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Die Lage spitzte sich immer weiter zu. Mir war fast dauerschwindelig, ich aß nur allerhöchstens 300kcal, ich zitterte und war so schlapp wie lange nicht mehr. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Alles war zu anstrengend. Denken viel zunehmend schwerer, aber ich durfte sowieso nicht zur Schule gehen. Ich schlief viel, aber sehr unruhig. Ich träumte von dünnen Mädchen, von hungern und wiegen, von Lebensmitteln und dem Tod. Ich hatte seit neustem einen Coach, seine Worte ließen mich einfach nicht mehr los. Er wollte ein Bild haben und beschimpfte mich danach. Wie fett meine Oberschenkel waren, wie schlimm ich nur aussah. Das kratzte ordentlich an mir. Ich war sowieso schon so verunsichert und das gab mir den Rest. Der Hunger war kaum auszuhalten. Mein Kopf tat weh. Verzweifelt saß ich in meinem Bett und überlegte was ich da tat. Ich brachte mich Stückchenweise selber um. Wenn ich nicht wieder aß hielt ich das nicht mehr lange aus. Ich konnte mich nicht nur von Kaffee und Mandarinen ernähren, das reichte nicht. Es ging mir wirklich sehr sehr schlecht und das wünschte ich echt keinem. Wie hielten andere das nur aus? Oder gaben andere das einfach nicht so preis wie ich? Vielleicht lag mein Fehler auch in der Zeit. Viele hungerten sich in kurzer Zeit sehr runter, ich hungerte phasenweise seit 6 Jahren. Mein Körper war vorgeschädigt. Ich war furchtbar müde, dabei schlief ich doch so viel... ich hatte das Gefühl, dass mein Körper das nicht mehr lange mit machte. Ich war auf dem besten Weg mich umzubringen. Aber mir war alles egal. Ich wollte einfach nur dünn sein, dafür setzte ich sogar mein Leben aufs Spiel. Die pro ana Gruppe war zufrieden, sie lobten mich für meinen „Erfolg". Toxisch. Einfach nur toxisch. Ich wusste das, aber ich konnte trotzdem nicht davon ablassen. In meinem Kopf liefen immer wieder die gleichen Gedanken ab. Erinnerungen zogen in Bildern an mir vorbei. Die Sonde, das Krankenhaus, die dünnen Mädchen, Mama, Oma, essen. Und wieder von vorne. Erschöpft lehnte ich den Kopf gegen die Wand. Meine Wirbelsäule tat weh von der harten Wand. Wie lange musste ich noch durchhalten? Wann war diese Hölle denn vorbei? Im Radio sprachen sie über eine impfpflicht. Und wenn man die Öffis benutzen wollte, musste man negativ getestet sein. Ungeimpfte durften nur noch das nötigste besorgen und ansonsten bestmöglich das Haus nicht mehr verlassen. Ich hatte da keine richtige Meinung zu. Mir war alles zu anstrengend. Als ich an die Visite dachte begann mein Herz zu schlagen als wolle es meine Knochen brechen. Panik konnte ich grade gar nicht gebrauchen. Mir ging es doch schon schlecht genug.... Der Mond stand schlecht, er ließ mich nachts kaum schlafen. Ich sah mittlerweile auch wieder wie eins der mondmädchen aus. Bleich, schmal und mit Augenringen. Noch eine halbe Stunde, dann musste ich essen und die Visite begann. Ich war relativ am Anfang dran. Ich hatte Angst. Sicherlich würde es Ärger geben. Für jemanden wie mich hatten sie hier keinen Platz, wenn ich mich weiter gegen die Behandlung stellen würde. Anti alles.

Die Visite lief deutlich besser als gedacht. Ich bekam keinen Ärger und hatte das Glück, dass der Chefarzt da war, der sehr nett war. Er fragte ob ich wüsste weshalb es mit dem Essen so schlecht lief. Ich verneinte und fragte nach dem Wochenende. Er bejahte meine Frage und meinte ich könne nach Hause wenn ich das denn wollte. Selbstverständlich wollte ich. Er machte von sich aus den Vorschlag, ich könne als Motivation ja in den Stall gehen. Das kam alles sehr überraschend. Erstens hatte ich keinen Ärger bekommen und zweitens durfte ich sowohl nach Hause als auch in den Stall?? Das waren ja ganz neue Töne... meine Therapeutin schaltete sich ein und verbat nochmal ausdrücklich das arbeiten im Stall oder das joggen. Allerdings dürfte ich nur nach Hause gehen wenn meine mum symptomfrei sei. Ich rief sie an und berichtete von der Visite. Sie war Symptomfrei! Sie erzählte mir von einem Gespräch mit meiner Klassenleherin welches wohl sehr gut lief. Sie hatte volles Verständnis und wünschte mir alles gute und viel Kraft. Ich fand es gar nicht gut das sie so viel Bescheid wusste aber es ließ sich nicht vermeiden. Immerhin hatte ich jetzt die Bücher und neues Arbeitsmaterial. Nach dem Telefonat spielte ich noch mit einigen skjyo und dann gab es auch schon Mittagessen.

Beim Mittagessen war ich endlich wieder etwas motivierter, weil ich an den Stall dachte. Nach dem langen hungern passte allerdings nicht viel in meinen Magen und ich es nach einem Viertel Mittagessen schon satt. Aber es fühlte sich schon fast gut an satt zu sein. Das Zittern hörte auf, vermutlich war ich einfach nur mega unterzuckert gewesen. Die Schlappheit wurde auch ein kleines bisschen besser. Ich hatte den Auftrag bekommen mir Gedanken darüber zu machen weshalb ich gerne auf die Jugendstation 2(anorexie Station) verlegt werden wollte. Ich setzte mich also hin und fing an zu schreiben.

Als ich fertig mit schreiben war ging ich duschen. Ich freute mich sehr auf den darauffolgenden Tag und die Zeit verging einfach nicht schnell genug. Das warme Wasser tat gut, aber das lange stehen war doch sehr anstrengend. Die Energie des Mittagessens war schnell verbraucht und mein Zustand verschlechterte sich wieder. Ich legte mich also nochmal kurz hin, fand aber irgendwie keinen Schlaf. Seufzend ging ich zu den anderen in den Gruppenraum und spielte einige Runden skyjo mit. Das wurde allerdings schnell zu anstrengend und ich verzog mich wieder in mein Zimmer. Erschöpft ließ ich mich aufs Bett fallen und viel in einen unruhigen Halbschlaf. Immer wieder kam ein PED herein und schaute nach dem rechten. Sie schienen sich mittlerweile ebenfalls sorgen zu machen. Da waren sie nicht alleine, mir machte mein Zustand auch sorgen. Der Tag neigte sich allerdings endlich immer mehr dem Ende zu und die nächste Mahlzeit stand an. Mir machten Lebensmittel zu Zeit große angst, also überlegte ich bereits im Voraus was ich essen könnte. Ich dachte über einen Joghurt nach, oder aber ein Toast. Müde machte ich mich auf zur Küche.

Nie gut genug Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt