Ein lang gezogenes gequältes Stöhnen rutscht zwischen meinen Lippen hervor, während ich etwas zu dramatisch die Stirn auf die Holzplatte des Schreibtisches knallen lasse. Es ertönt ein leises Klong und ein gemurmeltes »Autsch«. Vor mir steht mein aufgeklappter Laptop, mit unzähligen geöffneten Webseiten und zeigt die verschiedensten Studiengänge an.Die Frage von Ava, ob ich eine Ahnung hätte, was ich nach meinem Abschluss machen möchte, hat mich nicht mehr losgelassen. Und jetzt sitze ich hier an einem Sonntagnachmittag und lese mir Tausende von Studiengängen durch. Von Architektur bis hin zu Forstwissenschaften ist alles dabei. Doch, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, reizt mich auf den ersten Blick erst einmal gar nichts.
Und das ist, was mich verzweifeln lässt.
Gehe ich mit einer falschen Vorgehensweise ran? Muss ich mich fragen, was ich am besten kann oder was mir Spaß machen würde? Ich ziehe meine Unterlippe zwischen die Zähne und runzele die Stirn, während ich mich wieder gerade hinsetze. Doch es ist schwieriger, als ich zuerst angenommen habe. Mit der Maus scrolle ich eine neue Webseite hoch und runter, unterdrücke dabei ein erneutes Seufzen. Ich starre auf die Wörter, die nach wenigen Sekunden anfangen, vor meinen Augen zu verschwimmen.
Wie können sich andere Leute so sicher sein, was sie für ihr restliches Leben machen wollen? Connor möchte Sportwissenschaften studieren, Sophie – wie ich es vor ein paar Tagen erfahren habe – Theater-, Film- und Medienwissenschaft und Ava Journalismus. Und ich? Ich kann mich nicht einmal entscheiden, was ich heute Abend essen möchte. Wie soll ich da bitte schön herausfinden, was für ein Studium zu mir passt?
Ein Knarren ertönt und ich wende meinen Kopf zur Seite.
»Ich höre deine verzweifelten Gedanken bis nach unten ins Wohnzimmer.« Allison, meine Tante, steckt ihren Kopf durch die Tür und betrachtet mich von oben bis unten. Dann geht sie in das Zimmer und setzt sich auf die Bettkante. Die Beine übereinandergeschlagen beugt sie sich wissend vor. »Und wie ich sehe, scheinen sie dich zu erdrücken. Was ist los?«
Fast wäre ich vom Stuhl aufgesprungen und meiner Tante um den Hals gefallen. Sie versteht mich ohne große Worte. Schon seit ich klein war, hat sie immer gewusst, wann es mir nicht gut ging. Eigentlich sagt man, dass nur eine Mutter so etwas spüren würde. Aber sie tut es und macht es viel besser, als es meine Mutter jemals getan hat.
Mit dem Daumen zeige ich hinter mich. »Ich schaue nach Unis und Studiengängen ... Und habe keine Ahnung, was ich tun soll. Woher soll ich wissen, ob etwas zu mir passt?«
Zum Ende des Satzes hin wird meine Stimme lauter – verzweifelter. Vielleicht sollte ich einfach aufgeben und warten, wie mein Abschluss überhaupt verläuft. Aber, wenn ich von allen Seiten höre, was sie geplant haben, setzt es mich doch etwas unter Druck. Es ist, als würdest du nach etwas greifen, bekommst es aber nicht zu fassen.
Allison zieht ihre Brauen hoch und legt den Kopf schief. »Ich hätte nicht gedacht, dass du noch danach gucken würdest ...«
»Was meinst du?«, gebe ich wenig geistreich zurück.
»Naja, du hast darüber nie ein Wort verloren und ich wollte dich nicht zu etwas zwingen.« Nachdenklich fährt sie sich mit Daumen und Zeigefinger ihr Kinn nach und fügt noch »vielleicht hätte ich mich doch mit dir zusammensetzen sollen«, genuschelt hinzu. Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen, als ich in die besorgten Augen meiner Tante blicke. Sie tut so viel für mich, hat mich vor fast neun Jahren aufgenommen, obwohl sie bis dahin noch nicht einmal von meiner Existenz wusste.
Als sie das erste Mal vor mir stand, konnte ich nicht glauben, dass diese Frau meine Tante ist – die Schwester meiner Mutter. Sie sah ganz anders aus und hatte eine ruhige friedliche Ausstrahlung, die ich von meiner Mutter niemals gespürt habe. Während Allison klein und zierlich aussieht, wie eine Elfe, habe ich meine Mutter als sehr stämmige Frau in Erinnerung. Eine Frau, die nur mit ihrem bloßen Auftreten Hoffnungen und Gefühle niedergeschmettert hat.
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Chasing Dreams
RomanceAvas größter Traum ist es, Journalismus zu studieren. Sie hat ein Ziel in ihrem Leben und keiner wird sie von diesem Weg abbringen. Doch als Ava den - in ihren Augen - arroganten Noah Carter während des Volleyball-Frühlingsturniers interviewen muss...