Miyagi. Sendai. Dreihundertachtundsechzig Kilometer.
Die Entfernung zwischen der Hauptstadt Japans und dieser kleineren kam mir weitaus geringer vor. Die Zeit schien schneller als bei den bisherigen Malen zu vergehen, während ich gedankenverloren aus dem Zugfenster sah und die Vorortschaften an mir vorbeiziehen ließ.
„In wenigen Minuten erreichen wie Sendai. In wenigen Minuten erreichen wir Sendai. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und bedanken uns, dass Sie den Nozomi-Shinkansen der JR Tohoku Line genutzt haben. Auf Wiedersehen!"
Heute war ich nicht so mies und unglücklich gestimmt wie an dem Tag meines Umzugs, gegen den ich mich so gewehrt hatte. Trotz aller Bedenken und Befürchtungen, hatte mir Sendai letzten Endes viele wunderschöne Momente gebracht: Ich hatte neue Freunde gefunden, die Leidenschaft zu Volleyball wiedergefunden, die Liebe angetroffen und hatte durch andere erfahren dürfen, was eine funktionelle Familie und bedingungslose Elternliebe bedeuteten...
Ich nahm mein Gepäck in die Hand, hatte nur einen kleinen Trolley und meinen Rucksack dabei. Der Zug kam langsam in den Bahnhof gerollt und zum Stehen. Ich schloss mich weiteren Fahrgästen an und ging zur Tür, die sich daraufhin automatisch aufschob.
Sofort fiel mir wieder auf, wie anders die Luft hier war. So viel frischer, obwohl Tokyo selbst direkt am Wasser lag.
Ich tätigte einen tiefen Zug, als ich auf den Bahnsteig trat, und setzte mich in Bewegung, um zu der lokalen Senseki-Tohoku-Bahnlinie zu gelangen. Ich wollte direkt zu meinen Großeltern. Diese wohnten vom Stadtzentrum etwas weiter weg im nördlichen Osten nahe der Bucht, und noch näher des Schreins von Shiogama.
Die Fahrt dauerte nur fünfzehn Minuten, kaum Zeit, um überhaupt entspannt zu sitzen, so dass ich stehenblieb und mich an den oberen Griffringen festhielt.
Mein Herz begann aufgeregt zu schlagen, als ich überlegte, wann ich sie das letzte Mal gesehen hatte? Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, dass ich mich besser um sie kümmerte, mehr Zeit mit ihnen verbrachte, aber die Angst, dort ungewollt auf meine Mutter zu stoßen, nachdem ich von zu Hause abgehauen bin, hatte mir dies über das letzte halbe Jahr verdorben... Ja, ich war ein Schisser!
Seit dem Gespräch mit Tetsurou, als wir meinen Vater besucht hatten, ist mir bewusst geworden, dass ich andere nicht bestrafen sollte, nur weil ich nicht mit einer Person klarkam. Mochte sein, dass es im Falle des Falles ein seltsames Aufeinandertreffen wäre. Mochte sein, dass ich vielleicht dennoch gehen würde, weil mir das letzte Treffen mit meiner Mutter immer noch schwer im Magen lag, aber meine Großeltern vermissten mich so wie ich sie!
Als Kind bin ich so oft bei ihnen gewesen! Sie hatten mir eine schöne Zeit geschenkt – vermutlich die schönste meiner Kindheit – und es wäre einfach nur undankbar, sie aus meinem Leben auszuschließen und zu ignorieren, weil ihre Tochter zufälligerweise ebenfalls bei ihnen wäre.
Ausschließen... Das, was ich mit Tooru getan hatte. Die Schuldgefühle ihm gegenüber wurden von Tag zu Tag größer. Wegen des Schweigens. Wegen meiner Unsicherheit im Herzen. Und ich wusste nicht, wie ich Letztere wieder verlieren könnte. Wie ich Toorus Vertrauen zurückgewinnen könnte, ohne mich ein weiteres Mal selbst zu belügen.
Ich stieg schließlich an der Hon-Shiogama Station aus und beschloss, den Rest des Weges zu laufen. Ich verzichtete auf ein Taxi, denn schließlich kostete es nur unnötig Geld. Außerdem könnte ich die Umgebung genießen, in welcher ich mich so lange nicht mehr befunden hatte, nicht?
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So wie wir waren (OikawaxReader)
RomanceEin halbes und aufregendes Jahr an der Aoba Jousai Oberschule liegt hinter dir. Viele Tränen sind geflossen, viele Tage hast du gelacht und dabei vor allem einen Menschen in dein Herz gelassen: Oikawa Tooru. Doch deinen Freund zieht es nach Argentin...