Wie nicht anders erwartet, ging seine Temperatur im Laufe des Tages noch ein ganzes Stück höher. Tetsurou hatte am Morgen nicht viel gegessen – die Hälfte auf dem Tablett hatte Yamamoto wieder rausgetragen. Als ich mich zum frühen Nachmittag wagte, mit dem Kopf durch den Türspalt reinzuschauen, lag er im Bett und schien zu schlafen. Sicherlich lag auch das am Fieber, was ihn komplett überrollt hatte. Hin und wieder erklangen angestrengte Laute aus seiner Kehle und da ich meinen besten Freund so noch nie erlebt hatte, ließ es die Sorgenfalten in meinem Gesicht nur noch tiefer werden.
Yamamoto versicherte mir, dass Tetsurou die Tabletten gegen Fieber und Schmerzen genommen hätte, was mich ein bisschen beruhigte, aber ich konnte unserem jüngeren WG-Mitglied an der Nasenspitze ablesen, dass er mich viel lieber gefragt hätte, was zwischen dem ehemaligen Nekoma-Kapitän und mir los war. Was das vorhin war.
Ich setzte ein Lächeln auf, gab mich gelassen und versuchte die peinliche Episode wenige Stunden zuvor unter den Teppich zu kehren. Versuchte zu ignorieren, dass ich von dem Ass so forschend angeguckt wurde. Das funktionierte auch wunderbar, bis Yamamoto zur Arbeit aufbrechen musste und Akane dabei gleich mitnehmen und zum Bahnhof bringen würde. Seine Schwester packte gerade ihre Sachen zusammen und so hatten wir einen ungestörten Moment, um uns zu unterhalten. Leider.
„Ist das für dich okay, wenn du auf ihn aufpasst?", hakte er nach, als ich mit ihm vor Tetsurous angelehnter Tür stand. Er hatte mir noch einmal die Schüssel mit kühlem Wasser gefüllt und auch sonst alles Wichtige in Reichweite gestellt. Überanstrengen sollte ich mich schließlich auch in seinen Augen nicht, und auf Krücken hatte ich keine Hände frei.
„Ja... ist in Ordnung. Wirklich", versicherte ich mit meinem Pokerface und lachte leicht. „Du tust ja gerade so, als würde ich mich in einen Tigerkäfig begeben!" Er sagte nichts. Wir wussten beide, dass Tetsurous Zimmer dies in der Tat für mich geworden: eine Raubtierhöhle. Und welches dumme Häschen verirrte sich freiwillig in solch einer, in der es gefressen werden konnte? „Du musst zur Arbeit. Und falls es schlimmer wird, ruf ich den Arzt, keine Sorge!"
Er verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte mich mit einem längeren Blick. Mal wieder. Reckte das Kinn argwöhnisch und setzte einen seiner gruseligen Yankee-Gesichtsausdrücke auf, um der Bedeutung hinter seines Schweigens Nachdruck zu verleihen. Mal wieder.
„Es ist wirklich okay", wiederholte ich deswegen, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Zwischen euch, ja?"
Und damit hatte er meine Maske für einen Moment zum Bröckeln gebracht. Ich hörte die Einzelteile auf den Boden aufkommen und meine Augen starrten ihn eine Sekunde zu erschrocken an, als dass ich mich mit einer Floskel noch herausreden könnte.
„V/N-pyon, ich weiß, dass mich das nichts angeht, aber..." Ausnahmsweise rieb sich Yamamoto nicht unangenehm berührt den Hinterkopf oder trat von einem Fuß auf den anderen. Ich kannte es von ihm, dass er mir gegenüber immer etwas vorsichtiger mit seinen Worten agierte als bei den anderen. Der Mädchen-Bonus. Er hatte nicht viel Erfahrung mit Frauen und hatte selbst mal gesagt, dass er es schwierig fände, mit Mädchen zu kommunizieren, weil sie einfach... anders waren. Dasselbe hatte Tetsu früher einmal geäußert. Tooru ebenso. Musste wohl was dran sein?
Doch jetzt blieb er vollkommen ruhig und fokussiert, und das bereitete mir Unbehagen. Dann könnte ich es nämlich nicht mit einem „Ach was!" weglachen.
„Ich weiß, was ich gesehen hab. Und... auch sonst..."
„Auch sonst was?"
Noch immer hielten seine Augen meine fest und er seufzte einmal, seine Hände in seine Hosentaschen steckend und locker die Schultern fallen lassend. „Kann es sein, dass ihr beide eigentlich nie miteinander abgeschlossen habt?"
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So wie wir waren (OikawaxReader)
RomanceEin halbes und aufregendes Jahr an der Aoba Jousai Oberschule liegt hinter dir. Viele Tränen sind geflossen, viele Tage hast du gelacht und dabei vor allem einen Menschen in dein Herz gelassen: Oikawa Tooru. Doch deinen Freund zieht es nach Argentin...