S02 E01: Sternenhimmel

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Lyn konnte nicht schlafen. Tausende Gedanken gingen ihr durch den Kopf.

Sie hätte Mauls Schülerin werden sollen.

Schülerin eines Sith. Ob das ihrer Mutter mehr zugesagt hätte, als Pilotin zu sein für ein Gewürzkartell? Vielleicht war es gut, dass es nie so weit gekommen war, denn welch Zerstörung sie anrichten konnte, das hatte ihr letzter Tag auf Atterra Alpha gezeigt. Die Hälfte ihres Dorfes war betroffen gewesen von der Explosion, die ihr Haus vollkommen zerstört hatte, sodass nur noch rauchende Trümmer am Boden zu sehen gewesen waren.

Unter den zerbrochenen Fenstern und zusammengefallenen Mauern lagen drei Leichen, das wusste sie. Lyn hatte bloß eine von ihnen gesehen, danach hatte sie nicht mehr die Kraft gehabt, weiter zu suchen, wusste sie doch, dass ihr Vater und ihre Mutter auch irgendwo in den Ruinen sein mussten. Es reichte, dass das Gesicht der Jedi, einer Twi'lek, sie auf ewig bis in ihre Träume verfolgen würde. Wäre es so gekommen, wie Maul es geplant hatte, wäre die Jedi vielleicht nicht gestorben. Statt ihr wären es Dutzende andere gewesen, die sie gewissenlos der dunklen Seite geopfert hätte.

Cyris hatte es sich in den Kopf gesetzt, Lyn zu ihrer Schülerin zu machen. Ob nur als Bluff wusste die Pilotin nicht und eigentlich wollte sie es auch gar nicht wissen. Die dunkle Seite war mächtig, aber Lyn wusste eins ganz sicher: Etwas wie diese Explosion von damals durfte nie wieder geschehen.

Außerdem, wo wäre Cyris dann heute? Ohne Maul. Wäre sie immer noch das verlorene Mädchen, das nie mehr gesehen hätte als ihre Heimat? Vermutlich wäre sie an der Maske, die man ihr aufzudrängen versuchte, zerbrochen.

Cyris Myrellian und Lyn Fenrys waren anscheinend dazu vorhergesehen, als gebrochene Wesen durch die Galaxis zu wandeln. Egal, wie sie es in ihren Gedanken drehte, sie kam stets auf dasselbe Ergebnis.

Ziellos streunte sie durch den Korridor des kleinen Frachters. Es war früher Morgen, sie hatten den Müllhaldenplanet gestern Nacht noch verlassen und schwebten nun irgendwo im All außerhalb von Mustafar. Lyn hatte nicht widersprochen, als Cyris den Planeten als ihren ersten Halt genannt hatte. Sie hatte im Allgemeinen kaum ein Wort mit der Mirialanerin gewechselt, solange es nicht zwingend notwendig war.

Durch einige verglaste Luken konnte man die Sterne sehen. Weit in der Ferne, und doch so nah wie nur ein Pilot ihnen kommen konnte.
Ein Flüstern drang an ihr Ohr. Für einen Moment schrak sie zusammen, bis ihr klar wurde, dass das Cyris' Stimme sein musste - wenn sie nicht stimmverzerrt von ihrer Maske war. Sie war klarer, und doch gedämpft. Sie musste mit jemandem reden, während sie auf ihrem Quartier war. Aber mit wem?

Sorge kam bei ihr auf. Was war, wenn Cyris Lyn verriet? Nun, wo sie um die Stärke der Pilotin wusste, gab es viele Möglichkeiten dem Hass, den sie sicherlich für Lyn empfand, Luft zu machen. Es wäre vermutlich nur gerecht. Einzig Lyns Existenz war Schuld daran, dass Cyris nicht länger Schülerin eines Sith war.

Sie folgte dem leisen Wispern bis zu der Tür, die den Gang von Cyris' Zimmer trennte. Achtsam legte Lyn ein Ohr an das Holz. Nun konnte sie die gemurmelten Worte verstehen.

"Ich bin das Herz der Dunkelheit. Ich kenne keine Furcht, doch ich säe sie in meinen Feinden. Ich bin Zerstörerin von Welten. Ich kenne die Macht der dunklen Seite. Ich bin das Feuer des Hasses."

Ähnlich eines Gebets predigte Cyris die einzelnen Zeilen herunter. Und Lyn konnte nicht anders, als weiterhin zuzuhören. Langsam und bemüht, keinen Laut zu geben, rutschte sie am Holz hinunter, sodass sie mit dem Rücken an die Tür gelehnt saß.

"Jeder Teil des Universum dient meinem Zweck. Ich verschreibe mich der Dunkelheit, denn ich habe wahrhaftes Leben im Sterben des Lichts gefunden.
Frieden ist eine Lüge, es gibt bloß Leidenschaft. Durch Leidenschaft erlange ich Stärke. Mit Stärke erlange ich Macht. Durch Macht erlange ich den Sieg. Mit dem Sieg zerbrechen meine Ketten. Die Macht möge mich befreien."

Es war eine grausame Lehre. Lyn bezweifelte, dass sie je einverstanden mit dem sein könnte, was die Sith als ihre Moral verstanden - doch sie begriff, warum Cyris ihren Anker in den Lehren gefunden hatte, die Maul ihr beigebracht hatte. Es ging nicht um den Kodex als solchen, sondern um das Zuhause, das Cyris bei Befolgen der Regeln geboten bekommen hatte. Ein Pakt mit dem Teufel, wenn man so wollte.

Etwas in Cyris' Stimme veränderte sich. "Meister. Sagt mir, was ich falsch gemacht habe", flüsterte sie nun, zumindest glaubte Lyn das, denn ihre Stimme war so leise, dass sie sie kaum durch die Tür hindurch hören konnte. Der einzige Grund dafür war, dass die Söldnerin ihre Maske nicht trug - andernfalls hätte der Stimmverzerrer den Rest erledigt und das Gespräch vollkommen verschleiert.

"Cyris. Wenn du das hier hörst, heißt das, du hast überlebt. Nichts anderes habe ich von dir erwartet", ertönte nun eine andere, rauere Stimme. Maul, ging es ihr durch den Kopf. Ein eiskalter Schauer lief ihren Rücken hinab bei der Erinnerung an den Zabrak, der ihr seine blutrote Doppelklinge an die Kehle hielt. Es war nicht wie bei Cyris oder bei Savage, es hatte etwas anderes mitgeschwungen. Eine Finsternis weit ab von Gut und Böse.

Warum sprach Cyris mit Maul? Nein, von Gespräch konnte keine Rede sein. Es musste sich um eine Aufzeichnung handeln. Doch wie? Von wann?

"Du hast mich enttäuscht, meine junge Schülerin. Sich gegen mich zu wenden war unklug. Aber ich bin sicher, dass du das weißt, nicht wahr? Du warst schon immer eine kluge Schülerin.
Daher hoffe ich, dass du klug genug bist, mir nicht zu folgen. Wenn wir das nächste Mal aufeinandertreffen, werde ich keine Gnade walten lassen. Und wir wissen beide, wie das enden wird, nicht wahr, meine törichte, törichte Schülerin? Nimm dies also als deine letzte Lektion und lauf weg, so weit du kannst. Wenn ich zurückkehre, wird meine Rache dich auch im letzten Winkel dieser und jeder anderer Galaxis finden.

Kehr um, Cyris. Diese Koordinaten sind nicht für dich bestimmt. Ich habe dich gewarnt."

Ein leises Surren, das Lyn nicht zuordnen konnte, ertönte. Dann war es still, totenstill. Die Aufzeichnung musste nach Cyris' Verrat und vor dem Aufeinandertreffen gestern aufgenommen worden sein. Doch das war alles, was die Pilotin dem entnehmen konnte. Zudem wuchs ihr schlechtes Gewissen stetig. Sie hatte kein Recht, Cyris zu belauschen. Es war falsch und es würde sie nur in Schwierigkeiten bringen. Warum also blieb sie?

Vielleicht weil sie wissen musste, woher Mauls Nachricht stammte. Weil sie verstehen musste, wie Cyris' Plan aussah.

Vielleicht wegen all dem verrückten Zeug, dass in letzter Zeit geschehen war. Vielleicht weil sie schon etwas ahnte von dem, was noch kommen würde. Dass es noch nicht vorbei war. Maul würde nicht der letzte Schatten bleiben.

Leise erhob sie sich und schlich durch den schmalen Flur nach vorn ins Cockpit der Trust. Dort ließ sie sich im Schneidersitz auf dem Pilotensitz nieder. Von hier aus war es, als würde man direkt hinaus ins Universum sehen, als gäbe es keine mehrfach gesicherte Glaswand zwischen ihr und den Sternen. Der Anblick war beruhigend, beruhigender als gemurmelte Worte eines Kodex, der die Söldnerin im Zimmer nebenan zu dem gemacht hatte, was sie heute war. Vermutlich lag es daran, dass die Sterne schon immer ihre Heimat gewesen waren.

Damals auf Atterra Alpha hatte sie Pilotin in den Reihen der Republik werden wollen. Sie wollte schon immer kämpfen, selbst zu Zeiten des Friedens - und sie wollte fliegen. Mehr als alles andere.

Mit dem Gedanken, dass wenigstens einer ihrer Träume wahr geworden war, schlief sie zusammengerollt im Cockpit ein. Über ihr strahlten die Sterne.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 14 ⏰

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