[4] Familientreffen

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„N/N-san, kommst du mal an die Kasse?"

„Bin schon unterwegs!"

Ich stellte noch schnell die beiden Flaschen Mayonnaise ins Regal, welche ich auf dem Arm trug, und eilte dann nach vorne zu der Bedientheke, um dort wie gewünscht auszuhelfen.

Den Kunden, ein älterer Herr auf abendlichen Spaziergang, mit einem freundlichen Lächeln begrüßend, begann ich seine Artikel einzuscannen und in eine weiße Plastiktüte zu packen. „Das macht 1200 Yen, bitte."

Er übergab mir einen Zweitausend-Yen-Schein, ich gab diesen Betrag in die Kasse ein und bestätigte mit einem weiteren Tastendruck. Die Lade öffnete sich daraufhin und ich konnte das Rückgeld rausgeben. Den Bon abreißend, übergab ich ihm diesen zusammen mit dem Geld, wie es sich in Japan gehörte, mit beiden Händen.

Als er den Betrag in sein Portemonnaie weggesteckt hatte, überreichte ich ihm im Anschluss die Tüte mit der eingepackten Ware und verabschiedete ihn ebenso höflich.

Es war eine vollkommen routinemäßige Aufgabe, die mich neben dem Auf- und Auspacken sowie Hervorziehen von Waren und Säubern von Regalen hier erwartete.

Dasselbe Prozedere vollzog ich daher auch bei den nächsten drei Personen, die in der Warteschlange standen. An der zweiten Kasse bediente meine Kollegen Ishikawa Miyo. Sie war natürlich weitaus versierter, war flinker im Abarbeiten der Kundschaft, aber wenigstens hielt ich sie nicht auf. Sie machte es mir nicht zum Vorwurf, dass ich noch nicht so schnell war und etwas länger brauchte. „Das kommt mit der Zeit", hatte sie mir lachend versprochen, und darüber war ich sehr dankbar. Ich kannte von Erzählungen früherer Klassenkameraden auch ganz andere Arbeitgeber...

Nach einer Viertelstunde war der Laden wieder leer, der Kundenstoß vorbei, und ich hatte einen Moment zum Luftholen.

„N/N-san, du hast dich gut eingefunden, oder?", hakte Miyo mit einem Lächeln nach und meldete sich von der Kasse ab. Sie war gut zehn Jahre älter als ich war und arbeitete Teilzeit.

„Ja, ich denke schon", lächelte ich an sie gewandt und nickte untermalend. „Ihr habt mir schließlich auch alles gut erklärt und gezeigt", fügte ich noch hinzu, was sie amüsiert auflachen ließ.

„Das ist ja auch das Mindeste, wenn wir dich behalten wollen!"

Einen Blick auf die Uhr an der Wand direkt über dem Eingang riskierend, nahm sie daraufhin ihr Käppi ab, welches zur Arbeitsuniform gehörte, und löste sich den kurzen Pferdeschwanz, in dem sie das Haargummi abzog. Sich mit der Hand durch die gewellten schwarzen Strähnen fahrend, verkündete sie „Ich mach Feierabend" und trat hinter dem Tresen hervor, um zum Regal mit den Bentous zugehen.

Es war zwar erst einundzwanzig Uhr und der Laden noch etwas länger geöffnet, aber sie hatte zwei Kinder zu Hause, auf die ihre Mutter bis zu ihrer Rückkehr aufpasste.

Miyo hatte mir beim ersten Mal, als wir zusammen den Laden abgeschlossen hatten, erzählt, dass sie sich von ihrem Mann hatte scheiden lassen und nun allein für ihre Tochter und ihren Sohn sorgen musste. Der Vater hatte sich aus dem Staub gemacht, zahlte nicht einmal Unterhalt und war wie vom Erdboden verschluckt... Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie das sein musste, aber schon bald hatte ich mitbekommen, wie sehr sie von A nach B hetzen musste. Auf die letzte Minute pünktlich zur Schicht kommend, dann genauso pünktlich gehen müssend. Wenn es länger dauerte, war sie daraufhin noch schneller als sonst aus dem Laden verschwunden und in der Pause oft beim Hinterausgang, um zu telefonieren und sich nach ihren Kindern zu erkunden, oder mit ihrer Anwältin zu sprechen. Miyo machte einen sehr toughen Eindruck, aber an manchen Tagen konnte die Gesichtsfoundation ihre Augenschatten auch nicht mehr überdecken. Trotzdem beschwerte sie sich nie und machte einen sehr positiven Eindruck.

So wie wir waren (OikawaxReader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt