Durch den heftigen Sturm, der draußen wütete und die eisige Kälte, die ich bis tief in meine Knochen spüren konnte, hatte ich diese Nacht fast kein Auge zubekommen und nur durch die wärmende Umarmung meines Bruders hatte ich nicht den Kältetod gefunden. Durch das Feuer war die Höhle zwar etwas wärmer gewesen, aber da ich meine durchnässten Sachen ausziehen musste blieb mir nur mehr meine dünne Alltags Kleidung, die für die momentanen Wetterbegebenheiten doch viel zu kalt waren. Als ich meinen dröhnenden Kopf hob, konnte ich sehen, dass wir alle ganz eng beieinander geschlafen hatten, um von der Körperwärme des jeweils anderen zu profitieren.
Obwohl wir alle erschöpft und müde waren, blieb uns nichts anderes übrig, als uns zusammenzuraffen, unsere Sachen zu packen und weiter Richtung Westen zu reiten. Hier zu bleiben in der Höhle wäre ein fataler Fehler gewesen, denn bei diesem Schneefall wäre die Höhle bis zum Abendrot zugeschneit gewesen und es wäre unmöglich gewesen sie wieder zu verlassen. So blieb uns wirklich nichts anderes übrig als uns mit steifen Gliedern auf unsere Pferde zu schwingen und wieder zurück auf unseren Weg zu kommen, von dem wir abweichen mussten, um überhaupt einen Unterschlupf zu finden.
Vivienne unsere Kartenleserin ritt mit meinem Bruder voraus und wir anderen versuchten ihnen durch das Schneegestöber zu folgen. Wir hatten noch gestern Abend versucht herauszufinden in welche Richtung die Männer geflohen sein könnten, es hatte uns sehr viel Konzentration und Streitereien gekostet, um auf den Entschluss zu kommen, dass es besser wäre ihnen nicht hinterher zu reiten, sondern zu versuchen sie auf ihren Weg abzufangen. Es gäbe natürlich mehrere Möglichkeiten, wie sie mit den Schätzen hätten flüchten können, aber durch eben diese Schätze wäre es viel zu schwer und zeitraubend einen Berg oder eine Schlucht zu überqueren und somit blieb ihnen nur mehr die Flucht durch den Schützen-Pass.
Was durchaus eine kluge Entscheidung von ihnen wäre, da der König sicher nicht auf die Idee käme, dass sie versuchen würden durch einen von seinen ehemaligen Stützpunkten zu fliehen vor allem weil man ziemlich bescheuert sein muss, um überhaupt auf die Idee zu kommen den König derartig zu provozieren, dass er dank dieser flucht den Schützen-Pass vielleicht wieder aktiv machen könnte. Jedes Kind kennt seine Geschichten mit den zahlreichen Kriegen, die dort ausgetragen wurden, denn die Gegner hatten nie eine Chance auch nur in die Nähe zu kommen, da sie sofort mit Pfeilen durchbohrt wurden. Man sagt, es gibt dort einen Berg, der ganz alleine aus den Knochen der gefallenen Soldaten bestehe, doch meiner Meinung nach ist das nur eine Geschichte, um uns Kinder ja von dort fernzuhalten. Allein der Gedanken daran sich ihm zu nähern, jagte mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter und ich versuchte mich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
In einer halben Stunde Entfernung konnte ich gerade noch so einen äußerst dichten Wald erkennen, der uns ziemlich wahrscheinlich das Leben retten wird, da nicht einmal dieser heftige Schneesturm sich durch diese verwinkelten Baumgipfel hindurchschleichen kann. Vivienne und mein Bruder hatten diese eng beieinanderstehenden Bäume anscheinend auch gesehen, denn sie legten etwas an Tempo zu, um möglichst schnell aus dieser weißen Todeszone zu verschwinden, denn laut den Prognosen der Landsleute soll es mit dem diesjährigen Winter erst angefangen haben und das ist die Tatsache, die mir wirklich Angst einjagt und uns alle dazu anspornt schneller zu handeln.
Ich zählte die Minuten, bis wir endlich die Waldgrenze erreicht hatten und man seine Hand wieder vor seinem Gesicht sehen konnte, ohne der Gefahr auszulaufen dutzende Schneeflocken dabei in die Augen zu bekommen. Ich zog meinen Mundschutz etwas herunter und schaute, wie es den anderen so ging und wer in meinem unmittelbaren Umfeld ritt. Erst jetzt wo ich genauer darauf achtete, merkte ich, dass Liam mir auf Schritt und Tritt folgte und mein Tempo gut mithielt, um fast neben mir reiten zu können, als er meinen Blick bemerkte, holte er auch die letzten zwei Meter auf und war nun direkt neben mir. Ich schenkte ihm ein breites Lächeln und meinte: "Hättest du mir vor einer Woche gesagt, dass du in diese ganze Mission irgendwie eingeweiht bist oder auch nur eine Ahnung davon hast, hätte ich dir nicht geglaubt und jetzt reitest du auch noch mit uns mit!" Meine Worte verursachten bei ihm eine nachdenkliche Miene und er antwortete: "Ich auch nicht wirklich, aber ich wüsste keinen Ort, wo ich jetzt lieber wäre als hier mit dir." Bei diesen Worten spürte ich wie mir die Röte ins Gesicht schoss, was man wahrscheinlich nicht wirklich merken würde, da meine Hände und vermutlich auch mein Gesicht durch die Kälte ohnehin schon ganz rot waren.
Ich versuchte angestrengt Worte zu finden, mit denen ich erwidern könnte, dass ich ebenfalls erfreut sei, dass gerade er hier ist und nicht einer der dutzend anderen Haushaltshilfen, doch wir blieben auf einmal so abrupt stehen, dass ich sämtliche Antwortmöglichkeiten vergaß. Ich schaffte es gerade noch so anzuhalten, bevor ich in die Stute von Chamil reingeknallt wäre. Verwirrt versuchte ich den Grund zu finden, warum wir so plötzlich stehen geblieben waren, doch nun sah ich auch den Rauch, der aus dem Wald aufstieg und man somit auf zwei Dinge schließen konnte, entweder der Wald hatte zu brennen begonnen oder jemand hatte ein Feuer gelegt. Da es ziemlich offensichtlich war, dass aufgrund der aktuellen Jahreszeit eher kein Feuer in einem Wald ausbrechen würde und vor allem nicht in Denavour blieb nur noch zweiteres übrig.
Und somit war Vorsicht geboten, denn wer auch immer dort sein Lager aufgeschlagen hatte rechnete wohl nicht mit unserem Besuch.
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Forced to Love
Fantasy-pausiert- Ranya ist ein Bauernmädchen und lebt mit ihrer Familie in einem heruntergekommenen Haus. Das ganze Volk ist arm und leidet unter der Regierung des Königs. Eines Tages kommen Soldaten in das kleine Dorf und nehmen von einigen Familien eine...