Tag 14

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Das Blut das durch meine Finger ran war dick. Rot und klebrig. Es floß über meine Haut wo es sich dann in den Falten und Rillen meiner Fingerkuppen absetzte.
Vorsichtig presste ich meine Fingerkuppen aneinander.
Löste sie wieder voneinander.
Kurz klebte meine Haut zusammen, dann löste sie sich mit einem leisen schmatzenden Geräusch.

Ich lag im Bett.
Auf dem Rücken.
Meine Hand vor meinen Augen.
Das Blut was an ihr klebte stammte von meinen Wunden.
Ich musste sie irgendwie aufgerissen haben.
Denn als ich mich jetzt aufsetzte um sie im Spiegel zu betrachten bemerkte ich das es nicht nur meine Finger waren an denen Blut klebte.
Auf dem weißen Bettlaken war ein Fleck zu sehen.
Vielleicht Untertassen groß.
Rot, ein wenig braun.
Mit ausgefransten Rändern und kleinen Sprenkeln die sich um den Fleck herum in den Stoff gefressen hatten.
Auch auf der Decke waren rotbraune Flecken verteilt.

Ich strich mit meiner flachen Hand über den Fleck auf dem Bettlacken. Das Blut war schon etwas angetrocknet. Fest und rissig.
Nur in der Mitte des Flecks war es noch en wenig flüssig.
Und klebrig.

Ich betrachtete mich im Spiegel. An der linken Seite meines Körper, unterhalb meiner Achsel, war ein Rotes Rinnsal zu sehen.
Es hatte sich seinen Weg hinab bis zu meiner Hüfte gebannt. Wo es so dünn geworden war das es schließlich aufgehört hatte zu laufen.
An meinem linken Innernarm war ebenfalls getrocknetes Blut zu sehen.
Ich hob ihn ein Stück an. Wollte die Wunden sehen.
Die gerade gleichmäßigen Striche die ich gezogen hatte. Wie ein Künstler. Auf einer Leinwand aus Fleisch und Blut.
Sie waren immer noch da, dreizehn an der Zahl.
Es waren mittlerweile so viele, das sie in weniger als zehn Tagen meine Taille berühren würden.
Ich seufzte, ließ meinen Arm wieder sinken und stand schließlich auf.

Einen kurzen Moment blieb ich noch vor der Spiegel stehen. Betrachtete mich, Blut verschmiert und mit geraden Schnitten auf meinem Körper.
Dann ging ich zur Tür und öffnete sie.

Exakt in der Sekunde, in der die Tür hinter mir wieder ins Schloss fiel, kamen die Ereignisse vom letzten Mal wie eine Flutwelle zurück.
Sie stürzten so heftig auf mich ein, das ich kurz zusammen zuckte und es mich schüttelte.
Ich wollte nicht nach unten schauen. Wollte nicht sehen ob das Buch heute da lag oder nicht. Wollte nicht die leere Stelle am Boden sehen.
Nicht schon wieder.

Ich stand noch eine Weile so da, den Blick starr auf den Raum vor mich gerichtet. Keine Emotion fühlend. Nur Panik. Unglaubliche Panik.
Vor dem was passieren würde.
Vor dem was ich sehen würde.
Vor allem.

Vorsichtig schob ich einen meiner Füße ein Stückchen weiter nach vorne.
Noch ein Stück.
Noch ein Stück.
Ganz langsam.
Beinahe fühlte es sich so an wie eine Ewigkeit, in der ich meinen Fuß immer weiter Stück für Stück nach vorne bewegte.
Dann endlich stoß er an etwas.
Vor Schreck zuckte ich zusammen. Doch zum anderen war ich auch erleichtert.
Es war da.
Das Buch.
Es lag da, so wie es sein sollte.
So wie es immer gewesen war.

Ich senkte meinen Blick auf das Buch.
Das Blut stockte mir in den Adern.
Ja es war ein Buch.
Ja es lag da wo es immer lag.
Doch es war nicht das Buch.
Nicht das eine was immer da lag.
Verwirrt und mit einem Puls der ganz sicher nicht mehr gesund war hob ich das Buch auf.

"Bitte hasse dich nicht"

Jetzt war ich nur noch mehr verwirrt.
Ich ließ das Buch fallen.
Lief weiter in den Raum hinein.
Suchte den Mantel.
BRAUCHTE DEN MANTEL.
Brauchte ihn um mich beschützt zu fühlen.
Brauchte ihn.

Als ich ihn endlich gefunden hatte zog ich ihn mir so schnell über wie ich es noch nie getan hatte und hockte mich auf den Sessel.
Schlang den Mantel noch enger um mich.
So das ich nur noch knapp Luft bekam.

Ich betrachtete das Buch, welches ich einfach achtlos auf den Boden hatte fallen lassen.
Betrachtete wie es da lag.
Mit dem Cover nach oben.
Ganz ordentlich.
So als hätte es jemand extra dort hingelegt.
Für mich.
Damit ich es sah.
Um mir etwas zu sagen.

Bitte hasse dich nicht?

War dass das was man mir sagen wollte?
Ich sollte mich nicht hassen.
Das tat ich nicht!
Oder doch?
Ich wusste es nicht.
In diesem Moment wusste ich gar nichts mehr.

Verängstigt saß ich zusammengekauert auf dem Sessel.
Mit den meinen Knien an der Brust und den Armen um sie geschlungen.
Langsam wurden meine Augen schwer.
War ich müde?
Ich glaube schon.

Aus dem Augenwinkel sah ich etwas weiß silbernes vorbei Schweben.
Ich zuckte mit meinem Kopf zur Seite.
Aber da war nichts.
Es hatte ausgesehen wie ein leichter milchiger Schleier. Ganz leicht.
So dünn das mann hatte durchsehen können.
Meine Augen hatten mir bestimmt nur einen Streich gespielt.
Ja das musste es sein.

Ich rieb mir die Augen.
Gähnte.
Auch eine Sache die ich lange nicht mehr getan hatte.
Gegähnt.
Es war als würde hier, wo auch immer ich war.
So etwas wie Müdigkeit eigentlich nicht existieren.
Genauso wenig wie Hunger.
Oder Durst.

Wieder huschte in meinem Augenwinkel etwas an mir vorbei.
Doch als ich mich wieder darauf konzentrierte war es verschwunden.
Ich wurde verrückt.
Ich wurde eindeutig verrückt.
Kurz schüttelte ich den Kopf.
Einfach verrückt.
Dann stand ich auf, ließ den Mantel zu Boden fallen und begab mich auf den Weg zur Tür.
Doch noch ehe ich die Klinge berühren konnte, spürte ich einen leichten Hauch an meiner Schulter und meine Umgebung wurde schwarz.

24 Tage bis MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt