Tag 16

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Mein Körper war mit Gänsehaut überzogen.
Die kleinen Härchen auf meinen Armen hatten sich aufgestellt.
Es war als hätte das Licht und die Wärme die mich gestern noch ausgefüllt hatten sich zurück gezogen. So als hätte jemand die Flamme einfach so ausgepustet.
Mich zurück gelassen.
Als eine kalte, dunkle Hülle.

Noch bevor ich meine Augen öffnete, schlang ich meine Arme um meinen Körper.
Ich fröstelte.
Dann öffnete ich die Augen. Die Decke, welche eigentlich über mir hätte liegen sollen, lag auf dem Boden. Zusammengeknüllt.
Ein weißer Haufen aus Stoff, der mich eigentlich warm halten sollte.
Ich wälzte mich zur Seite und versuchte sie noch vom Bett aus aufzuheben.
Doch mein Arm war zu kurz. Der Weg vom Bett zum Boden zu groß.
Als ich fast aus dem Bett fiel, weil ich mich soweit nach vorne gelehnt hatte, zog ich meinen Arm zurück.
Drehte mich auf den Rücken.
Starrte an die Decke.
Sie war weiß.
Wie eigentlich fast alles hier.
Weiß.
Rein.
Weiß.

Nach einer Weile in der ich nur so da gelegen hatte, stand ich auf, ging zur Tür. Doch dort hielt ich inne. Was wenn es nicht mehr da war. Was wenn das leuchtende etwas nicht mehr da war. Ich hatte es berührt. Hatte es gespürt.
Was wenn ich es so vertrieben hatte.
Wenn es nicht mehr da war.
Wegen mir.
Ich seufzte.
Dann griff ich nach der Türklinke, drückte sie hinunter und ging durch die Tür hindurch.

Als meine Füße den kalten Boden auf der anderen Seite berührten fröstelte ich ein wenig.
Blindlinks und ohne auf den den Titel des Buches zu schauen was da vor mir lag, hob ich es auf und legte es auf einen Stapel rechts von mir.
Dann ging ich zielstrebig auf den Mantel zu.
Streifte ihn mir über.
Warm
Duftend
Und etwas kratzig
Ich zog den Geruch des Stoffes noch tiefer ein.
Entweder ich bildete es mir ein, oder der Duft war heute stärker als sonst.
Noch dunkler
Noch herber
Noch verbotener

Mein Blick schweifte wie so oft im Raum umher.
Über die Bücher die auf dem Boden lagen.
Über die Stapel die sauber und ordentlich an der Wand aufgereiht waren.
Über die Bücherregale, die sich geradlinig durch den Raum zogen.

Während ich langsam an einem der Regale entlang ging, ließ ich meine Hände in die Manteltaschen sinken. Das kalte Metall an meiner Hand ließ mich kurz zusammenzucken. Dann ließ ich es in meiner Hand gleiten und drehte es zwischen meinen Fingern hin und her.

Die Bücher in dem Regal waren nichts besonderes.
Ein paar Krimis, ein paar Fantasy und Since-Fiction Bücher.
Nur ein Buch brachte mich zum innehalten.
Es war schwarz, komplett schwarz.
Langsam und mit etwas zitternden Fingern zog ich es hervor.
Es fühlte sich rau an.
Und kalt.
Der Einband war schwarz, keine Gravierung, kein Autor.
Nur ein Datum Stand auf dem Cover.
Weiß
Grell
So das es in den Augen wehtat.

11. November 2021

Ich strich über die Zahlen.
Drei Einzen.
Zwei Zweien.
Eine Null.
Das Datum löste irgendetwas in mir aus. Wie ein Trigger ließ es meinen Körper erschaudern und mein Inneres zog sich zusammen. Es fühlte sich so an als würde mein Herz zusammen gedrückt werden, so als würde all die Luft, und all das was mir Leben verlieh aus meinem Körper hinaus gepresst werden.
Meine Augen hatten sich auf das Datum fokussiert, starrten darauf so als ob sie etwas hineinbrennen wollten.
Nach einer Weile in der ich so da stand, den Blick auf das Buch gerichtet, starr, ohne mich zu bewegen, drehte ich meinen Kopf zur Seite um den Zahlen zu entfliehen.
In dem Moment, in dem Meine Augen von dem Datum weggezehrt wurden, hörte das Gefühl auf. Einfach so, genauso wie es gekommen war.
Ich schloß kurz meine Augen, wollte mich versichern das sich das Gefühl ein für alle mal verflüchtigt hatte.
Ich seufzte.
Dann stellte ich das Buch, ohne hinzuschauen wieder zurück in das Regal aus dem ich es genommen hatte.

Als ich das Regal weiter entlang ging, fuhr ich mit meinen Händen wieder in die Taschen des Mantels. Mit meiner rechten Hand umschloss ich die Rasierklinge, holte sie aus der Tasche hervor, ans Licht.
Ich ließ den Mantel von meinen Schultern gleiten.
Das Geräusch das er machte als er zu Boden fiel war dumpf, schwer aber nicht besonders laut.
Langsam hob ich meinen linken Arm, es waren dreizehn, 13 Striche die auf meiner Haut saßen, manche rot, manche schon fast abgeheilt, so das kein stechender Schmerz mich mehr durchzuckte als ich mut meinen Finger darüber strich.

Ich wusste eigentlich was ich zu tun hatte. Niemand hatte mich dazu gezwungen es zu tun, niemand hatte gesagt das es das war was ich machen musste um nicht verrückt zu werden. Ich selbst war es die mir sagte das ich mich dadurch retten könnte. Vor dem Wahnsinn, vor der Zeit, vor dem Vergessen.
Es fehlten drei.
Drei Schnitte.
Drei Narben, die mir anzeigten wie viele Tage ich hier schon verbracht hatte, Drei.
Kurz zögerte ich als ich meine rechte Hand hob.
Dann legte ich die Klinge langsam auf meine Haut. Spürte das Metall kalt und frisch auf meiner Haut.
Die kleinen Härchen auf meinem Arm stellten sich wieder auf, dann drückte ich mit der Rasierklinge in meine Haut hinein, tiefer als ich es je gemacht hatte.
Einmal,
Zweimal,
Bevor ich das dritte mal ansetzte, wischte ich das Blut was aus den Wunden hervor trat mit dem Ärmel weg.
Dann setzte ich nochmal an, das dritte mal.
Und diesmal schnitt ich so tief, das ich das Gefühl hatte bis auf den Knochen zu stoßen.

Meine Hand zitterte als ich sie weg zog, der Schmerz der von der Stelle aus durch meinen Körper zog, war so groß wie er es noch nie zuvor gewesen war.
Gerade als ich die Rasierklinge wieder in die Manteltasche gleiten lassen wollte, fiel sie mir aus der Hand. Mit immernoch zitternden Händen und wackeligen Knien, kniete ich auf mich den Boden und begann sie zu suchen.

"Lass sie liegen"

Mein Körper erstarrte. Wer war da? War das echt ? Hatte ich mir das gerade nur eingebildet ?

"Bitte, lass sie liegen"

24 Tage bis MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt