L U N A
Am nächsten Morgen hatte sich der Sturm gelegt, doch die Decke der Großen Halle war immer noch dunkel verhangen und schwere, zinngraue Wolken wirbelten über den Himmel.
Harry, Ron, Mine und ich saßen beim Frühstück und begutachteten unsere neuen Stundenpläne.
Ein paar Plätze weiter fachsimpelten Fred, George und Lee Jordan eifrig über magische Alterungsmittel und diskutierten ihre Chancen, sich trotz allem ins Trimagische Turnier zu schmuggeln.
„Gar nicht übel, heute... wir sind den ganzen Vormittag draußen.", sagte Ron und fuhr mit dem Finger über die Spalte seines Stundenplans, „Kräuterkunde mit den Hufflepuffs und Pflege magischer Geschöpfe... verflucht, immer noch mit diesen Slytherins..."
„Heute Nachmittag dann 'ne ganze Doppelstunde Wahrsagen.", ächzte Harry und ließ den Kopf hängen.
„Du hättest den Krempel hinschmeißen sollen, genau wie ich.", sagte Mine frisch und munter und butterte sich ein Stück Toast. „Dann könntest du was Vernünftiges lernen wie zum Beispiel Arithmantik."
„Ich hätte ja auch abgewählt, aber so verpeilt wie ich bin habe ich mein Schreiben zu spät abgegeben.", murrte ich und schlug meinem Ei den Kopf ab.
„Du isst ja wieder.", sagte Ron und sah zu, wie Mine ihr Buttertoast großzügig mit Marmelade belud.
„Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es bessere Wege gibt, für die Elfenrechte einzutreten.", sagte Mine und reckte das Kinn.
„Sicher... und außerdem hattest du Hunger.", erwiderte Ron grinsend.
Obere unseren Köpfen hörten wir plötzlich lautes Geraschel; an die hundert Eulen kamen mit der morgendlichen Post in den Krallen durch die offenen Fenster geflogen.
Nach dem Frühstück machten wir uns auf dem Weg zu Kräuterkunde.
Wir standen im Gewächshaus drei und Professor Sprout zeigte uns die hässlichsten Pflanzen, die ich je gesehen hatte.
Tatsächlich ähnelten sie weniger Pflanzen als dicken schwarzen Riesenschnecken, die, sich leicht krümmend und windend, senkrecht aus dem Boden ragten.
An den Stängeln hatten sie einige große, glänzende Geschwülste, die offenbar mit Flüssigkeit gefüllt waren.
„Bubotubler.", erklärte uns Professor Sprout putzmunter. „Die müssen ausgequetscht werden. Dann sammelt ihr den Eiter -"
„Den was?", sagte Seamus Finnigan angewidert.
„Den Eiter, Finnigan, den Eiter", sagte Professor Sprout, „und er ist äußerst wertvoll, also verschüttet ihn nicht. Ihr sammelt also den Eiter, und zwar in diesen Flaschen. Zieht eure Drachenhauthandschuhe über, dieser Bubotubler-Eiter kann, wenn er unverdünnt ist, die lustigsten Dinge mit der Haut anstellen."
Die Bubotubler auszupressen war eine eklige und doch eigenartig befriedigende Arbeit.
Aus jeder Geschwulst, die wir ausdrückten, quoll eine große Menge gelblich grüner Flüssigkeit.
Wir fingen sie in Flaschen auf, wie Professor Sprout gesagt hatte, und am Ende der Stunde hatten wir einige Liter beisammen.
„Madame Pomfrey wird ganz entzückt sein.", sagte Professor Sprout und stöpselte die letzte Flasche mit einem Korken zu. „Ein hervorragendes Mittel gegen die hartnäckigen Formen der Akne, dieser Bubotubler-Eiter. Sollte einige von euch, die ihre Pickel loswerden wollen, von Verzweiflungstaten abhalten."
„Wie die arme Eloise Midgen.", sagte Hannah Abbott, eine Hufflepuff, mit schüchterner Stimme. „Sie hat versucht ihre Pickel wegzufluchen."
„Dummes Mädchen.", sagte Professor Sprout kopfschüttelnd. „Aber Madame Pomfrey hat ihr die Nase dann wieder ordentlich anwachsen lassen."
Vom Schloss jenseits der regennassen Wiesen wehte eindringliches Glockengeläut herüber und verkündete das Ende der Stunde.
Wir Gryffindors gingen den sanft abfallenden Rasen hinunter zu Hagrid's kleiner Holzhütte am Rand des Verbotenen Waldes.
Hagrid erwartete uns bereits an der Tür, die eine Hand am Halsband seines riesigen schwarzen Saurüden Fang.
Um ihn herum lagen mehrere offene Holzkisten, und der winselnde Fang, offenbar ganz scharf darauf, ihren Inhalt genauer in Augenschein zu nehmen, zog und zerrte an seinem Halsband.
Als wir näher kamen, drang ein merkwürdiges Rasseln an unsere Ohren, offenbar durchsetzt mit kleineren Explosionen.
„Moin!", sagte Hagrid und grinste Harry, Ron, Mine und mich an. „Wir warten besser auf die Slytherins, die wollen das sicher nicht verpassen, die Knallrümpfigen Kröter!"
„Wie bitte?", sagte Ron.
Hagrid deutete auf die Kisten.
„Uuärrh!", würgte Lavender Brown hervor und sprang einen Schritt zurück.
»Uuärrh« war aus meiner Sicht eine ziemlich treffende Beschreibung der Knallrümpfigen Kröter.
Sie sahen aus wie missgestaltete, schalenlose Hummer, scheußlich fahl und schleimig, mit Beinen, die an allen möglichen und unmöglichen Stellen aus dem Körper ragten, während Köpfe nicht zu erkennen waren.
In jeder Kiste lagen etwa hundert dieser Geschöpfe, jedes um die fünfzehn Zentimeter lang, sie krabbelten blind durcheinander und stießen gegen die Kistenwände.
Ein sehr starker Gestank nach verfaultem Fisch ging von ihnen aus.
Hin und wieder stoben Funken aus dem Rumpf eines der Kröter und schleuderten ihn mit einem lesen ffhhht ein paar Zentimeter weiter.
„Frisch ausgebrütet!", sagte Hagrid stolz, „jetzt könnt ihr sie selbst großziehn! Dachte, wir machen so was wie 'n Projekt draus!"
„Und warum eigentlich sollen wir die großziehen?", sagte eine bekannt kalte Stimme.
Die Slytherins waren angekommen.
Wer sprach, war Draco Malfoy.
Crabbe und Goyle taten glucksend ihren Beifall für seine Worte kund.
Die Frage schien Hagrid in Verlegenheit zu stürzen.
„Ich meine, wozu sind die denn nütze?", fragte Draco. „Was ist der Witz dabei?"
Hagrid öffnete den Mund, offenbar angestrengt nachdenkend; ein paar Sekunden herrschte Schweigen, dann sagte er barsch: „In'ner nächsten Stunde, Malfoy. Heut füttert ihr sie nur. Probiert doch mal 'n paar verschiedene Sachen aus - ich hab Ameiseneier und Froschlebern und 'n Stück Ringelnatter - nehmt einfach von allem etwas."
„Erst Eiter und jetzt das hier.", murrte Seamus.
Harry, Ron, Mine und ich nahmen ein paar glitschige Froschlebern in die Hände und ließen sie in die Kisten gleiten, um die Knallrümpfigen Kröter zum Essen zu verführen.
Haben diese Dinger überhaupt ein Maul?
„Autsch!", schrie Dean Thomas nach etwas zehn Minuten. „Mich hat's erwischt!"
Hagrid eilte mit besorgtem Blick zu ihm hinüber.
„Sein Rumpf ist explodiert!", sagte Dean säuerlich und zeigte Hagrid eine Brandblase an seiner Hand.
„Hmh, ja, kann passieren, wenn sie losknallen.", nickte Hagrid.
„Uuärrh!", kam es erneut von Lavender Brown. „Uuärrh, Hagrid, was ist das für ein spitzes Ding auf dem da?"
„Hmh, ja, 'n paar von denen ha'm Stacheln.", sagte Hagrid begeistert (Lavender zog rasch die Hand aus der Kiste). „Ich glaub, das sind die Männchen... die Weibchen haben so was wie 'n Saugnapf am Bauch... ich glaub, das könnte zum Blut saugen sein."
„Schön, jetzt weiß ich, warum wir sie unbedingt hätscheln sollten.", sagte Draco trocken. „Wer will nicht ein Haustier, das brennen, stechen und Blut saugen zugleich kann?"
„Nur weil sie nicht hübsch sind, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht nützlich sind.", stieß Mine hervor. „Drachenblut hat sagenhafte magische Wirkungen, aber einen Drachen als Haustier willst du trotzdem nicht, oder?"
Daraufhin blieb Draco still und wir alle arbeiten weiter bis die Stunde vorbei war.
„Na, wenigstens sind diese Kröter klein.", sagte Ron eine Stunde später auf dem Weg zum Mittagessen ins Schloss.
„Das sind sie jetzt noch", sagte Mine verärgert, „aber sobald Hagrid rausgefunden hat, was sie fressen, werden sie sicher zwei Meter lang."
„Na und, das macht doch nichts, wenn sie am Ende die Seekrankheit oder so was heilen können!", sagte Ron und grinste sie schlaumeierisch an.
„Du weist ganz genau, dass ich das nur gesagt habe, um Malfoy abzuwürgen.", sagte Mine. „In Wahrheit denke ich, dass er Recht hat. Das Beste wäre, die alle totzutreten, bevor sie anfangen, über uns herzufallen."
Wir setzten uns an den Gryffindor-Tisch und taten uns Lammkoteletts mit Kartoffeln auf.
Mine begann so schnell zu essen, dass Harry, Ron und ich sie mit offenem Mund anstarrten.
„Mine? Ist das dein neuer Feldzug für die Elfenrechte?", fragte ich verwirrt. „Du futterst bis zum Erbrechen?"
„Nein", sagte Mine so würdevoll, wie es mit einem Mund voll Rosenkohl gerade noch ging, „ich will nur schnell in die Bibliothek kommen."
„Wie bitte?", sagte Ron ungläubig. „Hermine - wir sind gerade mal den ersten Tag hier! Wir haben noch nicht mal Hausaufgaben!"
Mine zuckte die Achseln und spachtelte munter weiter, als hätte sie seit Tagen nichts gegessen.
Dann sprang sie auf, sagte: „Bis zum Abendessen!", und entschwand in höchster Eile.
Als die Glocke zum Nachmittagsunterricht läutete, machten Harry, Ron und ich uns auf den Weg zum Nordturm.
Wahrsagen war das nächste Unterrichtsfach und ich betete, dass die Doppelstunde schnell an mir vorbeizog.
Und ich hatte Glück - die zwei Stunden zogen schnell an mir vorbei, da ich die ganze Zeit aus dem Fenster blickte, dann die Aufgaben erledigte und das blöde Geschwafel von Professor Trelawney ausblendete.
„ - auch mal sehen, Lavender?", riss mich Ron's Stimme 10 Minuten vor Unterrichtsschluss aus meinen Gedanken.
Ich weiß nicht, worum es vor Ron's Worten ging, aber anscheinend nahm Professor Trelawney Ron's Worte nicht sehr gut auf, denn am Ende der Stunde hatten wir eine Menge an Hausaufgaben.
„Eine genaue Untersuchung der Frage, auf welche Weise die Planetenbewegungen des kommenden Monats euch betreffen werden, mit Verweis auf eure persönliche Karte.", fauchte sie und klang dabei eher nach Professor McGonagall als nach ihrem üblichen windig-duftigen Selbst. „Abgabe ist nächsten Montag und keine Ausreden!"
„Vorstufe alte Fledermaus.", sagte Ron erbittert, als wir uns in die Scharen einreihten, die die Treppen hinunter in die Große Halle zum Abendessen strömten. „Das wird uns das ganze Wochenende kosten, sag ich euch..."
„'ne Menge Hausaufgaben?", strahlte Mine, die uns gerade eingeholt hatte. „Professor Vektor hat uns jedenfalls überhaupt keine gegeben!"
„Ist ja ganz toll von Professor Vektor.", sagte Ron missgelaunt.
Wir gelangten in die Eingangshalle, wo sich schon eine lange Schlange für das Abendessen gebildet hatte.
Wir hatten uns gerade angestellt, als hinter uns eine laute Stimme ertönte.
„Weasley! Hey, Weasley!"
Harry, Ron, Mine und ich wandten uns um.
Hinter uns standen Draco, Crabbe und Goyle und schienen sich prächtig über etwas zu amüsieren.
„Was gibt's?", sagte Ron schroff.
„Dein Dad steht in der Zeitung, Weasley!", sagte Draco und wedelte mit einem Tagespropheten.
„Hör dir das an!", verkündete er so laut, dass es alle in der brechend vollen Eingangshalle hören konnten.
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Luna Black 4 - Harry Potter
FanfictionDas vierte Schuljahr beginnt für Luna Black an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei und verspricht, ein aufregendes Jahr zu werden. Vor dem Beginn des Schuljahres steht die Quidditch-Weltmeisterschaft, ein beeindruckendes sportliches Ereigni...