[prologue] Tokyo Tokyo

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„V/N, soll ich dir bei irgendwas helfen?" Kuroo Tetsurou steckte den Kopf durch meine halboffene Zimmertür, als er mich fluchen hörte. Es war nicht das erste Mal an diesem Tag, aber definitiv war es das lauteste Mal.

Kein Wunder, denn wer würde nicht mit einem „Ah, scheiße!" aufschreien, wenn ihm das Buch ausgerechnet mit der harten Ecke auf dem Fuß fiel?

Ich drehte mich mit schmerzgeplagtem Gesicht zu meinem besten Freund herum und lächelte unter einer Grimasse gequält. „Ist lieb, aber danke dir!", rieb ich mir den Spann meines linken Fußes und richtete mich tapfer wieder auf. „Du hast schon genug getan! Du musst nachher noch arbeiten!"

„Bist du sicher?" Seine Augenbrauen schoben sich fragend nach oben. Vor allem, als er seinen Blick über das Chaos schweifen ließ, welches aus den zig Kisten im Raum bestand: Mal geöffnet, mal geschlossen. Der Inhalt entweder schon an seinen Platz geräumt oder einfach irgendwo auf den Boden platziert. Wo eben Platz war. Mein Bett ein Durcheinander an Klamottensäcken und anderem Kram.

„Ja, ganz sicher", atmete ich aus und humpelte zu ihm. „Irgendwann ist auch mal gut. Also raus! Hopp, hopp!", schob ich ihn an den Schultern wieder rückwärts auf den Flur.

„Okay, okay. Hab verstanden!", grinste mich Tetsu, wenn auch sein Blick ein bisschen von Mitleid zeugte. „Ich geh uns ja schon die Miete verdienen!"

Ihm die Zunge auf diesen frechen Kommentar rausstreckend, wandte er sich allerdings nur lachend auf dem Absatz um und machte sich vom Acker.

Mit einem kleinen Seufzen zog ich meine Tür wieder zu und blickte missmutig auf den Berg Arbeit, der mich noch erwartete. ... Eine kleine Pause wäre doch jetzt drin, oder?

Ich ging zu dem weißen Schreibtisch, welchen ich bereits aufgebaut hatte, und hob ein paar vom Haufen gerutschte Notizhefte und Blöcke an. Wo konnte denn... Ah, da war es ja! Mein Handy greifend, holte ich es aus dem Standby zurück ins Leben und musste augenblicklich lächeln: das Hintergrundbild mit den Jungs der Aoba Jousai an unserem letzten Schultag. Sie hatten mich einfach hochgehoben und auf Händen getragen. Wortwörtlich.

Meine Pin über die angezeigte Tastatur eingebend, um zu entsperren, wandelte sich der Sperr- zu meinem Homebildschirm. Diesmal waren nur mein Freund und ich abgebildet. Auf der langen roten Übergangsbrücke bei Matsushima. Das Meer in unserem Rücken. Über uns der schöne azurblaue Himmel. Unsere beiden glücklich lächelnden Gesichter.

Wann immer ich dieses Foto betrachtete, wurde mir warm ums Herz, aber gleichzeitig fühlte ich mich auch ein Stück schwermütig. Ein Moment, in dem ich spürte, dass mir die Augen feucht wruden.

Es kam mir zwar wie gestern vor, doch die Zeit, in der wir solche Ausflüge hatten unternehmen können, war erst einmal vorbei. Ganz gleich, wie sehr ich mich auf die Zukunft, auf mein Studium und das Leben hier in Tokyo freute – wieder zurück zu sein – vermisste ich meinen Lieblingsmenschen an meiner Seite.

Es nervte mich selbst, wie sich mein Herz zusammenzog und so in seiner ganz eigenen Sprache nach Tooru schrie.

Ich blickte auf die Zeitanzeige. In Argentinien war es jetzt vier Uhr morgens... Er würde ganz sicher noch schlafen.

V/N, 17:34 Uhr
Tooru~ guten Morgen! <3
Wir haben endlich alles reingebracht...
Ich bin am Kisten auspacken.
Guck mal, was ich gefunden habe!

Ich schickte ihm ein Bild im Anhang, das ich vor einer Stunde geschossen und abgespeichert hatte: der kleine Sanrio-Teddy, eines der Accessoires, die wir bei unseren Besuchen in den Game Centern gewonnen hatten. Den er für mich gewonnen hatte.

So wie wir waren (OikawaxReader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt