Liam war mittlerweile bewusstlos, doch sein Atem ging wieder regelmäßiger als zuvor, verzweifelt blickte ich zu Liara, die mich sofort tröstend in den Arm nahm. Medelaine half meinen Zwilling Elian Liam auf eines der Pferde hochzuhieven. Wir anderen versuchten in dieser Zeit so schnell wie möglich alles Brauchbare von dem verwüsteten Lager mitzunehmen. In unserer Eile stürmte ich von einem zum nächsten Zelt, bis ich auf ein fast leeres stieß, in dessen Mitte ein Tisch mit einer ausgerollten Karte lag.
Überall verstreut lagen ein paar Briefe, Liara die hinter mir stand, nahm einen von ihnen in die Hand und darauf noch ein paar andere und laß sie alle innerhalb von wenigen Sekunden durch. Währenddessen versuchte ich herauszufinden, wo wir uns wohl gerade auf dieser Karte befanden. Die Umrisse der Flüsse und der Dörfer kamen mir bekannt vor und in etwa einer zwei Tages reise entfernt wurde eine Stelle mit einem roten x markiert.
Ich runzelte die Stirn, doch noch bevor ich meinen Mund aufmachen konnte, um meine Frage auszusprechen, beantwortete sie Liara schon "Das waren unsere Barbaren, aber so wie es aussieht nur die Hälfte der Diebe und auch die Schätze des Königs werden wir in diesem Lager nicht finden, denn sie haben sich auf der Hälfte des Weges aufgeteilt, um die Beute die wir suchen, zu der Markierung auf dieser Karte zu bringen" mit ihrem Finger deutete sie genau auf die Stelle, die ich mir gerade angesehen hatte. Ich schnappte mir die Karte und auch ein paar andere hilfreiche Sachen und überreichte den Plan Vivienne.
Natalie kam mit Kalie von der Durchsuchungstour zurück und sie bestätigten, dass wir uns auf den Weg zu unserem neuen Ziel machen können. Mithilfe der Pferde von den nun verstorbenen Barbaren konnten wir das neue Gepäck mit uns transportieren und einen weitern Unterschlupf finden. Trotz des gewonnenen Gefechts schwand bei uns allen die Kraft und unsere größte Sorge galt Liam, der aus seinem Koma noch immer nicht erwacht war. Aus vielen verschiedenen Büchern wusste ich, dass wenn wir nicht bald einen warmen Ort für ihn finden würden, wo er sich etwas ausruhen konnte und wieder zu Bewusstsein kommt, er sehr wahrscheinlich den Tod finden würde. Für einen Koma-Patienten fehlten uns hier nämlich die Mittel und die Zeit. Wir rafften uns alle mit unseren neuen Wunden und blauen Flecken auf unsere Pferde und ritten immer weiter Richtung Nord-West, immer weiter weg von zu Hause.
Vivienne führte uns so lange wie möglich an dem schützenden Waldrand entlang zumindest bis der Schneefall etwas nachgelassen hatte und wir wieder mehr Sicht auf die Ferne hatten. Die Zeit drängte einen Unterschlupf zu finden, ohne eine Pause und etwas Schlaf hatten wir sowieso keine Chance gegen die Wachen, die den Schatz des Königs bewachten und vermutlich alle in top Form waren. Kalie hatte berichtet, dass bei dem roten x angeblich einer der Tempel der verschollen geglaubten wilden Berserker sei, also derjenigen, die noch an die Magie glaubten. Wobei der zweite Teil der Geschichte womöglich der ist, der von vielen Dorfbewohnern erfunden worden war, um sich das Leben leichter zu machen und nicht in der Angst leben zu müssen, etwas an ihrem langweiligen Dasein könnte sich ändern.
Die geplünderte Schatzkammer des Königs lag weit oben auf einen der vielen Berge, wenigstens blieb uns das erspart, denn mit unserem neuen Ziel vor Augen konnten wir diesen gefährlichen Kletteraufstieg umgehen und uns im Tal wie gehabt weiter Vorwärtskämpfen. Wenn hier unten schon so der Winter tobte, wollte ich erst gar nicht wissen, wie es dort oben am Gipfel so aussah...
Vorsichtig strich ich mit meiner in einem Handschuh verpackten Hand etwas Schnee und Eis von der Rinde eines Baumes herunter, um zu sehen, auf welcher Seite das darunter liegende Moos wächst. Die bewachsene Seite zeigte in unsere Gegenrichtung, was bedeutete, dass wir noch immer Richtung Nord-West unterwegs waren. Vivienne betrachtete meine Tat mit einem spöttischen Grinsen und meinte "du denkst doch nicht wirklich, dass ich uns hier in der Gegend herumführe, ohne auch nur irgendeinen Plan zu haben, oder?" Vorlaut wie immer antwortete ich: "Wie konnte es mir nur in den Sinn kommen, dass du uns in die falsche Richtung weisen könntest" bei diesen Worten hielt ich mich spielerisch schockiert eine Hand aufs Herz.
Dabei fing Vivienne so stark an zu lachen, dass sie einen der niedriger hängenden Äste übersah und eine volle Ladung Schnee mitten in ihrem Gesicht und auf ihrem Schoß landete. Jetzt war ich diejenige, die losprustete, doch auch mir verging das sehr schnell, denn sie schleuderte mir einen Schneeball mitten ins Gesicht. Noch bevor dies in eine riesige Schneeballschlacht ausarten konnte, stellte sich Liara dazwischen und funkelte uns beide böse an. Mit einem beleidigten Blick in Richtung Liara flüsterte ich Vivienne zu "dann verschieben wir unsere Schlacht eben auf später."
Die Sonne tauchte bei ihrem Untergang den gesamten Wald in eine goldene Landschaft. Es sah einfach nur atemberaubend aus, wie der Schnee rund um uns herum golden glitzerte. Der Himmel färbte sich über uns auch rosa und es würde in etwa einer Stunde die Nacht eintreten. In dem ganzen Glitzern und Funkeln des Schnees hätte ich fast das reflektierende Licht eines Fensters übersehen. Ich zeigte mit meinem Finger in die Richtung und rief so laut, dass es gerade so alle hören konnten "Seht doch mal dort!"
Elias ritt voraus, um zu sehen, was dort war und wir anderen warteten vorerst hier auf ihn. Schon wenige Augenblicke später kehrte er mit einem strahlenden Gesicht zurück und spornte uns an, etwas schneller zu reiten. Schon nach zwei Minuten konnte ich auch sehen, warum er so lächelte. Vor uns stand eine riesige, verlassene und etwas kaputte Kirche. Das war genau die Rettung, die wir gebraucht hatten.
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Forced to Love
Fantasía-pausiert- Ranya ist ein Bauernmädchen und lebt mit ihrer Familie in einem heruntergekommenen Haus. Das ganze Volk ist arm und leidet unter der Regierung des Königs. Eines Tages kommen Soldaten in das kleine Dorf und nehmen von einigen Familien eine...