[15] Kurswende

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„Sie wollen also den Kurs wechseln?", sah mich die junge Studienberaterin in ihrem breitgestreiften T-Shirt über den dünnen Rand ihrer runden Brille an.

Auf dem blauen Polsterstuhl vor ihr sitzend, straffte ich die Schultern. „Von Wollen kann keine Rede sein, aber ich werde die Anforderungen für die praktischen Prüfungen nicht erfüllen können."

Sie nickte, strich sich ihre langen schwarzen Haare zurück und lehnte sich in ihren Bürostuhl. Ihre violett lackierten Fingernägel trommelten überlegend auf ihre Unterarme, als sie diese vor der Brust verschränkte. „Hm... Das Semester hat ja bereits begonnen und damit fehlt Ihnen gut ein Drittel des Inhaltes bei jedem Kurs, für den Sie sich jetzt entscheiden. Die erlaubten Fehlzeiten um zu bestehen, hätten Sie also überschritten. Daher würde ich Ihnen anraten, lieber erst im nächsten Semester zu starten." Ein Blick in meine Augen. „Für mich stellt sich allerdings eher die Frage, ob Sie nicht den ganzen Studiengang wechseln müssen?"

Damit hatte ich gerechnet. Ich bin diese Möglichkeit bereits durchgegangen, und das legte ich ihr auch da. Ich wollte mich aber definitiv nicht auf das angebotene medizinische Feld der Uni konzentrieren oder Richtung Management gehen, denn das wäre nicht ich. Und wenn ich an das Training mit den Kids dachte, welches ich einmal mit Tooru bei Lyl Tyke's Volleyball Classroom geleitet hatte, konnte ich mir noch weniger vorstellen, fortan Kranke zu behandeln oder im Büro zu sitzen. „Ich möchte das Sportstudium unbedingt weiterführen!", erklärte ich nachdrücklich. „Der Arzt meinte, dass ich womöglich in anderen Sportarten besser aufgehoben wäre, also ist es nicht unmöglich!" Dass er auch sagte, dass es sich hierbei nur um moderate Sportausübung handeln sollte, verschwieg ich. „Ich darf aktuell zwar noch nicht wieder trainieren, aber wenn ich nächstes Semester eh noch einmal von vorn beginne, könnte ich mir doch wenigstens schon einen neuen Kurs suchen und versuchen, ob ich dies auch durchhalte, oder?"

Seit diesem Tag der Diagnose und meines Unfalls war gerade mal eine Woche vergangen. Eine Woche, in der ich mich zwar besser belasten konnte und die Schmerzen nicht mehr so höllisch waren wie Beginn, aber trotzdem war das keine Besserung im eigentlichen Sinne. Ich müsste noch wenigstens drei Wochen ausharren, dann hätten wir es Anfang Juni. Ab da wären noch knapp anderthalb Monate Vorlesungszeit und Prüfungen, sowie die sich anschließenden Semesterferien. Es lohnte sich rational betrachtet wirklich nicht, mich auf die praktischen Kurse zu stürzen, nur wollte ich auch nicht untätig rumsitzen! Physiotherapie hin oder her, denn die fand auch nicht jeden Tag statt und war in meinen Augen viel zu kurz...

„Seien Sie mir bitte nicht böse, N/N-san", begann die Studienberaterin mit einem tonlosen Seufzen. „Es steht Ihnen frei, sich für einen anderen Sportkurs einzuschreiben, aber... Sie sind nicht die erste Studentin, die einen Unfall erfährt, der sie dauerhaft einschränkt. Sie meinten, dass dies erst eine Woche her-"

„Ich melde mich bei Ihnen, wenn ich mich entschieden habe. Vor Ende der Vorlesungszeit!", gab ich jetzt etwas zickig von mir und schnappte mir meine Krücken. „Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben." – Und mich nicht unterstützen.

Mir entfuhr ein saures Schnaufen, als ich mit den Krücken Richtung Tür stiefelte. Diese öffnend, trat ich durch, schloss sie und stieß ein genervtes „Alter, so eine Zeitverschwendung!" aus.

Mir wurde mein Rucksack gereicht, den ich draußen gelassen hatte. Ich wandte meinen Blick zu Azusa, die mich mit einer gehobenen Augenbraue betrachtete. „Es lief also nicht gut?", schlussfolgerte sie.
„Es lief total beschissen", korrigierte ich, tauschte Krücken gegen Rucksack, damit ich mir den umschnallen konnte, und brummte unzufrieden, als ich meine Gehhilfen zurückbekam. „Ich frag mich, warum ich da die letzten zwanzig Minuten drin war!"

Unter meinem Meckern machten wir uns auf dem Weg zur Cafeteria. Meinen Termin hatte ich zur Mittagspause erhalten und jetzt hing mir mein Magen natürlich sonst wo. Das ließ meine Stimmung erst recht nicht besser werden.
„Was... hat sie denn gesagt?", wagte sich Azusa vorsichtig vor und ließ mich ein drittes Mal brummen.
„Erzähl ich dir gleich." Ich musste das erst einmal für mich verdauen und da jetzt auch noch die Treppenstufen auf mich warteten, musste ich mich auf jene konzentrieren. Das Hoch- und Runtergehen fiel mir mit der Orthese immer noch sehr schwer. „Aber hey, ich bin ab nächstes Semester wieder Frischling! Yay!"
Meine Kommilitonin entgegnete nichts. Sie merkte schon seit vorgestern, dass mit mir wenig zu scherzen war, und sie traute sich auch nicht, mir reinzureden. Dabei war ich mir nicht mal bewusst, dass ich mich die meiste Zeit überaus schnippisch anhörte. Dass ich gereizt war, okay. Schob ich auf PMS. Aber nicht, dass man mir den Titel Bitch of the Month verleihen könnte.

So wie wir waren (OikawaxReader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt