[20] Waffenstillstand?

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Ich erwiderte nichts, trat einfach nur stumm zur Seite, behielt aber weiterhin Blickkontakt mit ihr. Sie tat dasselbe, kam mit einem „Shitsurei-shimasu" durch die Tür und wandte daraufhin ihre Augen von mir ab.

Meine Hand am Türknauf verkrampfte sich unweigerlich. Kein Wort. Keine Begrüßung. Sofort war wieder sämtliche Spannung da. Ihre Gleichgültigkeit, die mich mehr traf als ihre Wut auf die unfähige Tochter, die ich war. Vermutlich die Erwiderung auf den Ausgang unseres letzten Aufeinandertreffens...

„Otou-san, schön dich zu sehen!", begrüßte sie hingegen ihren Vater mit einer Umarmung, als sie sich die flachen Damenschuhe ausgezogen hatte. Natürlich war sie wieder in einem ihrer Hosenanzüge gekleidet. Diesmal ein dunkelblauer, darunter eine hellblaue Bluse.

„Die Einladung war sehr spontan, aber ich freue mich, dass du kommen konntest!", lachte er und stemmte dann die Hände in die Hüften. „Deine Mutter ist in der Küche. V/N-chan hilft ihr fleißig."

Wieso kam ich mir vor, als wäre ich mit einem Mal keine achtzehn, sondern zehn Jahre alt?

„So?"

Überraschung. Ja, ich helfe im Haushalt mit! – Da ich es mir allerdings anscheinend nicht verdient hatte, ihre Aufmerksamkeit zu genießen, ging ich an den beiden mit einem „Ich muss jetzt auch weitermachen" vorbei, und legte in der Küche wieder meine Schürze an. Wohlwissend, dass mich meine Großmutter mit einem forschenden Blick bedachte: Ich schaute nämlich griesgrämiger drein als zuvor.

„Es ist eine gute Gelegenheit, als Familie wieder zusammenzukommen", erklärte sie leise.

Ich verstand ja ihre Absicht. Wirklich. Das zerrüttete Verhältnis zwischen meiner Mutter und mir nagte auch sehr an ihr. Dennoch konnte ich mir nicht kneifen zu sagen: „Dann müsste Papa hier sein." Das war nicht fair, aber so wie damals hasste ich es, dass er immer ausgeschlossen wurde. Laut meiner Mutter hatte Papa in ihrer Familie, bei ihren Eltern nichts mehr zu suchen. Dabei verstand er sich mit Oma und Opa gut! Zudem stieß sie mit diesem Verbot ganz bewusst in die alte Wunde, dass er selbst keine Eltern mehr hatte und als Einziger von uns nun allein dastand. Das... war unfair.

Die weitere Zubereitung des Abendessens verlief sehr still. Kein Lachen, keine lockeren Gespräche, wie ich sie sonst mit meiner Großmutter führte. Ich konnte nicht. Zu sehr hatte ich Angst, dass ich meinen Ärger über meine Mutter an Oma ausließ. Das wollte ich nicht.

Als wir schließlich alle an dem flachen Tisch im Wohnzimmer saßen, behielt ich mein Schweigen ebenso bei. Selbst wenn ich es hätte brechen wollen: Ich wusste nicht wie! Was sollte ich mit meiner Mutter schon besprechen? Wir hatten beide unsere Standpunkte und kamen nicht voran! Ende!

Demnach blickte ich einfach nur auf mein Essen, während sich die anderen drei unterhielten, und quälte mir jeden Bissen herunter, weil mir der Magen wehtat.

„Wir waren heute am Shiogama-Schrein!", erzählte Großmutter ihrer Tochter begeistert. „V/N-chan war total von der Aussicht auf Matsushima fasziniert, nicht wahr?" Ich nickte stumm. „Wir waren auch noch in der Chocolaterie!"

Cleaventerre?", fragte meine Mutter, als sie die kleine Schale mit Miso-Suppe in ihren Händen auf dem Tisch absetzte.

„Ja genau."

„Es ist schön, dass es sie noch gibt. Ich war schon lange nicht mehr da."

„Du arbeitest auch viel zu viel", mischte sich mein Großvater ein, was mich fast schon bitter lächeln ließ. „Du solltest öfter vorbeikommen."

„Nun ja, Geld verdient sich nicht allein, wie du weißt. Ich habe zudem momentan ein großes Projekt zu überwachen. Das ist leider mit vielen Überstunden verbunden."

So wie wir waren (OikawaxReader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt