Tag 13

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Als ich wieder zu mir kam hörte ich nichts.
Keine Stimmen.
Keine Geräusche.
Nichts.
Mit geschlossenen Augen atmete ich ein.
Aus.
Ein.
Aus.
Es ging. Ich konnte atmen. Ich bekam Luft.
Langsam öffnete ich meine Augen.
Blinzelte.
Atmete.
Ein.
Aus.
Es ging immer noch.
Etwas beruhigter atmete ich noch einmal tief ein und aus bevor ich mich aufsetze.
Das Spiegelbild was mich anstarrte, war immer noch das gleiche wie immer.
Blass.
Dünn.
Mit weißblonden Haaren und grünen Augen.
Ich schlug die Decke zu Seite.
Betrachtete meine Beine.
Sie lagen da.
Es war nichts an ihnen auszusetzen.
Sie lagen einfach nur da.
Gedankenverloren wackelte ich ein wenig mit meinen Zehen.
Das hatte ich lange nicht mehr gemacht.
Ich hatte lange nicht mehr mit meinen Zehen gewackelt.
Einfach so.
Ein kleines Lächeln, wie das eines verträumten Kindes schlich sich auf mein Gesicht.
Wie schön es war.
Wie schön es war einfach mal da zu sitzen und mit den Zehen zu wackeln.
Und zu Lächeln.
Gott war das schön zu Lächeln.
Ein warmes, ehrliches Lächeln. Voller Glück und Freude.
Voller Zuversicht.

Mit immer noch den gleichen Lächeln auf den Lippen sprang ich förmlich aus dem Bett. Leicht wie eine Feder schwebte ich geradezu durch den Raum bis zur Tür.
Dann öffnete ich sie.
Trat hindurch.
Hüpfte fröhlich in den Raum hinein und drehte mich voller Übermut ein paar mal während des laufens.
Glücklich wie ein kleines Kind das gerade Süßigkeiten bekommen hatte, lief ich zum Sessel, nahm den Mantel auf und zog ihn mir über.
Die wärme und der Geruch des Mantels ließe mein Lächeln noch breiter werden.
Mit beiden Armen zog ich den Mantel eng um mich, schloß die Augen und drehte mich ein paar Mal im Kreis.
Es war verrückt.
Ich war glücklich.
Einfach nur glücklich.
Nicht wissend worüber oder warum. Aber das war auch egal.
Ich war glücklich.
So über glücklich.

Hüpfend bewegte ich mich an den Regalreihen entlang.
Ließ meine Fingerspitzen über die Bucheinbände gleiten.
Wie ich es schon so oft getan hatte.
Dann erinnerte ich mich an etwas.
Das Buch.
Vor der Tür.
Mut einer schwungvollen Bewegung drehte ich mich um und war gerade dabei auf das Buch zu zuhüpfen als ich plötzlich Inne hielt.

Da war kein Buch.
Ich schluckte.
Kein Buch.
Langsam lief ich näher an die Stelle heran wo das Buch lag.
Ich lief.
Hüpfte nicht.
Die Stelle war leer.
Kein Buch.
Keine einzelne Seite.
Kein Staubkorn.
Ich spürte wie das Lächeln aus meinem Gesicht fiel. Wie meine Mundwinkel von einem auf den anderen Moment schlaf nach unten fielen und meine Augen in sich zusammensackten.

Ich zog den Mantel enger um mich.
Ein Luftzug strich um meine Beine.
Es fröstelte mich, doch es fröstelte mich nicht nur von dem Luftzug.
Es fröstelte mich vor dem Anblick der leeren Stelle.
Der Stelle an dem jetzt eigentlich ein Buch hätte liegen sollen.
Der Stelle an dem jeden Morgen ein Buch gelegen hatte.
Jeden Morgen.

Mein Atem bewchleunigte sich ein wenig. Sofort hatte ich Angst zu ersticken.
Hastig drehte ich mich einmal um meine eigene Achse.
Mein Kopf zuckte umher.
Gehetzt.
Voller Angst.
Die Bücher.
Die Regale.
Die Möbel.
Alles war so wie es immer war.
Der Mantel.
Er hatte dort gelegen wo er jedes Mal lag.
Meine Kehle schnürrte sich langsam zu. Mein Atem ging noch unkontrollierter.
Kurz überlegte ich.
Dann griff ich in die Taschen des Mantels.
Erst in die rechte.
Das scharfe Metall der Rasierklinge beruhigte mich ein wenig.
Ich legte sie auf meine nackte Brust.
Die glatte Oberfläche fühlte sich auf meiner Haut angenehm kalt an und meine Atmung regulierte sich wieder ein bisschen.

Als ich meinen Herzschlag durch die Klinge hindurch spüren konnte, bewegte ich sie über meine nackte Haut. An die Stelle an der sie mir so vertraut war. Kurz blieb meine Hand stehen. Bewegte sich keinen Millimeter. So als ob jemand sie festhalten würde.
Dann schob ich die Klinge weiter.
Stellte sie mit der scharfen Kante auf.
Meine Härchen stellten sich auf. Ich wusste nicht was es war.
Aber irgendetwas ließ meinen Körper verrückt spielen.
Ich atmete einmal tief ein und aus um ihn wieder unter Kontrolle zu bringen.
Dann setzte ich an.
Ließ die Klinge über meine Haut gleiten. Spürte wie sie die zarte Haut aufriss und wie die Klinge in das Fleisch schnitt.
Nicht viel.
Nur ein wenig.
Gerade genug damit eine Narbe zurück bleiben würde.
Zwei mal.
Beim zweiten mal spürte ich nicht mehr das aufreißen der Haut.
Das Blut das zwischen meine Finger ran war zu warm.
Zu warm als das ich mich darauf hätte  konzentrieren können.

Mit einer geschmeidigen Bewegung zog ich die Rasierklinge wieder hervor, wischte mit meinem Ärmel das Blut von der Klinge und ließ sie zurück in meine Tasche gleiten.

Jetzt die linke Manteltasche.
Langsam ließ ich meine Hand hinein gleiten.
Ich zuckte zusammen als meine Fingerspitzen tatsächlich auf etwas trafen.
Es war hart.
Realtiv dick.
Und fühlte sich an wie Papier.
Mein Herzschlag beschleunigte sich.
Vorsichtig zog ich das etwas hervor.

Als das Licht es berührte stockte mein Herzschlag.
Alles um mich herum begann sich zu drehen.
Schwankend fuhr ich mit einer Hand über die Oberfläche des etwas.

Es war ein Buch.
Vielmehr das Buch.
Ich kniff meine Augen zusammen.
Wollte den Titel lesen.
Doch es drehte sich zu sehr.
Alles drehte sich.
Meine Finger tasteten über den Einband. Fuhren die Buchstaben nach.

E
R
K
E
N
N
S
T

Erkennst

D
U

Du

M
I
C
H

Mich

Wieder

Erkennst du mich wieder?

Das war das Buch!
Das war das Buch!
Ich schwankte.
Die Welt um mich herum drehte sich immer noch. Jetzt noch mit grellen Farben.
Ich schloss meine Augen.
Dumme Idee.
Sehr sehr dumme Idee.
Jetzt drehte sich alles nur noch mehr. Ich spürte noch wie das Buch mir aus der Hand fiel.
Hörte das dumpfe aufkommen auf dem Boden.
Weit weg.
Ganz weit weg.
Dann drehten sich die Farben um mich herum noch ein wenig weiter bevor ich selbst das Gleichgewicht verlor und zu Boden ging.


24 Tage bis MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt