Tag 7

2 1 0
                                    

Alles war verrückt.
Alles war ver rückt.
Ich wusste nicht was es war.
Wusste nicht wie es war oder warum. Aber es war. Und es war. Und war.

Was ich hörte waren die Stimmen. Die Stimmen in meinem Kopf.
Die Stimmen in meinem Inneren.
Die Stimmen.
Hör auf!
Hör auf!
Hör auf!
Sie schrien.
Oh Gott sie schrien so laut.
Hör auf!
Hör auf!

HÖR AUF !

Blitzschnell presste ich meine Hände auf meine Ohren und kniff meine Augen zusammen. Schüttelte meinen Kopf.
Hör auf!
Hör auf!
Scheiße. Scheiße. SCHEIßE!

Ich öffnete meine Augen. Wusste wo ich war. Sprang auf und rannte aus dem Raum.
Rannte.
Rannte.
Ich rannte in dem Bücherraum umher.
Rannte.
Rannte.
Bis ich das Gefühl hatte das meine Lunge zerbrechen würde und die Stimmen in meinem Kopf endlich verstummt waren.
Scheiße.
Was war das eben bitte?
Mit was sollte ich aufhören. Was sollte ich überhaupt anfangen?
Was?
WAS?!
Noch einmal schüttelte ich meinen Kopf, so als könnte ich die Gedanken auf diese Weise heraus schütteln.
Doch es funktionierte nicht.
Natürlich nicht.
Die Fragen hatten sich in meinem Kopf festgesetzt wie weiches Karamell zwischen Zähnen.
Süß, weich, klebrig.
Und nach einer Weile hart, kalt und einfach nur noch zum Schrein.

Während das Karamell in meinem Kopf langsam hart wurde, schlenderte ich durch den Raum. Ging zum Sessel mit dem Mantel. Schlüpfte hinein.
Dann ließ ich mich auf den Sessel fallen und atmete aus.
Ich hatte mich daran gewöhnt.
Hatte mich an das hier gewöhnt.
Obwohl ich keine Ahnung hatte warum und wo ich überhaupt war.

Meine Hände wanderten nervös auf den Polstern des Sessels herum. Ertasteten ein Buch.
Ich nahm es auf und schaute es mir genauer an.
Das erste was ich sah waren rote Flammen.
Rote Flammen und ein Titel in Neonschild-Optik.

"like the fire inside of me"

Klang gut. Interessiert drehte ich das Buch um. Auch der Inhalt klang nicht schlecht.
Grob, ging es um Mafia, Verhandlungen und verhängisvolle Liebe.  
Normalerweise nicht so mein Geschmack.
Trotzdem schlug ich das Buch auf und fing an zu lesen.

Gerade als ich die erste Seite umblätterb wurde ließ mich jedoch etwas innehalten.
Ein Luftzug.
Er strich an meinen Beinen entlang und überzog sie mit Gänsehaut.
Wie aus einem Reflex zog ich meine Beine auf den Sessel und nahm sie eng an meinen Körper.
Dann stoppte ich für einen Moment. Ein Luftzug?
Hier?
Hier wo sich nichts bewegte?
Wo alles an seinem Platz stand und immer wieder an ihn zurück kehrte.
Oder etwa nicht?
Wie von einer Tarantel gestochen sprang ich auf. Eilte in das weiße Zimmer.
Sprinntete vor den Spiegel.
Ganz.
Ich trat einen Schritt näher.
Ganz.
Der Spiegel war ganz.
Etwas beruhigter lief ich zur Türschwelle. 
Das Buch lag da.
Aufgeschlagen.
Mit dem Einband noch oben.
Alles war so wie es jeden Morgen war. An seiner Stelle.
An seinen Platz.
Und trotzdem, woher sollte ein Luftzug kommen.
Ein Fenster gab es hier nicht.
Keine offene Tür.
Keinen Spalt nach draußen.
Zumindest keinen den ich sehen konnte.
Und was wenn doch?
Mein Herzschlag begann schneller zu werden. Mein Atem ging unregelmäßiger und ich konnte spüren wie meine Hände ein wenig zu zittern begannen.
Nein.
Nein.
Bitte nicht.
Ich wollte das nicht.
Nicht schon wieder.
Ich wollte nicht schon wieder diesen Angst spüren. Die Furcht, die mit meinem Körper machte was sie wollte und meinen Geist in einen milchigen Schleier hallte so das ich nicht mehr richtig denken konnte.
Wollte nicht schon wieder verloren sein.
Verängstigt.
Zerbrechlich.
Allein.

Mit Tränen in den Augen drehte ich mich um. Ging in den weißen Raum hinein und schloß die Tür hinter mir.

Als meine Beine anfingen zu zittern kämpfte ich nicht lange dagegen an. Sie brachen unter mir zusammen.
Ich rutschte an der Tür hinab und lehnte mich von Innen dagegen.
Nein.
Nein.
Bitte nicht.
Bitte nicht.
Ich konnte nicht mehr.
Wollte nicht mehr.
Bitte nicht.
Meine Finger fingen an fasrig herum zu tasten.
Ich hielt sie fest, oder versuchte es jeden Falls.

Meine Hände im Schloss gefaltet, meinen Kopf zu Boden gesenkt saß ich da.
Versuchte meine Schluchzer zu unterdrücken.
Wollte es nicht.
Wollte das nicht.
Wollte nicht.

Etwas spitzes drückte in meinen Oberschenkel. Etwas spitzes, scharfes.
Ich schaute auf.
Mit zittrigen Fingern tastete ich nach der Tasche des Mantels und zog die Rasierklinge hervor.
Betrachtete sie.
Sauber, scharf und glänzend.
Ich wusste nicht warum, aber aus irgendeinem Grund gab sie mir Hoffnung.
Hoffnung auf Frieden.
Hoffnung auf Freiheit.
Hoffnung auf Heilung.
Auch wenn dass das genaue Gegenteil von dem war, was sie mir antun würde.
Was ich mir antun würde.

Langsam und immer noch mit zitternden Beinen stand ich auf. Ich musste mich an der Wand abstützen als ich langsam zum Spiegel wankte und mich davor stellte.
Mit zuckenden Gliedmaßen kämpfte ich mich aus dem Mantel und ließ ihn zu Boden fallen.
Das Geräusch was er beim aufkommen machte, ließ mich aus irgendeinem Grund zusammenzucken.

Ohne wirklich nachzudenken hob ich meinen Arm und wollte die Klinge ansetzen.
Ich blickte in den Spiegel.
Wie ich da stand.
Mein Körper wacklig und zuckend.
Eine Rasierklinge in meinen zittrigen Händen.
Einen Arm leicht angehoben.
Sechs Streifen auf meiner Haut.
Sie saßen 10 cm unter meiner Achsel.
Dort wo die Rippenbögen deutlich abgezeichnet zu sehen waren.
Sechs rote Striemen.
Verheißungsvoll und gefährlich saßen sie dort.
Sechs, die Zahl des Glücks und der Harmonie. Wie ironisch.

Kurz blickte ich in meine Augen.
Grüne Augen.
Ohne Glanz, ohne Glitzern, feucht von den Tränen. Von den Tränen die nicht geweint wurden, die sich angestaut hatten, irgendwo in meinem Inneren.

Dann war es nicht mehr die Zahl des Glücks und der Harmonie die meinen Körper Brandmarkte, es war die Zahl der Hexen. Ihre heilige Zahl.
Sieben.

24 Tage bis MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt