Star Wars || Shadows

S01 E11: Schatten der Vergangenheit

Als Cyris die Höhle wieder verließ, stand das nackte Grauen in ihren Augen.

"Was ist geschehen?", empfing Lyn sie sofort. Im Stechschritt kam sie auf die Mirialanerin zu. "Hast du ihn gefunden?" Was hatte Cyris bloß gesehen?

Cyris nickte nur stumm, die Augen aufgerissen.

"Was zur Hölle ist da drin passiert?", Lyn wurde immer hektischer, "Hast du ihn getötet?" Hatte das Cyris so sehr traumatisiert? Der Tod ihres Meisters? Nein, für einen Kampf war das viel zu schnell vonstatten gegangen. Irgendetwas musste vorgefallen sein, irgendetwas, dass die blanke Panik rechtfertigte.

"Nein." Cyris Stimme war ein rauchiges Hauchen, beinahe stimmlos. "Aber ich habe ihn gesehen."
Das war anscheinend der Moment, in dem sie sich besann. Denn es war, als würde ein Elektroschock durch Cyris fahren. Sie sprang förmlich vorwärts, griff Lyns Handgelenk und zog sie mit sich Richtung Schiff. "Wir verschwinden hier", waren ihre einzigen Worte. Ihr Blick war stur in die Ferne gerichtet.

Lyn riss sich los. "Sag' mal, spinnst du?" Bei ihrer Wortwahl versteifte sich Cyris augenblicklich. Unwohl trat sie von einem Fuß auf den anderen. Lyn hatte sie beim besten Willen noch nie so unsicher gesehen. Doch sie ließ sich nicht davon abbringen, der Söldnerin die Meinung zu geigen.
"Ich habe uns nicht durch verdammte Asteroidenfelder manövriert, mit Hexen verhandelt, mein Schiff verloren und ein Podrennen geflogen, bei dem ich fast gestorben wäre, damit du jetzt so mir nichts-dir nichts verschwindest!"

Cyris starrte sie entgeistert an. "Ich gehe da nicht wieder rein."

Nun war es Lyn, die die andere packte. "Dann ist deine Schuld, wenn du nie deinen Frieden finden wirst."

"Es gibt keinen Frieden", murmelte Cyris. Sie rezitierte die Worte wie eine Formel oder ein Gebet, die ihr Kraft gaben. "Es gibt nur Leidenschaft."

"Und deine Leidenschaft ist es neuerdings, aufzugeben?"

Cyris hob den Kopf. Ihre Augen waren glasig und bedeckt von einem unbeschreiblichen Schatten. Doch sie hatten ein wenig von ihrem goldgelben, zornigen Funken zurückgewonnen. "Nein."

"Dann werde ich mir jetzt anschauen, was da drin ist." Mit diesen Worten lief sie los, in die Dunkelheit hinein. Hinter ihr hörte sie Cyris rufen, doch sie lief einfach weiter. Etwas sagte ihr, dass sie hier goldrichtig war - dass sie jetzt hier sein musste. Ein verräterischer Schauer jagte über ihre Haut, ein Flüstern lag in der Luft. An etwas erinnerte es sie, der Hauch des Unnatürlichen.

Dathomir. Es fiel ihr siedend heiß ein. Dathomir hatte genau dasselbe Gefühl an sich. Augenblicklich beschleunigten sich ihre Schritte - wo sie hinlief, wusste sie nicht. Doch sie wusste, dass sie ihr Ziel erreicht hatte, als sie das Höhlensystem verließ und grüner Nebel ihr entgegenwaberte. Hinter ihr klackerten Cyris' energische Schritte auf dem steinernen Höhlenboden.

Eine Gestalt tat sich im Nebel auf. Lyn kniff die Augen zusammen, versuchte die Silhouette auszumachen. Im nächsten Moment durchschnitt ein Surren die Luft und eine rote Klinge ragte vor ihr auf, so nah an ihrem Hals, dass sie die Hitze spürte. Sie verharrte gezwungenermaßen an Ort und Stelle, doch sie weigerte sich, ihre Furcht sichtbar zu machen. Sie war in den letzten Wochen zu oft dem Tod von der Schippe gesprungen.

"Keine Bewegung", murmelte eine dunkle Stimme. Jemand stand neben ihr, doch die verschwommene Silhouette schob sich weiterhin durch den Rauch und kam schließlich vor ihr zum Stehen. Erst waren es die glühend gelben Augen, die auftauchten, dann die grauen Hörner, die aus seinem Kopf ragten und schließlich das Gesicht. Rote Haut, versehen mit schwarzen Tätowierungen und schließlich metallene Beine, die mehr an Klauen erinnerten.

"Maul", hauchte sie. Das war Cyris' früherer Meister. Sie hatten dieselbe Ausstrahlung, eine ähnliche Machtpräsenz.

"Wen haben wir hier?" Eine weitere Stimme kam hinzu, rau wie Stein, als wäre sie jahrelang nicht genutzt worden. "Du kommst mir bekannt vor. Sag, was führt dich her, Fremde?"

Sie setzte zu einer Antwort an, doch sie wurde unterbrochen von einer dritten Person: Cyris. "Sie gehört zu mir." Die Söldnerin hatte sich Zeit gelassen, doch nun war ihr Tonfall beinahe gleichgültg. Sie hatte die Maske der eiskalten Killerin wieder aufgesetzt, als sei nie etwas gewesen.

Maul drehte den Kopf mit einer Seelenruhe, wie Lyn sie in dieser Situation gern ebenfalls gehabt hätte. Doch sein Blick war funkelnd vor Zorn, als er Cyris fixierte, welche direkt hinter Lyn stand. "Meine verräterische Schülerin. Du bist töricht, hier zu erscheinen. Du bist mir nicht gewachsen."

Ein undefinierbarer Audruck jagte über Cyris' Gesichtszüge, ehe sich die Lippen zu einem sogar durch die Maske hindurch sichtbaren, grausamen Lächeln verzogen. "Ich habe Euch schon einmal besiegt, Meister", sie spuckte den Titel förmlich aus. "Es ist an der Zeit, zuende zu bringen, was ich begonnen habe."

Lyn fühlte sich äußerst unwohl, wie sie hier stand, eingekeilt zwischen Meister und Schülerin, dank dem Lichtschwert an ihrem Hals nicht in der Lage, sich zu bewegen.

Maul tat ihr jedoch keinen Gefallen, als er sich an ihr vorbei bewegte, wodurch sich das gesamte Geschehen nun hinter ihrem Rücken abspielte. "Du hast mich durch einen Zufall besiegt, nicht durch dein Können oder deine Intelligenz. Vielleicht habe ich dich unterschätzt."

Das abfällige Schnauben, das Cyris ertönen ließ, konnte ihren verletzten Stolz nicht überspielen. Im nächsten Moment flog ein dunkler Schatten über sie hinweg, dann zischten zwei rote Blitze durch die Luft. Maul wich geschickt aus, eine Hand hinter dem Rücken, als wäre es nur ein Spiel für ihn, während Cyris mit beiden Lichtschwertklingen auf ihn einhieb.

Maul streckte in einem Bruchteil eines Moments die Hand aus. Die Doppelklinge aus der Hand desjenigen, der bisher Lyn bedroht hatte, flog in die von Maul. Lyn wollte losrennen, jetzt, wo sie keinen mehrere Tausend Grad heißen Laserstrahl an der Kehle hatte, doch ein unmenschlich fester Griff um ihre Schulter drückte sie an Ort und Stelle.

"Du bleibst hier", erklang die dunkle Stimme erneut. Sie versuchte, sich loszureißen, doch es war schnell klar, dass jeder Versuch vergebens war. Viel mehr sorgte sie sich um Cyris - der Kampf, in den sie sich selbst verwickelt hatte, schien sich nicht zu ihren Gunsten zu entwickeln.

Sie blockte, wich aus, wechselte mitten in einem Schlagabtausch den Stil von schnellen Schlägen zu akrobatischen Manövern und umgekehrt. Doch trotz dieser Leichtigkeit hatte sie kaum eine Chance, Maul sah jeden Schritt voraus. Es war ihr Glück, dass es nicht in seinem Interesse zu sein schien, sie zu töten, wie Lyn zu erkennen glaubte.

Cyris ließ sich jedoch nicht unterkriegen. Während ihr Meister langsam an Kraft zu verlieren schien, wurde sie schneller und verbissener. Jedes Anzeichen eines Fehltritts, das sich abzeichnete, schien die Mirialanerin etwas näher an ihr Ziel zu bringen. Mit einem schnellen Schlag entwaffnete sie Maul, die rote Doppelklinge erlosch und schlitterte über den steinigen Boden.

"Jetzt werdet Ihr bezahlen, Meister." Ihre Stimme war ruhig, zu ruhig für die Situation. Vielleicht ahnte sie, dass das noch nicht das Ende war. Denn ihr ehemaliger Meister war noch nicht besiegt. Ein abfälliges Schnauben ertönte.

Augenblicklich ertönte ein surrendes Zischen, die rote Klinge flog aktiviert durch die Luft und streifte Cyris' Wange, wo sie eine schmale Verbrennung hinterließ. Die Söldnerin zuckte nicht einmal, sie sah Maul einfach nur an.

"Cyris, du bist nicht stark genug, um mich in einem Kampf zu besiegen. Gib' auf und ich lasse dich und deine kleine Freundin ziehen." Das Angebot klang weniger wie ein Angebot als eine Drohung.

Lyn hätte klüger sein müssen. Doch statt nachzudenken, mischte sie sich ein. "Sie ist nicht meine Freundin", presste sie zwischen wütend zusammengepressten Zähnen hervor.
Maul drehte den Kopf skeptisch schiefgelegt zu ihr, als fragte er sich, wer es wagte, ihm zu widersprechen.

"Du." Der Zabrak sah nun direkt Lyn an, seine Aufmerksamkeit war von Cyris abgeschweift. Für einige Augenblicke herrschte eine ahnungsvolle Totenstille. "Ich erinnere mich an dich. Du bist das Mädchen von Atterra-Alpha."

Lyns Herz sackte förmlich zu Boden.