Zusatzkapitel

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Louis
Eine Woche nach Esras Tod

In der Schule herrscht bedrückendes Schweigen. Ich weiß nicht, ob es wirklich so ist, oder ob es mir nur so vorkommt, oder ob die Zeit überhaupt vergeht. Ich weiß einfach gar nichts mehr. Es herrscht in meinem Kopf nur erdrückende Leere.

Warum hatte sich Esra so in Lebensgefahr gebracht? Sie wusste, was sie da tat und riskierte ihr Leben. Um ehrlich zu sein wusste ich nicht, wie das alles beschreiben konnte. Aber mein Herz tat mir bei jedem Atemzug weh. Eigentlich hätte die Beziehung, die sich zwischen mir und Esra gebildet hatte, erst gar nicht bestehen dürfen, doch es war eine besondere Bindung.

Bei der Competition war hektisches Treiben gewesen, nachdem Esra umgekippt war. Ihr Vater wurde umgehend benachrichtigt und so, wie ich es mitbekommen habe, hatte er alles stehen und liegen gelassen, um sofort zu uns zu fahren.

Es tat mir in der Seele weh, mit ansehen zu müssen, wie er verzweifelt seine Tochter darum bat, ihre Augen wieder zu öffnen. Doch sie blieben geschlossen und er brach noch vor Ort zusammen. Ich vermochte mir es nicht vorstellen, wie es gerade in ihm aussah, doch ich konnte es mir denken.

Esra schien so etwas wie sein kleiner Sonnenschein zu sein. Ich wünschte, ich hätte irgendetwas an ihrem Schicksal ändern können oder sonstiges.

Der Direktor hat mir und den Schülern, die bei der Competition dabei waren, eine Woche frei gegeben, damit wir über den Schock hinwegkommen. Aber egal, wo ich hinsah, ich hatte das Gefühl, dass ihr Geist mich ständig verfolgt.

Wahrscheinlich hört sich das an, als wäre ich reif für die Irrenanstalt, aber ich bin nicht verrückt, nur schrecklich verliebt in ein junges Mädchen, was einst meine Schülerin und vor meinen Augen gestorben war.

Wie betäubt gehe ich durch die Gänge und achte kaum auf meine Umgebung, doch dann stoße ich mit jemanden zusammen.

»Oh, Entschuldigung, Mr. Tomlinson«, entschuldigt sich Brooke und sieht mich aus glasigen Augen an. Als sie mir in die Augen sieht, hält sie sich schnell die Hand vor den Mund und bricht mitten auf dem Gang in Tränen aus.

Es überrascht mich nicht, dass ihre Gefühle sie einfach so übermannen, denn ich weiß mittlerweile, was sie sich für Schuldgefühle einredet. Ohne großartig darüber nachzudenken, ziehe ich sie in meine Arme und versuche sie zu trösten.

Auf dem Gang sind zu viele Schaulustige, was ich insgeheim echt schrecklich finde. Was ist so interessant daran, eine Schülerin beim Weinen zuzusehen, weil sie trauert?

»Ich werde nicht sagen, dass alles gut ist, denn ich weiß, worüber du dir Gedanken machst…«, sage ich leise und streiche ihr über den Rücken. »Sollen wir lieber in ein Klassenzimmer gehen?«

Brooke nickt nur kurz, dann löse ich mich leicht von ihr und gehe mit ihr in den nächstbesten Klassenraum.

Sie geht auf einen Tisch in der ersten Reihe zu und setzt sich darauf. Ich dagegen gehe zum Lehrerpult und lehne mich dagegen. Meine Augen scannen Brooke ab, wie sie da einfach völlig niedergeschlagen und fertig sitzt.

»Du wusstest genauso wenig wie ich von ihrer Krankheit, oder?«, frage ich sie und sie nickt. »Glaub mir, es war für mich ein Schock, als ich erfahren habe, wofür ihre Tabletten gedacht sind.«

»Was für eine Verbindung hatten Sie zu Esra, Mr. T?«, fragt Brooke und wischt sich mit der Hand durchs Gesicht. »Sie haben zu ihr gesagt, dass Sie sie lieben…«

»Hör zu, Brooke, Esra und ich hatten was miteinander, wenn ich das so ausdrücken kann, aber da wussten wir noch nicht, dass ich ihr Lehrer und sie meine Schülerin sein würde. Dann wollten wir uns gegenseitig aus dem Weg gehen. Sie verbrachte ein Wochenende, nachdem Katarzyna gerade neu an der Schule war, im Haus ihrer Großeltern, die gegenüber von mir wohnen. Ab dem einen Tag hatten wir wieder was füreinander, obwohl wir uns bewusst waren, dass es nicht sein durfte«, erkläre ich ihr und sie sieht mich einfach nur entrüstet an. Ihre Nase ist von ihrem Gefühlsausbruch etwas rot und ihre Augenbrauen sind auch gerötet. »Esra und ich hatten nicht viel Zeit, aber wir waren uns über unsere Gefühle sicher. Sie hat mir erzählt, dass sie sich mit dir gestritten hat, weil du unbedingt die Competition gewinnen wolltest, oder?«

BlackheartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt