01 | ava

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Denn einen Traum oder eine Idee zu haben, ist wunderbar. Doch damit ist es leider noch nicht getan. Man muss den ersten Schritt tun. Konkret werden. Aber wie heißt es so schön: „Aller Anfang ist schwer". Es gehört Mut dazu, man muss riskieren, um zu gewinnen. Etwas verändern kannst du nur, wenn du aktiv wirst. - Suvi Pribilla



Ich starre auf die geschlossene Hallentür und frage mich, was ich hier eigentlich mache. Seit fast einer halben Stunde ist die Schule vorbei und ich stehe seitdem hier und habe mir die Maserung der Holztür bestimmt schon fünf Mal angeschaut. Aber alles ist besser, als durch diese Tür zu gehen. Ein enormes Verlangen steigt in mir hoch, einfach auf den Fersen umzukehren und hinauszustürmen. Es kribbelt förmlich. Wie kleine Ameisen, die sich ihren Weg entlang meiner Extremitäten suchen.

»Du musst endlich über deinen Schatten springen!«, ertönt die tadelnde Stimme meiner besten Freundin Sophie in meinem Kopf. Missmutig schürze ich die Lippen. Vielleicht möchte ich nicht über meinen Schatten springen. Vielleicht möchte ich nicht in das Gesicht von Noah Carter blicken, der in mir eine Art von Chaos auslöst.

Ich kann ihn nicht wirklich leiden, weswegen ich immer vermieden habe, ihm über den Weg zu laufen. Zwar funktioniert das nicht perfekt, da wir im gleichen Jahrgang sind und zwei Kurse miteinander haben. Aber es gelingt so gut, wie es geht. So gut, dass wir nur einmal ein Wort miteinander getauscht haben, seitdem wir zusammen auf der Schule sind. Nein, streicht das – ich habe nur ein Wort gesagt.

Der Gedanke daran, ihn jetzt bei dem Volleyballtraining zu beobachten bringt mich um den Verstand. Keiner kennt meine heimliche Abneigung gegen Noah, ich habe es auch nie an die große Glocke gehängt. Warum auch...? Ich habe meine eigene Vergangenheit mit ihm. Nur er scheint es vergessen zu haben.

Kurz hatte ich überlegt, ihm unter die Nase zu reiben, was ich nun von ihm halte. Dass er mir vor Jahren mein kleines Kinderherz gebrochen hat. Aber es würde ihn bestimmt kein Stück interessieren. Das ist es, was mich auch zusätzlich wütend macht. Wieso zeigt Noah keine Emotionen? Ich weiß, dass es früher anders war. Dass er früher anders war.

Grummelnd fahre ich mir mit der flachen Hand übers Gesicht. Zum Glück sieht mich keiner, wie ich hier seit längerer Zeit vor der Hallentür stehe und mit mir selbst debattiere. Und, wenn ich doch jemand anderes aus meinem Team der Schülerzeitung bitte hierher zu kommen? Ich könnte einen Notfall in der Familie haben ... nein, Sophie würde mir das nicht abkaufen. Sie würde höchstpersönlich hier auftauchen und mich an den Ohren in die Sporthalle zerren.

Seit sieben Jahren bin ich in der Schülerzeitung aktiv, schreibe mit fünf anderen SchülerInnen aus der Gruppe kleine Artikel. Auch unsere Volleyballmannschaft bekommt immer zwei Seiten und es wird jedes Jahr ein großer Beitrag gedruckt, der in die Sommer-Abschlusszeitung kommt.

Dieses Mal bin ich an der Reihe, da jeder andere schon in den letzten Jahren einen Artikel über die Mannschaft verfasst hat. Zuerst hat sich Lea, die schüchterne Asiatin aus meinem Kunstkurs gemeldet, jedoch ist Sophie dazwischen gegrätscht und hat gemeint, dass ich den Beitrag schreiben solle.

Sie hat nicht ganz unrecht, denn es ist auch ein guter Schritt für meine Laufbahn als anstrebende Journalistin. Später muss ich mich auch mit nervtötenden Leuten abgegeben; warum nicht jetzt schon damit üben? Genau Ava, rede es dir schön!

Ich höre, wie das Quietschen der Turnschuhe auf dem Linoleumboden in der Turnhalle verstummt. Kurz beuge ich mich ein Stück vor, halte mein Ohr an die Tür und horche. Es dringt Murmeln und Gelächter zu mir durch. Gut, das Training müsste jetzt zu Ende sein. Schnell krame ich ein kleines Notizbuch und einen Stift aus meinem Rucksack hervor, bleibe dann noch kurz unschlüssig stehen.

Chasing DreamsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt