[6] Frust

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TW: Sexuelle Belästigung
CW: Gespräche über Sex

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„Das ist doch Mist! Ihr seht euch nicht, ihr könnt euch nicht treffen, habt keinen Sex? Das ist doch keine Beziehung mehr!"
Azusa redete laut, während wir mit ihr zu Mittag aßen. Nicht nur ein paar Köpfe drehten sich deswegen zu uns um. Nicht nur ein bisschen wurde mir das peinlich.
Dass wir unfreiwillig Zeuge ihres Telefongesprächs werden mussten, da ihre Freundin wegen Stresses mit ihrem Freund dringenden Rat brauchte, hatte nicht auf meiner heutigen Agenda für den Lunch gestanden...
Es wäre auch nicht so schlimm, würden wir jetzt nicht langsam in die Richtung intime Details kommen, welche ich gewiss nicht mithören wollte. Zumal... mir das Thema irgendwie sehr präsent war. Und dann auch noch, nachdem Tooru und ich gestern via Telefon...
„Kann sie das nicht woanders machen?", murrte Tetsurou. „Da vergeht einem das Essen."
Und auch, wenn die Braunhaarige neben mir am Handy hing, hatte sie diesen Kommentar ganz genau gehört. Sie warf einen allwissenden Blick auf meinen Besten, und deckte das Mikrofon des Telefons nicht mal mit der Hand ab, als sie zu ihm sprach: „Nur weil du traurige einsame Stunden daheim hast und mit keinem Kumpel über dein nicht vorhandenes Liebesleben reden kannst, Tetsurou, heißt das nicht, dass es anderen so ergehen muss!"
„Huh?" Darauf anspringend und in seiner Bewegung innehaltend, mit den Stäbchen die Gemüsebeilage zum Mund zu führen, starrte er sie mit schmalen Augen an: „Vielleicht trifft das ja auf dich zu? Und seit wann sind wir schon beim Vornamen?"
„Ich ruf dich später zurück, ja?", ließ Azusa ihre Freundin am Telefon wissen und rollte mit den Augen. „Mein sexy, wenn auch nerviger, Kommilitone lässt mir keine Ruhe. Ja, ich ruf nachher an, wenn ich aus der Uni raus bin. Ja. Bis dann! Hab dich lieb!"
Sie legte auf, ich prustete mein Wasser zurück in meine Flasche und Tetsu fiel aus allen Wolken, während sie das Telefon zurück auf den Tisch legte und für einen Moment die Augen schloss. Hatte sie das gerade wirklich gesagt???

„Hat wer von meiner Wenigkeit geredet?", pflanzte sich in der nächsten Sekunde auch schon Terushima mir gegenüber, der gemeinsam mit einem weiteren jungen Mann die Szene betreten hatte. Letzterer kam mir nur zu bekannt vor. Und ebenso Azusa, die ihn ungläubig anstarrte, denn es war der Typ, für den sie etwas übrighatte, und wegen dem sie sogar zum Volleyball mitgekommen war.
„Y-Yamashima Kei", stellte sich dieser mit einem entschuldigenden Lächeln vor. „Yuji-kun meinte, es wäre okay, wenn ich mitkäme... also..."
Ich wagte einen schnellen Blick zu der anderen, die mit einem Mal verräterisch ruhig war und gar rote Wangen bekommen hatte.

Wenn du Glück hast, hat er nichts von deinem lauten Telefonat gehört.

„Ja, sicher", stimmte Tetsurou zu und auch ich nickte.
Doch von der anfänglichen Schweigsamkeit meiner Kommilitonin war mit einem Mal nichts mehr zu spüren. Hatte sie gedanklich etwa abgewogen, ob sie die Diskussion mit Tetsu weiterführen sollte? Oder dachte sie, dass Terushima und Yamashima das Gespräch mitbekommen hatten, und dass sie sich nun verteidigen müsste? So oder so schlug Azusa beide Hände auf die Tischplatte und ließ unser Geschirr scheppern: „Vielleicht hast du es ja nicht gewusst, aber man kann auch Selbstliebe ausleben!"
„Was hat das jetzt bitte mit deinen Tipps am Telefon zu tun, die ich nicht mitbekommen will?", murrte Tetsurou zurück und schaufelte sich endlich das Gemüse in den Mund.
„Weil du anscheinend echt prüde bist, alter Mann. Ich hab über gar nichts gesprochen, und du regst dich auf, als hätten wir über intime Einzelheiten geredet!", warf sie mir einen schiefen Blick zu, den ich nicht sofort bemerkte. Warum sie mich direkt ansprach: „Nee, V/N. Das habe ich nicht, oder?"
Da in der Runde mit einem Mal Schweigen herrschte, sah ich auf und hielt mit dem Löffel im Mund inne: „Wuas?"
„Ich hab keine intimen Details ausgeplaudert, richtig?"
„Eh..." Tut mir leid, Tetsu, da hatte sie leider recht. „Haft du nifft", murmelte ich und konzentrierte mich wieder auf meinen eigenen Reis im Mund, den ich endlich kauen und runterschlucken wollte.
„V/N", sprach dann auch Terushima und beugte sich zu mir vor, seine mitgebrachte noch halbvolle Coladose zwischen seinen Händen haltend. „Du wohnst doch mit ihm und noch jemanden zusammen, oder? Musst du dir da oft die Ohren zuhalten?"
Und mit einem Mal spuckte ich nicht nur die Reiskörner aus und diese Terushima fast ins Gesicht, sondern hörte auch noch Tetsurou heftig husten.

So wie wir waren (OikawaxReader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt