kapitel 01

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»Ich brauche dringend ein Gesprächspartner«, seufzt mein Vater am frühen Morgen und lässt sich neben mich auf die Couch fallen. »Du kennst doch Giulia.«

»Deine Freundin, die mich anscheinend bis auf den Tod nicht ausstehen kann? Wie könnte ich Giulia nicht kennen?«, frage ich und schalte den Fernseher aus, danach lege ich die Fernbedienung auf die Lehne der Couch. »Was ist denn jetzt schon wieder los? Ich bin knapp eine Woche hier, sie hasst mich jetzt schon und will mich loswerden. Jetzt willst du mit mir über sie reden? In dieser Woche hätte es mir geholfen, wäre ich zur Schule gegangen, aber es fängt erst heute für mich an ... willst du mir den Morgen ernsthaft damit vermiesen?«

»Du weißt, ich liebe dich, mein Engel«, meint Dad und legt einen Arm um mich. »Aber ich brauche gerade echt einen Gesprächspartner.«

»Okay«, meine ich grinsend und lehne mich etwas neben ihn. »Was liegt dir auf den Herzen?«

»Ich habe das Gefühl, dass ich nur ihr Betthäschen bin«, meint Dad.

Ich verziehe das Gesicht: »Bah, Dad! Ich bin deine Tochter und nicht deine beste Freundin! Aber okay — ich möchte mal nicht so sein. Was ist passiert?«

»Ich merke, wie sie einfach nur mich will und versucht, dich loszuwerden. Sie kann einfach nicht akzeptieren, dass du meine Tochter bist«, redet sich mein Vater seinen Kummer von der Seele. »Sie meint, die Geschichte zwischen mir und deiner Mutter ist so absurd und ... wie du entstanden bist.«

»Ach, du meinst die Geschichte, in der du mit 17 oder 18 Jahren — weiß ich nicht mehr so genau — meine Mutter geschwängert hast, dann so früh geheiratet hast und nach vierzehn Jahren die Scheidung eingereicht habt? Wie hat eure Ehe so lange gehalten«, frage ich schmunzelnd. »Entschuldige, Dad, ich wollte — tut mir leid. Ich kann nicht ernst bleiben und ziehe alles ins Lächerliche.«

»Schon in Ordnung, Süße«, lächelt mich mein Vater an. »Aber was soll ich machen, Esra?«

»Wenn du Giulia wirklich liebst und sie dich, dann solltest du mit ihr reden und wenn sie sich als falsche Schlange herausstellt, dann sag nur Bescheid. In der Küche sind genug Pfannen und eine könnte dann echt nützlich werden«, scherze ich und werfe einen Blick auf die Uhr. »Ich muss los.«

»Soll ich dich fahren?«, fragt mich mein Vater, als ich aufstehe und gerade dabei bin, ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. »Dann kann ich gleich zum Revier weiterfahren, das macht für mich keinen Umweg.«

»Willst du sichergehen, dass ich auch wirklich zur Schule gehe und nicht zu irgendeinen Drogendealer?«, frage ich scherzend und lache dann leise. »Nicht nötig, Daddy. Ich gehe direkt zur Schule und mit Drogen habe ich nichts am Hut!«

»Du weißt, dass du, wenn du was mit Drogen am Hut hast, ein großes Problem mit mir hast, hast du verstanden?«, fragt mich mein Vater mit einem warnenden Blick.

»John, John, John«, grinse ich und er verdreht die Augen. »Du hasst es immer noch, dass ich dich John nenne.«

»Es ist ziemlich uncool von der eigenen Tochter beim Vornamen genannt zu werden«, bemerkt mein Dad und steht langsam mit seinen jungen 35 Jahren von der Couch auf. »Ich fahre dich.«

»Das ist wirklich nicht nötig, Dad. Ich fahre mit den Bus und verschaffe mir schon mal einen Überblick von den Schülern«, meine ich lächelnd und nehme meine Tasche.

»Willst du wirklich mit einem überfüllten Bus fahren und dich fragen, wieso du es bevorzugt hast inmitten schwitzenden Körpern zu stehen?«, fragt mich mein Vater und an den Gedanken daran verziehe ich das Gesicht. »Ich habe dich.«

»Gut, du hast mich. Können wir denn jetzt los? Ich will nicht an meinen ersten Tag zu spät kommen«, meine ich und grinse. »Komm schon, du bist 35 Jahre jung, alt bist du ganz sicherlich nicht.«

»Sichtlich älter als du«, grinst er und schnappt sich seine Autoschlüssel vom Tisch. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zum Auto und steigen ein.

Als Dad das Auto startet, suche ich in meiner Schultasche meine gebrannte CD raus und schiebe sie in den Player rein, um dann Track 04 spielen zu lassen. Ich liebe das Lied Levitate von Hollywood Undead.

Wenig später singen mein Dad und ich lautstark den Songtext von Levitate mit, während das Dach vom Cabriolet offen ist.

»You know I can take you straight to heaven, if you let me. You know I, I could make your body levitate, if you let me. You know that I could make your body levitate, le-levitate-tate, I could make you body levitate, le-levitate, you know«, singen wir gemeinsam den Refrain, doch dann fährt er auf den Parkplatz von meiner neuen Schule.

»Tschüss Daddy«, verabschiede ich mich, drücke ihm einen Kuss auf die Wange und steige aus. »Bis später.«

»Bis später und viel Spaß!«, ruft mir mein Vater hinterher, ehe er wieder wegfährt. Sofort spüre ich neugierige Blicke auf mir und ich mache mich einfach auf den Weg zum Schulgebäude.

Mein Blick gleitet über den Parkplatz und ich entdecke dabei eine Person, die ich hier am wenigsten erwartet habe.

Da steht der einzig wahre Louis aus der Bar, mit dem ich eine schnelle Nummer hatte.

»Guten Morgen, Mister Tomlinson!«, kichert ein Mädchen nicht weit von mir und blinzelt ihn zuckersüß an.

»Guten Morgen«, begrüßt er das Mädchen zurück und schenkt ihr ein umwerfendes Lächeln. Dann fällt sein Blick auf mich — und das umwerfende Lächeln ist spurlos verschwunden.

Sofort blende ich die Erinnerungen an den Abend aus und gehe mit gesenktem Blick ins Schulgebäude hinein.

Viele Schüler machen einen Bogen um mich herum, mustern mich von oben bis nach unten und fangen an ein wenig zu tuscheln.

»Hey!«, sagt jemand und hakt sich einfach bei mir unter. »Mein Name ist Brooke und ich mag dich jetzt schon. Lass uns zum Sekretariat gehen, damit ich dir danach die Schule zeigen kann!«

Irritiert schaue ich die Blonde an und runzle die Stirn: »Uhm ... okay? Schön dich kennenzulernen, mein Name ist-«

»Esra, ich weiß«, meint sie und zieht mich durch die Gänge. »Jeder hat schon etwas von der wunderschönen Neuen gehört, die vorhin mit einem jung aussehenden Mann im Auto gesichtet wurde. Du weißt schon, dass er um die 15 Jahre mindestens älter als du sein musst und Polizist ist?«

»Er ist mein Vater, Brooke, mach dir keine Sorgen«, sage ich und muss kichern. »Er ist jung Vater geworden.«

»Interessant«, meint Brooke grinsend und stößt einfach eine Tür auf. »Hallo Miss Michaels! Ich bringe Ihnen unsere neue Schülerin vorbei. Können Sie uns ein Zettel beziehungsweise Entschuldigung für die ersten beiden Stunden ausstellen? Dann zeige ich Esra das komplette Schulgelände! Wussten Sie, dass Esra einen tollen Musikgeschmack hat? Sie hört mein derzeitiges Lieblingslied!«

Die Sekretärin — Miss Michaels — schaut Brooke nur mit einer hochgezogenen Augenbraue an und schüttelt dann den Kopf.

»Was? Habe ich was Falsches gesagt?«, fragt Brooke und schaut kurz mich, dann Miss Michaels an. »Ach, ich weiß woran das lag! Ich habe mal wieder zu viel geredet.«

Das, denke ich mal, trifft es so ziemlich.


BlackheartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt