon vorbereitet auf den Aufprall, kniff sie ihre Augen zusammen, doch plötzlich packten zwei starke Hände sie an der Hüfte und Schulter und hielten sie aufrecht.

„Zuerst nachdenken, dann handeln, Miss Black," raunte eine tiefe Stimme in ihr Ohr.

Sie richtete sich auf und sah in die Augen ihres Professors. „Danke," quiekte sie und stützte sich kurz auf den Mann.

„Könnten wir vielleicht..." setzte sie an und nickte auf das Krankenbett.

Ohne ein Wort zu sagen, führte der Mann das Mädchen zurück zum Bett und legte sie dort behutsam ab.

„Nächstes Mal werden Sie Bekanntschaft mit dem Boden machen," sagte er mit ernster Miene und kehrte dem Mädchen den Rücken zu.

Ophelia beobachtete ihn, ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander. Warum hatte er ihr geholfen? Was verbarg sich hinter dieser kühlen Fassade? Sie wusste, dass sie in ihm mehr sehen konnte als das, was er der Welt zeigte. Irgendetwas verband sie, etwas, das sie beide noch nicht ganz verstanden. Aber eines war sicher: Ihre Wege hatten sich nicht zufällig gekreuzt, und die kommenden Tage würden zeigen, was das Schicksal für sie bereithielt.

What's life without a little risk? // Severus Snape Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt