19 | noah

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Connor hat sich seit einer Woche nicht blicken lassen. Nicht beim Training, in der Schule bleibt der Sitzplatz neben mir leer und er reagiert auf keine Anrufe oder Nachrichten. Nachdem ich den restlichen Tag bei Ava verbracht habe und nach Hause gegangen bin, haben mich meine negativen Gedanken eingeholt. Wie lange, dünne Finger haben sie nach mir gegriffen und den schönen Moment, den ich mit Ava hatte, zerplatzen lassen.

Meine Tante hat mich sofort ausgequetscht über das Spiel und mich anschließend in den Arm genommen, nachdem ich vom Streit mit Connor erzählt habe. Natürlich bin ich immer noch sauer, dass wir das Spiel verloren haben, aber was mit meinem besten Freund ist, setzt mir noch viel mehr zu. Was ist schon ein Ereignis, wenn eine Person, welcher man zutiefst vertraut, aus deinen Händen gleitet. Egal, wie sehr man versucht, ihn bei sich zu halten.

Außerdem kann ich nicht lange auf eine Person wütend sein, die mir am Herzen liegt. Doch nachdem zum fünften Mal die Mailbox von Connor angesprungen ist, bin ich kurz davor gewesen mein Handy gegen die Wand zu schmeißen. Müsste ich nicht eigentlich sauer sein und darauf warten, dass Connor angekrochen kommt?

Seufzend schaue ich zum Lehrer, der gerade enthusiastisch über die Französische Revolution redet und etwas in einem Zeitstrahl an der Tafel markiert. Schon seit heute Morgen kann ich kaum eine Information aufnehmen, was wahrscheinlich daran liegt, dass heute Nachmittag das Finale ist.

Das Finale, wo wir hätten mitspielen sollen. Doch jetzt stehen wir nur am Spielfeldrand und schauen zu. Eigentlich möchte ich gar nicht anwesend sein, und mich wieder mit Ava in ihrem Bett verstecken. Jedoch bin ich der Captain und habe daher eine gewisse Verantwortung, was Respekt im Sport angeht.

So viele Leute haben mich auf das Spiel angesprochen und gefragt, was passiert sei. Warum Connor so plötzlich aus der Reihe getanzt ist. Tja, wenn ich das wüsste, wären wir bestimmt alle ein Stück schlauer.

Missmutig rutsche ich auf dem Stuhl herum, schreibe mir ohne darüber nachzudenken ein paar Stichpunkte von der Tafel ab. Wie gern würde ich jetzt nach Ava suchen und mich mit ihr ins Bett kuscheln. Ihren zarten Duft riechen, ihre Haut spüren – die so perfekt weich und rein ist – und ihrem Atem lauschen.

Noch immer kribbeln meine Fingerspitzen, wenn ich daran denke, wie ich sachte über ihre Seite gefahren bin. Gott, ich habe alles gespürt und die Emotionen sind mit mir durchgegangen. Ich habe mehr von ihr spüren wollen, aber ich wusste, dass das nicht geht. Meine negativen Gefühle so zu kompensieren hat sich nicht richtig angefühlt. Es wäre ein Eifer des Gefechts gewesen.

Der Geschichtsunterricht geht langsam vorbei, zieht sich wie ein altes Kaugummi. Ich bin froh, nach fast dreißig Minuten den Klassenraum endlich zu verlassen, und begebe mich in die Mensa. Ich muss nicht lange suchen, als ich einen blonden Haarschopf direkt neben einem braunen Haarschopf erkenne.

Mit schnellen Schritten erreiche ich den kleinen runden Tisch in der rechten Ecke des Raumes und lasse mich seufzend auf dem Stuhl neben Ava nieder, die gerade einen großen Bissen von ihrem Sandwich nimmt. »Alles gut?«, murmelt sie mit vollen Backen und Sophie wirft mir zur Begrüßung ein leichtes Lächeln zu.

Auch hier ist die Stimmung bedrückt und jeder hat das Gefühl, dass ein Teil fehlt. Ein Teil, das die Stimmung immer aufgeheitert und das Beste aus jeder Situation gemacht hat. Ohne ein Wort zu sagen, lege ich den Kopf in den Nacken und schließe die Augen. Momentan ist gar nichts okay, aber dafür kann Ava am wenigstens. 

»Ich möchte nur, dass die Woche vorbeigeht ...«

Ava nickt. »Das wollen wir alle ...« Sie klappt ein weiteres Sandwich auf, pult die Tomate runter, klappt es wieder zu und hält es mir hin. Sofort breitet sich eine Wärme in mir aus. Sie hat sich gemerkt, dass ich keine Tomaten mag und das letzte Mal erwähnt, habe ich es als kleines Kind.

Chasing DreamsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt