21 | noah

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Ich sehe, wie sich Connors Schultern anspannen. »Bitte verurteilt mich nicht ...«, murmelt er leise, in seinen Augen schimmern die Tränen und drohen überzulaufen. Ein einzelnes Blinzeln würde reichen. Sofort nicke ich hektisch, ich könnte ihn niemals verurteilen, egal, was er getan hat oder weswegen er in den letzten Tagen so mies drauf war. Er ist mein bester Freund, er hat mich unterstützt, als ich durch meine persönliche Hölle gegangen bin und ich würde einen Scheiß tun, als ihm nicht beizustehen.

»Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst, oder? « Ich höre ein bestätigendes zitterndes Seufzen von Connor.

»Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll ... also ... als das Turnier angefangen hat, gab es ja eine große Eröffnung. Und da bin ich durch Zufall mit jemandem aus einer anderen Mannschaft ins Gespräch gekommen. Keine Ahnung, wir haben uns über alles unterhalten und waren ... auf derselben Wellenlänge ...« Connor räuspert sich und atmet tief ein.

Warum habe ich plötzlich das Gefühl, dass dieser Typ der gleiche Typ ist, den Ava vor ein paar Minuten erwähnt hat? Hart presse ich meine Lippen aufeinander, schiele zu meiner Freundin rüber, auf deren Gesichtsausdruck sich eine gewisse Weichheit gelegt hat.

»Er war so nett und er hat permanent Annäherungsversuche gestartet, da dachte ich, mir ‚hey, der mag mich'. Und dann ... also wir – es kam irgendwie eins zum andern und wir sind zusammen im Bett gelandet. Es war ... schön ... wirklich schön. Aber dann kam er plötzlich an und meinte, er hätte alles auf Video. Ich habe nicht verstanden warum, weil ... wieso nimmt er so etwas auf? Er hat gesagt, dass unsere Mannschaft verlieren muss, damit ihre Mannschaft ins Finale kommt. Sein Vater hätte jemanden hergeschickt, der ihn bewerten soll, um auf eine der besten Sportuniversitäten in den USA zu kommen. Aber der Sponsor wäre nur zum Finale gekommen ...« Connor zieht die Stirn kraus und man könnte meinen, er würde selbst nicht verstehen, was er da erzählt.


Nein, das hört sich alles an, als wären wir in einem Film. So etwas passiert doch nie in Wirklichkeit. Aber dennoch macht jetzt alles Sinn. Der Sonnenschein Connor Hale, der plötzlich düster und unantastbar wird. Der mit einer gewissen Absicht im Halbfinale die Bälle ins Aus geschmettert hat. Seine permanenten Ausreden, warum er jetzt nicht darüber sprechen kann und die Verzweiflung in seinen Augen, die unerbittlich stumm nach Hilfe geschrien haben. Doch niemand hat ihn gehört und ich Vollidiot hatte nichts Besseres zu tun, ihn noch für alles verantwortlich zu machen.

Eine Frage brennt mir auf der Zunge und ich habe fast Angst, diese zu stellen. »Was wäre passiert, hätten wir das Halbfinale gewonnen?«


»Dann hätte er das Video überall online gestellt«, krächzt Connor und wischt sich schnell eine Träne von der Wange, die sich aus dem Augenwinkel gelöst hat. »Gott, ich bin so ein Idiot. Wie konnte ich auf ihn reinfallen? Ich dachte, dass er mich wirklich mag. Aber am Ende hat er mich nur benutzt, um das Turnier zu gewinnen und um seinen Vater stolz zu machen.«

Seine Schultern fangen an zu beben, während er sich auf der Rückbank zusammenrollt. Ich beobachte ihn mit großen Augen und bemerke, wie meine Sicht verschwimmt. Ich fühle mich so machtlos und würde Connor gerne helfen. Aber ich weiß nicht wie, wenn ich könnte, würde ich die verfickte Zeit zurückdrehen. An diesen Tag, als das Arschloch meinen Freund ansprach.

In meinem Kopf wollen sich noch immer nicht die Fakten zusammensetzen, so absurd ist das Ganze. Für mich war das Turnier auch wichtig, ich habe so lange mit meiner Mannschaft daraufhin gearbeitet. Dennoch würde es mir nie in den Sinn kommen, jemanden mit einem Sex-Video zu erpressen. Gerade wenn ich selbst mit drauf zu sehen sein würde.

Vorsichtig schlinge ich einen Arm um Connor, ziehe ihn an mich heran und wiege ihn wie ein Baby hin und her. Spende Trost, zeige ihm, dass er hier nicht allein ist.
»Warum warst du heute hier?«, flüstere ich leise in Connors Ohr.

»I-i-ich wollte das V-Video haben. Ich konnte ihm nicht mehr vertrauen und erst wollte er es mir nicht geben. Darum bin ich auf ihn los, aber seine Kumpels hatten sich versteckt und plötzlich haben sie alle auf mich eingeschlagen.« Er fährt sich mit dem Handrücken über die Nase und versucht, den Rotz wegzuwischen – vergeblich.

Dann greift er mit zittrigen Händen in die linke Jackentasche und zieht einen kleinen grauen Stick hervor. »Aber irgendwann haben sie mir das hier vor die Füße geworfen. Keine Ahnung, ob da überhaupt etwas drauf ist.«

Chasing DreamsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt