S01 E08: Machtlos

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Oder auch: Von Machtvakua und angepissten Söldnerinnen

Erschöpft blinzelte Lyn. Cyris' Gesicht tauchte über ihr auf.

"Aufstehen, Fenrys. Niemand hat gesagt, dass du einfach so auf dem Asphalt herumliegen darfst", schnaubte die Mirialanerin.

Etwas wacklig kam sie auf die Beine, ein schiefes, breites Grinsen im Gesicht. "Ich habe gewonnen!", quiekte sie und ihre Faust schoss in die Luft.

"Und ich habe ein vierjähriges Kleinkind am Hals. Siehst du mich etwa jauchzen?", brummte Cyris bloß, doch ihr Blick wurde von etwas anderem abgelenkt. "Was ist das?", zischte sie.

Lyns Augen wurden groß, ihr Grinsen erlosch. Bei ihrem euphorischen Sprung hatte sich die Tasche ihrer Jacke geöffnet - und der Talisman lag gut sichtbar darin.

"Ich ... habe darauf aufgepasst?", meinte sie fragend, obwohl ihr klar war, dass ihre Lüge selbst von einem Dug durchschaut worden wäre.

Cyris kniff die Augen zusammen. "Du kleine, miese Ratte", fauchte sie und machte einige Schritte auf sie zu, in ihren Augen funkelte etwas, das wirkte, als würde sie Lyn jeden Moment eine Ohrfeige verpassen. Dann hatte die Söldnerin mit einer blitzartigen Bewegung das Amulett aus Lyns Tasche gefischt. "Was hast du damit gemacht?", schnauzte sie und hielt das Amulett anklagend hoch. Es leuchtete in einem starken Giftgrün.

Lyn hob abwehrend die Hände. "Ich war das nicht, ich schwöre. Das leuchtet schon die ganze Zeit so komisch", zeterte sie und gestikulierte wild.

Cyris dagegen verdrehte nur die Augen. "Wenn es während deiner Höllenfahrt kaputt gegangen ist ...", drohte sie, wobei sie Lyn sich ausmalen ließ, was dann passieren würde.

"Es ist aber nicht kaputt", giftete Lyn zurück, riss das Amulett aus Cyris Hand und wedelte damit vor ihrer Nase herum. "Es zeigt uns nur, dass wir hier richtiger sind als auf dem gruseligen Hexenplanet oder als auf Mustafar."

Cyris hatte mit einem flinken Handgriff im nächsten Moment die Kette wieder an sich genommen. "Tja, wenn wir nicht so viel Zeit mit deinem Schrotthaufen verbracht hätten, wären wir schon weiter."

Die Weißhaarige stöhnte entnervt auf. "Nicht wieder das Thema. Du wolltest genauso wenig wie ich, dass die Trust in falsche Hände gerät." Langsam setzten die Beiden sich in Bewegung, immer noch leise vor sich hin zankend, jedenfalls, bis sie das Schiff erreicht hatten. Die Hangarnummer war Lyn nach dem Rennen von einem der Verwalter gegeben worden, gemeinsam mit einer widerwilligen Einladung zu einer Party für die Gewinner der berühmtesten Podrennen der Galaxis. Lyn hatte sie, ohne sie wirklich anzusehen, in ihre Tasche gesteckt.

Die Laderampe der Trust fuhr herunter, aufgeregtes Piepsen ertönte. "R3!", rief Lyn, ein breites Lächeln im Gesicht. Eilig rannte sie zu dem Droiden, der die Rampe hinunterrollte, und kniete sich vor ihm hin. Die Astromech-Einheit tutete begeistert.

"Ja, ich freue mich auch, dich zu sehen, burc'ya", begrüßte sie ihn leise grinsend.

Cyris tauchte neben ihr auf. "Du sprichst Mando'a?", fragte sie mit hochgezogener Augenbraue, was bei ihr wie eine Morddrohung aussah.

Lyns Miene versteinerte. "Ja", meinte sie bloß einsilbig, stand auf und lotste R3 zurück zum Schiff, wo sie an ihrem üblichen Platz im Cockpit Platz nahm, Cyris direkt neben ihr.

Mit einigen Knopfdrücken hatte sie die Getriebe hochgefahren, ihr Droide überprüfte die Datenspeicher. Er surrte leise.
"Bist du dir sicher?", fragte Lyn und zog die Augenbrauen zusammen. R3 fiepte bestätigend, und sie wandte sich zu Cyris.

Die verdrehte nur die Augen. "Was hat Schrotthaufen Junior gesagt?", murrte sie bloß desinteressiert.

"Die Koordinaten sind weg", seufzte Lyn und massierte sich die Schläfen. Sie hörte Cyris zischend einatmen. "Also, alle bis auf zwei Daten, die R3 retten konnte", ergänzte sie, was die Sache jedoch auch nicht viel besser machte. Sie weigerte sich, sich auf irgendein verwunschenes Stück Hexenmagie zu verlassen, egal wie faszinierend diese Magie auch war. Also gab sie die ersten Daten in den Computer ein und ließ R3 die Strecke berechnen.

"Was soll das heißen, 'retten konnte'? Hat jemand die Koordinaten gestohlen?", wollte die Schwarzhaarige angespannt wissen. Lyn konnte sogar trotz Maske sehen, wie sie die Kiefer wütend aufeinandergepresst hatte.

Lyn blickte mitleidig zu ihr. "Ja, aber wer auch immer sie gestohlen hat, war nicht sonderlich gründlich. Er hat wahrscheinlich nach etwas anderem gesucht", versuchte sie, aufmunternd zu klingen. Sie wusste, dass Cyris irgendetwas - oder besser, irgendjemanden - fürchtete, der ihren alten Meister vor ihr finden könnte. Lyn hatte damit nicht allzu viel zu tun, doch jetzt, da sie die Macht so oft genutzt hatte, war es besser, in Cyris' Nähe zu bleiben, wenn sie nicht wollte, dass irgendein Jedi oder Sith sie fand. Das bedeutete, dass die meisten der Probleme der Söldnerin auch ihre waren. Und was Cyris Angst machte, sollte ihr erst recht Sorgen bereiten.

Cyris sah sie bloß spöttisch an. "Wenn du so dumm bist, das zu glauben, habe ich dich überschätzt", höhnte sie, doch ihrer Stimme fehlte der beißende Sarkasmus. Im nächsten Moment hob das Raumschiff in den Orbit ab.

Es dauerte, bis sie in die Nähe des Ziels kamen, endlose Stunden der Stille zwischen der Pilotin und der Söldnerin neben ihr. Doch als der Planet in Sichtweite kam, verkrampfte sich Cyris. "Wir werden da ganz sicher nicht hinfliegen."

Lyn schnaubte. "Ach, so? Und woher kommt der plötzliche Sinneswandel?"

"Mein Meister wäre niemals hier her gekommen. Dein Computer irrt sich."

"Tut er nicht. Warum denkst du das?", fragte sie.

Cyris lachte trocken. "Du spürst es doch auch, nicht wahr? Dass du plötzlich nichts mehr spürst."

Lyn biss sich auf die Lippe. "Wie meinst du das?", wollte sie wissen, obwohl sie die Antwort bereits kannte.

Cyris Augen glühten förmlich, im nächsten Moment war es, als wäre das Glimmen vollständig erloschen. "Dreh um. Sofort." Im selben Moment verschwand auch das herausfordernde Kribbeln in Lyns Fingerspitzen, die Dunkelheit am Rande ihrer Gedanken und gleichzeitig auch das Gefühl, zu wissen, was um sie herum passierte. Sie fühlte sich ... ahnungslos. Und das war irgendwie gut.

Ein Grinsen schlich sich in ihr Gesicht. "Sie ist weg", stellte sie fest. "Die Macht ist weg, einfach so. Der Planet ist wie eine riesige Leere ohne die Macht, stimmt's?", fragte sie Cyris, ohne umzudrehen oder Halt zu machen. Stattdessen steuerte sie immer weiter auf den Planeten zu.

"Du bist wahnsinnig!", rief Cyris. Lyn sah zum ersten Mal so etwas wie Angst in ihrem Gesicht - zum ersten Mal seit so vielen Wochen, vielleicht sogar Monaten, die sie sich nun kannten.

Lyn schüttelte den Kopf. "Wolltest du nicht auch einmal für einen Tag ohne das alles verbringen? Einfach frei sein? Das ist meine - unsere Chance! Du willst Maul finden? Kein Problem, hier finden wir Antworten!" Sie merkte, wie sie immer euphorischer wurde.

Sie hatte jedoch unterschätzt, wie schwer das Landen eines Schiffs war, wenn man nicht jeden einzelnen Stein, jede Erhebung im Boden spüren konnte. Ein wenig ruckeliger als sonst kamen sie auf der Planetenoberfläche auf. Cyris hatte die Arme verschränkt - sie konnte das Schiff nicht zurücksteuern, und hier unten fehlte ihr die Macht, um Lyn irgendetwas anzutun. Sie hatte bloß ihre Lichtschwerter, und die Pilotin umzubringen, würde ihr auch nichts bringen. Das wussten sie beide.

Lyn derweil hatte ein Grinsen im Gesicht, als sie hinaus auf die Laderampe trat. Das letzte Mal hatte sie sich so gefühlt, bevor der Jedi ihr Haus betreten und sie getestet hatte. Sie hatte den Midichlorianer-Wert ihres Blutes jedoch nie erfahren.

Sie verdrängte den Gedanken an diesen schrecklichen Abend. Langsam, beinahe bedächtig berührte ihre Stiefelspitze den kargen Fels unter ihnen.

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